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Abgeordnete festigen Beziehungen zu Usbekistan und Tadschikistan

Sieben Frauen und fünf Männer auf einer Treppe vor dem Parlamentsgebäude in Duschanbe (Tadschikistan)

Vor dem Gebäude des tadschikischen Parlaments in der Hauptstadt Duschanbe: ganz links Anikó Glogowski-Merten (FDP), Vierte von links Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), Fünfte von links Daniela De Ridder (SPD), Dritter von rechts Delegationsleiter Manfred Grund (CDU/CSU). (© Deutsche Botschaft Duschanbe/Schachnosa Kachorowa)

Nach Usbekistan und Tadschikistan in eine Region der Chancen, aber auch voller Sicherheitsrisiken reiste eine Delegation der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe vom 28. April bis 6. Mai 2024. Immer schon, aber jetzt erst recht nach dem russischen Angriff auf den souveränen Nachbarstaat Ukraine ziehe Zentralasien als Transportroute zwischen Europa und Asien die Aufmerksamkeit der Welt auf sich, unterstreicht Delegationsleiter Manfred Grund (CDU/CSU) die gestiegene Bedeutung der Region. 

In 15 Tagen von Rotterdam nach Hongkong

Die Vision: Container sollen die Strecke von Rotterdam nach Hongkong künftig in 15 Tagen zurücklegen. Die Probleme: Terrorismus, organisierte Kriminalität und Großmachtrangeleien bremsen Wirtschaftsaufschwung und Investitionen in die nötige Infrastruktur. Deutschland und Europa haben „das handfeste Interesse, dass in der Region ein sicherer Transportweg entsteht“, und unterstützen Entwicklung und Infrastrukturausbau in den Ländern Zentralasiens mit eigenen Programmen, erklärt Grund. 

Wie Deutschland und die EU, gemeinsam mit den zentralasiatischen Ländern, in der Region Sicherheit und neue Verbindungen schaffen, davon machte sich die Parlamentariergruppe vor Ort ein aktuelles Bild. 

Wahrnehmung der Region durch Ukraine-Krieg gestiegen 

Die Parlamentariergruppe pflegt Beziehungen zu den Ländern Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan sowie zur Mongolei.

„Unsere Beziehungen zu Zentralasien haben sich in den letzten Jahren weiter verbessert“, erklärt Grund, der die Region seit über 30 Jahren kennt. Dazu habe auch die russische Aggression gegen die Ukraine beigetragen: „Das hat die Bedeutung der Region aufgewertet.“ Zentralasien werde von der Staatengemeinschaft intensiver wahrgenommen als je zuvor.

So habe das Gesprächsformat „Fünf plus Eins“, zwischen den fünf zentralasiatischen Ländern auf der einen sowie den USA oder der EU auf der anderen Seite, in diesem Jahr bereits zweimal stattgefunden. Damit suche Zentralasien Anschluss an den Rest der Welt. Auch während des Delegationsbesuchs sei der Wunsch nach stärkerer Zusammenarbeit mit Deutschland zum Ausdruck gebracht worden.

„Abhängigkeit von Russland weiterhin groß“

Gelegen im ehemaligen sowjetischen Machtbereich, übten sich die Länder der Region seit ihrer Unabhängigkeit in einer schwierigen Balance zwischen dem Einfluss Russlands sowie ihrer bislang behaupteten staatlichen Eigenständigkeit und neuen internationalen Optionen. 

Bei einem steigenden Einfluss Chinas und der Suche nach Partnern im Westen sei die Abhängigkeit von Russland weiterhin groß, weshalb die Länder Zentralasiens versuchten, sich nicht zu stark gegenüber Moskau zu positionieren, gibt Grund zu bedenken. Die sich entwickelnden Volkswirtschaften Zentralasiens seien weiterhin auf eine funktionierende Arbeitsmigration nach Russland und die sich daraus ergebenden Einnahmen angewiesen.

Schlüssel für den Ost-West-Verkehr

Deutschland müsse Zentralasien in mehrfacher Hinsicht verstärkt im Blick behalten, mahnt der Außenpolitiker: Durch die Länder zwischen Europa und dem Kaspischen Meer auf der einen Seite sowie Asien mit China auf der anderen Seite verlaufe ein wichtiger Transportweg zwischen Ost und West, der EU und China, den es auszubauen gelte. Zumal seit Russland als alternative Route weggefallen sei, bildeten die Länder entlang des Ferghanatals „die Brücke nach Asien. Die Region ist der Schlüssel für den Ost-West-Verkehr“.

Über den Warenverkehr zwischen der Volksrepublik und dem Westen hinaus kämen zudem wichtige Produkte aus der Region selbst, auch deutsche Unternehmen seien dort mit Niederlassungen vertreten. Lieferungen aus Zentralasien hülfen Deutschland außerdem dabei, sich bei der Versorgung mit Rohstoffen breiter aufzustellen, erklärt der CDU-Abgeordnete. So trage Erdöl aus Kasachstan dazu bei, dass die Raffinerie Schwedt an der Oder überhaupt weiter produzieren könne. Für ihn steht fest: „Unser Interesse ist, die Region mit uns zu vernetzen.“

Belt-und-Road-Initiative und Global Gateway

Das Interesse an einem sicheren Transportweg zwischen Europa und Asien teile der Westen mit China, das durch seine sogenannte „Belt-und Road-Initiative“ diesen Handelsweg bereits seit Längerem mit gezielten Investitionen in Infrastrukturprojekte ausbaue, sowie mit den zentralasiatischen Staaten, die ihre Position gegenüber Russland verbessern wollten.

Als Antwort auf das chinesische Vorhaben hat die Europäische Union mit dem „Global Gateway“ ein eigenes, mit zehn Milliarden Euro ausgestattetes Programm ins Leben gerufen, um sich mit dem Ausbau von Straßen, Schienen, Häfen, Containerterminals oder Unterseekabeln und der Beschleunigung von Grenzkontrollen an dem sogenannten „mittleren Transportkorridor“ zu beteiligen.

Ergänzende Verkehrsprojekte als Win-win-Situation

Prallen in Zentralasien also die Interessen der Großmächte unvereinbar aufeinander, graben beide Seiten gar, wie bei einem missglückten Tunnelbau aneinander vorbei? Oder kann dort doch Gemeinsames geschehen? „Was die EU unternimmt, steht nicht unbedingt im Widerspruch zu dem, was die Chinesen machen,“ ordnet Grund die beiden Vorhaben ein. „Idealerweise könnte es sich sogar ergänzen.“ Einander ergänzende Verkehrsprojekte wären eine Win-win-Situation, um die Vision einer leistungsfähigen und sicheren Transportroute zwischen Europa und Asien zu verwirklichen.

Dass Europa als alternativer Akteur auf den Plan trete, treffe bei den zentralasiatischen Ländern auch deshalb auf große Zustimmung, weil Peking versuche, mit an politische Bedingungen geknüpften Krediten Abhängigkeiten zu schaffen.

Zusammenarbeit mit Deutschland gefragt

Neben dem EU-Programm werde die deutsche Entwicklungszusammenarbeit von den zentralasiatischen Ländern stark nachgefragt, so der stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe. Vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Umweltschutz, der Hilfe bei Naturkatastrophen sowie bei der medizinischen Versorgung.

Die Delegation habe eine Reihe überzeugender Projekte besichtigen können: etwa, um die Bodenerosion zu stoppen, das Wassermanagement zu verbessern oder eine medizinische Basisversorgung aufzubauen, insbesondere für Frauen, Mütter und Kinder oder gegen Tuberkulose. „Es handelt sich bei diesem Beitrag zur Armutsbekämpfung um gut investiertes Geld“ in Form von Zahlungen und rückzahlbaren Krediten, bewertet der Thüringer Politiker die Entwicklungszusammenarbeit mit der Region. Die Dankbarkeit dafür sei groß, Deutschland genieße ein hohes Ansehen, die Zusammenarbeit in anderen Bereichen werde dadurch erleichtert. 

Wirksame Kleinkreditprogramme der KfW-Bank

Auch die Kleinkreditprogramme der KfW-Bank, die in den sich entwickelnden Volkswirtschaften mit verhältnismäßig geringem Mitteleinsatz eine wichtige Wirkung entfalteten, hebt Grund hervor. Kleine Familienbetriebe würden so, beispielsweise durch die Finanzierung einer Spezialmaschine etwa zur Saatgutherstellung, erst in die Lage versetzt, ihre Berufe auszuüben und ihr Geschäft zu betreiben. Die ein- bis zweitausend Euro würden in so gut wie jedem Fall zurückgezahlt und könnten dann an den nächsten Antragsteller ausgereicht werden.

Nicht zuletzt in Sicherheitsfragen, etwa wenn es um eine Strategie gegen den islamistischen Terror gehe, suchten Usbekistan und Tadschikistan die Zusammenarbeit mit Deutschland und kooperierten zunehmend untereinander. 

Hoffnung auf Investitionen

Neben der Entwicklungszusammenarbeit hofften die zentralasiatischen Länder auf verstärkte ausländische Investitionen seitens der Privatwirtschaft, für die vor allem im Bergbau und in der Energiewirtschaft das Potenzial noch nicht ausgeschöpft sei, so Grund. Jede Investition und jede Ansiedlung vor Ort helfe den sich entwickelnden Volkswirtschaften, schaffe Arbeitsplätze, Einkommen, Steuereinnahmen, Wohlstand und damit einen Beitrag zur Entwicklung und auch zur Sicherheit und Stabilität. Wichtig sei, dass ein Teil der Wertschöpfung durch Fertigungsstufen vor Ort erfolge.

Die Politik sehe sich in der Pflicht, auch das private Engagement zu flankieren, das trotz teilweise widriger Umstände durchaus vorhanden sei, so Grund. Gerade Usbekistan mit seinen 35 Millionen Einwohnern sei im Blick der Industrie, größere deutsche Unternehmen wie der Gipsplattenproduzent Knauf oder der Fahrzeughersteller MAN produzierten vor Ort für den dortigen Markt, erzählt der Zentralasien-Kenner. Handelspolitisch und völkerrechtlich seien die bilateralen Beziehungen gut geregelt. Ein erhebliches Entwicklungshindernis sei weiterhin die politische und wirtschaftliche Instabilität der zentralasiatischen Länder.

Arbeitskräftemigration großes Thema 

Zu den Erschwernissen für die Volkswirtschaften Zentralasiens komme hinzu, dass Russland seinen Arbeitsmarkt immer stärker abriegele. „Moskau erpresst seine Nachbarländer. Arbeitsvisa werden mal verlängert, mal nicht“, erzählt Grund. Die noch nicht voll entwickelten Volkswirtschaften bräuchten jedoch weiterhin „stabile Zielländer, in die sie einen Teil ihrer arbeitsfähigen Leute gesichert hinschicken können“.

Zu diesen Zielländern gehöre auch Deutschland. Bemerkenswert: 300 000 Schüler lernen in Usbekistan momentan Deutsch, entsprechend hoch sei das Interesse an Deutschland und Deutsch als Fremdsprache in dem knapp zehn Millionen Einwohner zählenden Tadschikistan. Und es könnten noch mehr sein, man komme mit der Sprachausbildung kaum hinterher und werde von den dortigen Verantwortlichen geradezu belagert, weitere Goethe-Institute zu eröffnen, berichtet Grund.

Deutscher Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften

Auf deutscher Seite wiederum gebe es einen hohen Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften aber Probleme bei der Visaerteilung: „Unsere Konsularabteilungen haben zu wenig Personal und viel zu lange Bearbeitungszeiten“, moniert der CDU-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Eichsfeld – Nordhausen – Kyffhäuserkreis. 

Oft bestehe bereits eine Zusage durch eine deutsche Firma, ein Vertrag sei unterschrieben aber das Visum liege zum geplanten Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme nicht vor. Um Arbeitskräfte aus Usbekistan nach Deutschland zu holen, hätten beide Länder kürzlich ein Abkommen ausgehandelt. Während man so versuche, die Arbeitskräftemigration zum Vorteil aller in geordnete Bahnen zu lenken, stelle die unkontrollierte Migration weiterhin ein gravierendes Sicherheitsproblem für die Region und darüber hinaus dar. 

Herausforderung Afghanistan

Augenscheinlich werde die Herausforderung im Süden Tadschikistans. Eine Tausende Kilometer lange, schwer zu sichernde Grenze teilt das Land mit Afghanistan, das seit dem Rückzug der internationalen Kräfte wieder von den Taliban beherrscht wird und in dem die humanitäre Lage bedrückend sei. Die Sicherheitslage in Zentralasien sei wegen der Nähe zu Afghanistan sehr angespannt und erfordere besondere Aufmerksamkeit, betont Grund. 

„Die Taliban üben einen starken Einfluss auf diese Länder, vor allem auf Tadschikistan und Usbekistan, aus“, erklärt der Zentralasien-Experte, der auch dem Auswärtigen Ausschuss angehört. Probleme bereite zudem die organisierte Kriminalität, vom Rauschgiftschmuggel bis zum Menschenhandel. Über die Sicherheitsprobleme habe die Delegation in Usbekistan und Tadschikistan mit Regierungsvertretern und Thinktanks gesprochen. 

Verhinderung unkontrollierter Migration

Die Antwort auf das Problem bestehe in der Kombination aus Grenzsicherung und Entwicklung. Damit lege man Verbrechern das Handwerk und biete der Bevölkerung dort eine Perspektive, sodass sie sich den Anwerbeversuchen der Taliban entziehen könne. Länder wie Tadschikistan, deren Volksgruppe mehr als 40 Prozent der afghanischen Bevölkerung stelle, könnten bei der Bewältigung der Probleme jede Unterstützung gebrauchen. 

„Wir sind gebeten worden, da mitzumachen“, weiß Grund. Und so helfen seit einiger Zeit Kameras aus Deutschland, die Grenze zu Afghanistan zu sichern und unkontrollierte Migration zu unterbinden. Usbekistan wiederum versuche, die Sicherheitslage an der Grenze zu Afghanistan zu stabilisieren, indem man dort junge Afghanen in handwerklichen Berufen ausbilde.

„Die Lage ist sehr fragil“

Vor allem gelte es, das Ferghanatal als Teil des zentralasiatischen Ost-West-Korridors zwischen Europa und China zu befrieden, wo es immer wieder zwischen den dortigen Ethnien und den durch die sowjetischen Grenzziehungen entstandenen staatlichen Enklaven zu gewaltsamen und bewaffneten Auseinandersetzungen komme. Die Konflikte um Wasser, Weideflächen oder beim Straßenbau erschweren laut Grund die wirtschaftliche Entwicklung der Region. 

„Vieles ist nicht dauerhaft geklärt, die Lage ist sehr fragil“, erläutert der Abgeordnete. Die Spuren islamistischer Terroranschläge führten zudem ins Ferghanatal. Die Attentäter von Istanbul, Stockholm und Sankt Petersburg seien, auch wenn dies nicht ihre Heimat sei, von dort gekommen. Durch Unterstützung bei der Grenzsicherung und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit helfe Deutschland dabei mit, diese Gewalt einzudämmen und die Region sicherer zu machen.

Parlamentarische Außenpolitik

Während der Delegationsreise haben sich die deutschen Abgeordneten in den beiden Hauptstädten Taschkent (Usbekistan) und Duschanbe (Tadschikistan) zum Meinungsaustausch mit Vertretern der Regierungen, der Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie mit Entwicklungshilfeorganisationen, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Thinktanks getroffen, aber vor allem mit Mitgliedern der dortigen Parlamente.

Dabei könne man auf ein breites und erprobtes Netz an Kontakten aufbauen, erzählt der deutsche Abgeordnete: „Der Austausch zwischen den Parlamenten ist unser Hauptschwerpunkt.“ Abgeordnete aus den Ländern seien zwischendurch in Berlin gewesen. In beiden Ländern sei nun von beiden Seiten der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, die parlamentarischen Beziehungen weiter zu intensivieren.

Gesetze gegen ausländische Nichtregierungsorganisationen

Mit ihrem einzigartigen Netzwerk und der vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre biete die Parlamentariergruppe einen Rahmen, um sämtliche Themen und auch Meinungsverschiedenheiten offen anzusprechen, sagt Außenpolitiker Grund. So habe man bei der jüngsten Delegationsreise sein Missfallen über die Gesetze gegen ausländische Nichtregierungsorganisationen zum Ausdruck gebracht, wie sie jüngst in Tadschikistan und Usbekistan beschlossen worden seien. Mit der auf russischen Druck gegen Proteste der Bevölkerung zustande gekommenen Gesetzgebung sollten sämtliche Nichtregierungsorganisationen von ihrer ausländischen Finanzierung abgeschnitten werden. 

Eine bedauerliche Entwicklung, die auch die deutschen Stiftungen betreffe, die zusätzlich zu den staatlichen Beziehungen wertvolle Arbeit leisteten, so Grund: „Da halten wir nicht hinter dem Berg und sagen klar, dass dies der gesellschaftlichen Entwicklung schadet.“ Vorgetragen in dem erprobten und vertrauensvollen Rahmen der parlamentarischen Beziehungen werde solche Kritik nicht als Belehrung wahrgenommen und tue den ansonsten fruchtbaren Beziehungen, die man weiter voranbringen wolle, keinen Abbruch.

Der Delegation gehörten neben Manfred Grund (CDU/CSU), Delegationsleiter und stellvertre*-tender Vorsitzender Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe, Dr. Daniela De Ridder (SPD), Mitglied der Parlamentariergruppe, Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretende Vorsitzende und Anikó Glogowski-Merten (FDP), stellvertretende Vorsitzende, an. (ll/16.09.2024)

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