Gesundheit

Expertendebatte über Regulierung chemischer Stoffe für K.-o.-Tropfen

Zeit: Mittwoch, 8. November 2023, 16.15 bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300

Mit der möglichen Regulierung chemischer Substanzen, die auch als sogenannte K.-o.-Tropfen missbraucht werden, haben sich Experten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses befasst. Mehrere Sachverständige machten dabei deutlich, dass aus verschiedenen Gründen ein Verbot solcher Stoffe nicht in Betracht kommt, sondern die Lösung des Problems eher in einer verbesserten Prävention zu suchen ist. Die Experten äußerten sich in der Anhörung am Mittwoch, 8. November 2023, sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Antrag der Union

In der Expertenanhörung ging es konkret um einen Antrag der Unionsfraktion (20/8528) mit der Forderung nach einer strengen Regulierung für die Chemikalie Gamma-Butyrolacton (GBL), die missbräuchlich als K.-o.-Tropfen verwendet wird. GBL werde im Körper in Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) umgewandelt und führe zur Eintrübung des Bewusstseins bis hin zur vollständigen Bewusstlosigkeit.

Täter nutzten die geruchs- und geschmacksneutrale Chemikalie, um sie ihren Opfern in Bars oder Diskotheken in die Gläser zu träufeln und sie dann auszurauben oder sexuell zu missbrauchen. Die Opfer könnten sich später nicht mehr erinnern. So liefen die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden meist ins Leere.

Überregulierung zulasten der Wirtschaft befürchtet

Nach Angaben des Toxikologen Rainer Dahlenburg handelt es sich bei GBL und dem ebenfalls zu berücksichtigenden Butandiol (BDO) um organische Stoffe, die in der Industrie eine breite Verwendung finden als Lösungs- und Reinigungsmittel, Weichmacher und Ausgangsstoff für die Herstellung zahlreicher Folgeprodukte. Der Pharmakologe hält eine eingeschränkte Unterstellung der beiden Stoffe GBL und BDO unter das BtMG mit einer Ausnahmeregelung für denkbar, um einerseits strafrechtliche Maßnahmen zu ermöglichen und andererseits die Chemikalien weiter in der Industrie und im Handel einsetzen zu können. Nicht sinnvoll sei die Einführung einer K.o.-Tropfen-Stoffgruppe in das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG). Das Gesetz sei nicht entwickelt worden, um den Missbrauch von Industriechemikalien zu unterbinden.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnte vor einer Überregulierung zulasten der Wirtschaft. Die Erfassung von GBL unter das BtMG würde die Verwendung der Chemikalien im Wesentlichen einschränken und hätte erhebliche Auswirkungen auf die Verwendung eines Grundbausteins in vielen Industrien. Um den Missbrauch zu verhindern, sei eine gesetzliche Beschränkung GBL-haltiger Endverbraucherprodukte unter dem Chemikalienrecht eine sinnvolle Ergänzung der freiwilligen Maßnahmen.

BDK: Keine valide Datenlage

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) verwies auf die nicht ausreichende Datenlage. Es gebe keine qualitätsgesicherten Fallzahlen. Die Verwendung von K.o.-Tropfen werde in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) nicht abgebildet, weil die Fälle nicht eindeutig seien. Oft seien andere psychoaktive Substanzen wie Alkohol oder Drogen nachweisbar, die bewusst konsumiert würden und mit ursächlich seien für den hilflosen Zustand der Opfer.

Aufgrund der schlechten Nachweisbarkeit gebe es keine valide Datenlage und daher auch keine messbare kriminalpolizeiliche Relevanz. Der BDK regte an, bei der Anwendung von K.o.-Tropfen in der Strafzumessung Bewährungsstrafen auszuschließen.

Forderung nach verbesserter Prävention

Der Verein „Kein Opfer“ (KO) begrüßte, dass der legale Zugang zu der Chemikalie GBL von der Politik infrage gestellt werde. Allerdings sei das Problem viel komplexer, denn der Sammelbegriff K.o.-Tropfen umfasse bis zu 100 Substanzen, darunter verschiedene Narkotika, Psychopharmaka und Flüssig-Nikotin aus E-Zigaretten. Sinnvoll wären eine verpflichtende Aufklärung für Veranstalter, Bar- und Clubbetreiber, verpflichtende Aushänge zu dem Thema sowie eine Schulung der Angestellten. Der Verein warnte davor, die Verantwortung für solche Übergriffe auf die Opfer zu verlagern und ihnen auch noch nichtfunktionelle „Schutz-Gadgets“ zu verkaufen. Die Täter-Opfer-Umkehr führe zu einer weiteren Traumatisierung. Vor K.o.-Tropfen könne man sich nicht schützen, das sei die bittere Realität.

Eine junge Frau, die selbst betroffen war, schilderte in der Anhörung ihre Hilflosigkeit bei einem solchen Angriff mit K.o.-Tropfen. Sie habe einen Filmriss erlebt und es nur mit Hilfe von Freunden nach Hause geschafft. Sie forderte, ein Verbot der freien Verfügbarkeit solcher Stoffe zu prüfen. (pk/08.11.2023)

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