Aktuelle Stunde

Scharfe Attacken auf die AfD nach Strategietreffen in Potsdam

Mit Entsetzen und Empörung haben Abgeordnete der Ampel-Fraktionen und der Opposition auf Berichte reagiert, wonach Rechtsextremisten und AfD-Politiker über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland beraten haben. In einer von SPD, Grünen und FDP beantragten Aktuellen Stunde mit dem Thema „Wehrhafte Demokratie in einem vielfältigen Land – Klare Kante gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne“ wandten sich Abgeordnete am Donnerstag, 18. Januar 2024, entschieden gegen Rechtsextremismus und jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Die AfD-Fraktion wies die Vorwürfe in der teilweise scharf geführten Debatte als völlig unbegründet zurück.

Anlass für die Aktuelle Stunde war eine Zusammenkunft von Rechtsextremisten im November 2023 in einer Potsdamer Villa, an der nach Recherchen des Netzwerks „Correctiv“ auch Politiker und Funktionäre der AfD sowie Mitglieder der sogenannten Werteunion teilgenommen haben. Dem Bericht zufolge soll der rechtsextreme österreichische Aktivist Martin Sellner dort einen „Masterplan zur Remigration“ umrissen haben.

SPD: Sicherheit für Menschen mit Migrationshintergrund

Redner der Regierungsfraktionen sicherten den Menschen mit Migrationshintergrund maximale Sicherheit durch staatliche Institutionen zu. Lars Klingbeil (SPD) berichtete von irritierten Menschen, die gerade nicht mehr wüssten, was in diesem Land geschehe. Viele Menschen machten sich große Sorgen um ihre Zukunft in Deutschland und hätten Angst, aus dem Land geworfen zu werden. Die AfD wolle Millionen Bürger aus der Mitte der Gesellschaft vertreiben, weil sie nicht ihrem völkischen Weltbild entsprächen. „Allen diesen Menschen sagen wir: Wir passen auf Euch auf, Ihr seid ein Teil dieses Landes, und wir stehen an eurer Seite.“

Klingbeil hielt der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel vor, die bekannt gewordenen „Deportationspläne“ herunterspielen zu wollen und fügte hinzu: „Sie sind ein Wolf im Schafspelz, aber ihre Fassade beginnt zu bröckeln.“ Das wahre Gesicht der AfD komme für alle sichtbar zum Vorschein. Er forderte die AfD auf, ihre Pläne offenzulegen, die Interessen der Geldgeber und die Hintermänner, mit denen der „Staatsstreich“ geplant werde. „Nutzen Sie die Gelegenheit, die Wahrheit im Parlament zu sagen.“

Klingbeil versicherte zugleich, das Grundgesetz wisse sich gegen die Feinde der Demokratie zu wehren. „Das Grundgesetz und die Menschen, die es tragen, sind stärker als die Feinde der Demokratie.“ Er fügte hinzu: „Es braucht keine Alternative für Deutschland.“ Der SPD-Politiker würdigte die Demonstranten, die in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen sind, um ein Zeichen zu setzen gegen Hass und Ausgrenzung und betonte: „Das ist die Mehrheit der Menschen in diesem Land.“

Grüne: Dazu kann kein Demokrat schweigen

Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an das Grauen der Nazizeit und die Terrorherrschaft mit Konzentrations- und Vernichtungslagern. Aus diesen schrecklichen Erfahrungen heraus sei das Grundgesetz entstanden. „Die Würde des Menschen ist unantastbar, das ist der Kern der demokratischen Werteordnung.“ Sie sei letztlich froh über die Veröffentlichung zu dem Treffen der Rechtsextremisten in Potsdam. Die Vernetzungen in der rechten Szene seien schon länger bekannt. Nun würden auch die barbarischen Pläne einer massenhaften Vertreibung klar. „Dazu kann kein Demokrat mehr schweigen.“

Abgeordnete der AfD säßen im Parlament und seien demokratisch gewählt, sie seien aber keine Demokraten. Die AfD-Politiker bezeichneten sich selbst als Patrioten, jedoch verachteten sie das demokratische, vielfältige Gesicht des Landes. Haßelmann versicherte den Bürgern mit ausländischen Wurzeln, dass für ihre Sicherheit in Deutschland gesorgt werde. Es gehe jetzt darum, die Demokratie vor den Feinden der Demokratie zu bewahren.

FDP: Neue Qualität der Bedrohung

Auch Konstantin Kuhle (FDP) sieht in den jüngsten Enthüllungen eine neue Qualität der Bedrohung. Normalerweise plädiere er dafür, im Umgang mit Rechtsextremisten nicht über jedes Stöckchen zu springen. Bei dem Treffen in Potsdam handele es sich aber nicht um ein Stöckchen, sondern um einen Vorgang, den die AfD lieber geheim gehalten hätte. Mit den Vertreibungsplänen würden neue rechte Kampfbegriffe aufgegriffen, mit denen Rassismus und völkischer Nationalismus in der ganzen Breite der Gesellschaft hoffähig gemacht werden sollten. Mit dem Treffen zeige die AfD, dass sie es darauf anlege, mit Rechtsextremisten zusammenzuarbeiten.

Mit Blick auf die künftig erleichterten Abschiebungen fügte Kuhle hinzu, damit solle ein Beitrag geleistet werden, die massiv überlasteten Kommunen zu entlasten. „Es ist unsere Verantwortung, dieses Problem der irregulären Migration endlich in den Griff zu kriegen.“ Es sei die Verantwortung der demokratischen Parteien, in der Migrationsdebatte auf Maß und Mitte zu achten.

Union: Institutionen sind stark gegen Angriffe

Thorsten Frei (CDU/CSU) sagte, es gehe in der Debatte um die Wehrhaftigkeit der Demokratie und darum, wie die Grundlagen des Staates verteidigt werden könnten. Er sprach mit Blick auf das Treffen in Potsdam von „schlimmen Umtrieben“ und forderte dazu auf, die Probleme beim Namen zu nennen. Es sei richtig, jene zu brandmarken, die krude Umsturz- und Ausweisungsphantasien hätten. Die Gefahr sei nicht zu unterschätzen, jedoch seien die staatlichen Institutionen stark genug, um Angriffe abzuwehren.

Frei forderte zugleich, sich mit den Ursachen zu befassen. Deutschland erlebe derzeit eine schwierige und herausfordernde Situation. Das hänge damit zusammen, dass mit der AfD eine Partei, die zumindest in Teilen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werde, in Umfragen auf hohe Zustimmungswerte komme. Somit bestehe die reale Gefahr, dass bei den Wahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr „die Grenzen der Funktionsfähigkeit unseres Parlamentarismus“ erreicht würden. Es helfe aber nicht, Wähler zu beschimpfen, zumal derzeit 80 Prozent der Bürger glaubten, dass die Bundesregierung keine gute Politik für das Land mache. Der Ansehensverlust der Politik führe zu einem Ansehensverlust der Institutionen. Das sei ein Problem.

AfD: Potsdam war ein kleiner, privater Debattierclub

Dr. Bernd Baumann (AfD) wies die Anschuldigungen gegen seine Partei als völlig haltlos zurück. Auch er machte die Bundesregierung für den verbreiteten Unmut der Bürger verantwortlich. „Noch nie vorher hat eine Bundesregierung unser Land so vor die Wand gefahren wie diese.“ Die Bürger litten unter explodierenden Preisen für Energie, Lebensmittel, unter Wohnungsnot, kaputten Brücken und maroden Schulen. „Die Industrie flieht aus dem Land hinaus, und Millionen kulturfremde Asylanten strömen ungehindert hinein.“ Das sei eine „furchtbare Bilanz“. Die Not seit groß, das Vertrauen sei weg.

Baumann erinnerte daran, dass die AfD in Sachsen in den aktuellen Umfragen wesentlich besser abschneide als die Ampel-Parteien. „So geht Demokratie. Die Wähler strafen Sie ab mit einer Urgewalt, die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist.“ Bei den anderen Parteien mache sich Panik breit. Daher werde die AfD bösartig diffamiert. Was die angeblichen Vertreibungspläne angehe, gehe es aus Sicht der AfD lediglich um rund 300.000 endgültig abgelehnte Asylbewerber und Ausländer, die nur vorübergehend als Bürgerkriegsflüchtlinge Schutz genössen. „In Syrien ist der Krieg vorbei, also müssen 600.000 Syrer zurück. Das ist die Remigration, die wir fordern.“ Das umstrittene Treffen in Potsdam wertete er als „kleinen, privaten Debattierclub“, der zu einem „gemeingefährlichen Geheimtreffen aufgeblasen“ werde.

Ministerin: Rechtstaat wird alle Mittel auffahren

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versicherte, dass der Rechtsextremismus in allen seinen Ausprägungen und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werde. Die sogenannte neue Rechte sehe anders aus als die Alt-Nazis, aber in den Zielen unterschieden sie sich nicht. Es sei kein Zufall, dass in Potsdam ein bekannter Rechtsextremist seine Ideen auch Vertretern von AfD und Werteunion haben vortragen dürfen. Sie betonte: „Die größte Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung ist der Rechtsextremismus.“

Rechtsextremisten wollten die demokratische Grundordnung überwinden, dagegen müssten alle Demokraten aufstehen und kämpfen. „Wir sehen aktive Bestrebungen, Grenzen zu verschieben und Demokratieverachtung und Menschenfeindlichkeit in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.“ Es sei daher richtig, Rechtsextremisten unter Beobachtung zu stellen. Wer von Remigration fantasiere, knüpfe an die menschenverachtenden Rassengesetze der Nazis an. Die Ministerin versicherte: „Diese Demokratie weiß sich zu wehren.“ Die Bundesregierung stehe an der Seite all derer, die sich durch Hass und Hetze bedroht fühlten. (pk/18.01.2024)

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