Parlament

Fraktionen streiten über künftigen Kurs in der Europapolitik

Die Europawahl am Sonntag, 9. Juni, war am Freitag, 7. Juni 2024, Thema einer Vereinbarten Debatte zur Europapolitik im Bundestag. Zwei Tage, bevor in Deutschland rund 64,9 Millionen Menschen ein neues EU-Parlament mitwählen, ging es vor allem um die Themen und großen Baustellen der Europäischen Union, die die kommende Legislaturperiode prägen werden: um Verteidigung, die Fragen nach einer EU-Erweiterung sowie die Wirtschaftspolitik und um die neue EU-Führung.

SPD: Frieden und Sicherheit in Europa stärken

Achim Post (SPD) machte deutlich, wie wichtig die nächsten fünf Jahre für die Staaten Europas sein werden. Vor allem auf den Gebieten „Frieden und Demokratie, Wirtschaft und Klimaziele sowie Demokratie und soziale Zusammenarbeit“. Diese Fragen müsse eine neue EU-Kommission beantworten, und das gehe nur, „wenn die demokratischen Parteien zusammenarbeiten“. Bündnisse mit „rechtsradikalen und faschistischen Parteien“ dürfe und werde es mit Sozialdemokraten nicht geben. 

Damit kritisierte er EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und deren Versuche, in den vergangenen Monaten die Zusammenarbeit mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und deren rechtsextremer Partei Fratelli d'Italia zu verstärken. Anstatt sich mit Postfaschisten zusammenzutun, solle die EU „mehr tun, um den Frieden und die Sicherheit in Europa zu stärken“, sagte Post.

Grüne: Interessen Europas offensiv vertreten 

Dem schloss sich Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) an. Auch sie warnte vor dem Erstarken rechter und rechtsextremer Parteien nach der Europawahl. Den Kurs Ursula von der Leyens, Politikerinnen wie Meloni zu potenziellen Partnern zu machen, nannte Lang „schädlich“.  Die Grünen-Chefin forderte stattdessen ein offensives Vorgehen, um Europas Interessen stärker als bisher zu vertreten. 

„Der Green Deal muss weitergehen, damit die EU wettbewerbsfähig bleibt“, sagte Lang. Es sei entscheidend, dass die Transformation der Wirtschaft gelinge. Den Trend, dass China dazu ansetze, bei der Produktion von E-Autos führend zu werden, dürfe die EU nicht akzeptieren.

CDU/CSU-kritisiert Scholz und Habeck 

Gunther Krichbaum (CDU/CSU), europapolitischer Sprecher seiner Fraktion, widersprach der Kritik an Ursula von der Leyen vehement. An der aktuellen Wettbewerbsschwäche der EU habe die Bundesregierung einen entscheidenden Anteil. In den vergangenen Jahren sei lediglich ein weiteres Freihandelsabkommen verabschiedet worden. Als Verantwortlichen dafür machte Krichbaum Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ampelkoalitionäre aus. Scholz habe sich gegen die Verabschiedung weiterer Abkommen gestellt. 

Dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) warf Krichbaum vor, „in den EU-Gremien zu wenig Präsenz zu zeigen“. Habeck glänze bei Ministerratssitzungen mit Abwesenheit, auch so verliere Deutschland Einfluss in der EU. Handel, Industrie und Binnenmarkt seien wichtige Kerninteressen Deutschlands.

AfD: Wichtige EU-Verträge werden nicht eingehalten

Tino Chrupalla (AfD) kritisierte, dass auf EU-Ebene alle wichtigen Verträge nicht eingehalten würden – weder der Vertrag von Maastricht noch der von Lissabon: „Damit verliert die EU an Glaubwürdigkeit.“ Er bezeichnete die EU als „dysfunktional“ und forderte eine Änderung. 

Ihm schwebe ein Europa von „Wladiwostok bis Lissabon vor“, mit einem „gemeinsamen Wirtschaftsraum“ und „Frieden“ und „freiem Handel“. Dazu seien „gute Beziehungen zu allen Ländern auf dem Kontinent Europa“ notwendig. Deutsche Waffen dürften „nie wieder auf Russland gerichtet sein“.

FDP: Mehr Freihandel und Technologieoffenheit

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) bezeichnete die AfD als „Alptraum für Deutschland“, der die EU „in Trümmern legen will“. Die AfD-Spitzenkandidaten seien während des Wahlkampfs versteckt worden, weil „sie Marionetten von Peking und Moskau sind“. Die AfD propagiere den Austritt Deutschlands aus der EU. „Damit wären Kosten in Höhe von 690 Milliarden Euro verbunden und ein Verlust von 2,5 Millionen Arbeitsplätzen“, sagte die Liberale. 

Das Beispiel Großbritannien und dessen Brexit zeige, wohin ein solcher Schritt führe: „Fachkräfte wandern massenhaft ab und damit der Wohlstand.“ Auch sie kritisierte Ursula von der Leyen, die zu verantworten habe, „dass die europäische Wirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig ist“. Statt immer mehr Bürokratie brauche Europa mehr Freihandel und Technologieoffenheit als Schlüssel für mehr Wachstum und zu mehr Klimaschutz. 

Linke: Wachsende Ungleichheit begrenzen

Janine Wissler (Gruppe Die Linke) kritisierte diesen Kurs. Anstatt „Reiche und Konzerne zu bevorteilen“, müsse die EU die „wachsende Ungleichheit“ begrenzen, weil diese „eine Gefahr für die Demokratie darstellt“. 

Die Schuldenbremse verhindere Investitionen in die Zukunft, die Forderungen nach mehr „Militär und Aufrüstung“ lehne sie ab, so Wissler. Menschen „gegeneinander auszuspielen“, sei „Wasser auf die Mühlen von Rechtsaußen“.

BSW: EU steht aktuell für Aufrüstung

Amira Mohamed Ali (Gruppe BSW) erinnerte an die Idee der EU als „Friedensprojekt, in dem die Völker Europas vereinigt sind“, das sei die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Aktuell stehe die EU für „Aufrüstung“, das sei „ein Verrat an der EU“. Die 13 Sanktionspakete gegen Russland hätten vor allen den Bürgern der EU geschadet, nicht aber der russischen Führung. Deutschland sei seitdem „das Schlusslicht bei den Wachstumsraten aller EU-Staaten“.

Mohamed Ali sprach sich gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus, weil „Russland Atommacht ist, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen“. Nach den EU-Wahlen befürchte sie „weitere Rüstungsdeals“. (nki/07.06.2024)

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