Tourismus

Experten diskutieren über Olympia 2040 in Deutschland

Zeit: Mittwoch, 25. September 2024, 15 bis 16.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.600

Nachdem Deutschland in diesem Sommer Austragungsort für die Fußball-Europameisterschaft war, gibt es Überlegungen, sich für die Olympischen Spiele 2040 zu bewerben. Der Tourismusausschuss diskutierte am Mittwoch, 25. September 2024, in einer öffentlichen Anhörung darüber, welche Sport-Events sich grundsätzlich zur internationalen touristischen Vermarktung eignen und welche Großveranstaltungen sich dafür in den nächsten Jahren anbieten. 

Als Beispiel für eine erfolgreiche Vermarktung gelten die Fußball-Weltmeisterschaft von 2006, die Handball-Weltmeisterschaft im Jahr 2007 sowie die Fußball-Europameisterschaft 2024 (Uefa Euro 2024).

Fußball-EM als Tourismusmagnet

Volker Bremer, Geschäftsführer der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH, bezeichnete die Uefa Euro 2024 als einen „Tourismusmagnet“. Laut Daten, die auf der Plattform booking.com erhoben worden seien, war die Stadt Leipzig an den Spieltagen mit einer Auslastung von 98 Prozent annähernd ausgebucht. Zudem sorgte das Turnier für eine überragende Medienresonanz. Durch die Berichterstattung von insgesamt 575 für die Host City Leipzig akkreditierten Medienvertretern aus 14 Ländern und rund 900 internationalen Experten habe Leipzig international viel Aufmerksamkeit erhalten.

Der Stadt sei es gelungen, Akteure der Stadtverwaltung und der Wirtschaft auf zusammenzubringen, um Synergieeffekte von Sport und Tourismus zu nutzen. Leipzig verfüge über ein Gremium, in dem Großveranstaltungen bewertet, Konzepte diskutiert und Empfehlungen ausgesprochen werden. Dem Gremium gehörten fachliche Ressorts der Stadtverwaltung Leipzig sowie Vertreter der Leipziger Messe, der Leipzig Tourismus und Marketing sowie der Industrie- und Handelskammer (IHK) an.

Die nächsten Sportgroßereignisse in Leipzig sollen das Turnfest 2025 und das Finale des Europapokals im Jahr 2026 (Uefa Conference League) sein. Auch die Bewerbung Deutschlands als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2040 berge großes touristisches Potenzial.

„Großveranstaltungen können Markenimage verbessern“

Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), schloss sich ihrem Vorredner an. Auch sie erinnerte an die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und sagte: „Das Turnier ist ein hervorragendes Beispiel dafür gewesen, wie Großveranstaltungen das Markenimage Deutschlands international verbessern können. “Neben den kurzfristigen Effekten konnte Deutschland durch die WM 2006 sein internationales Image auch langfristig stärken„, sagte Hedorfer. 

Auch die bisher vorliegenden Zahlen zur Uefa Euro 2024 bestätigten, dass solche Veranstaltungen auswärtige Gäste anzögen. Die Zahl der internationalen Übernachtungen sei während des Turniers auf insgesamt 8,7 Millionen, um 15,7 Prozent gegenüber den Werten des Vorjahres, gestiegen. Das sei der höchste je erfasste Juni-Wert für ausländische Gäste. 

Laut einer umfassenden Studie von Nielsen Sports kamen 44 Prozent der Ticketinhaber bei der Uefa Euro 2024 aus dem Ausland – insgesamt waren das 745.000 Besucher aus 119 Ländern. Allerdings seien nicht nur Fußball-Events für Touristen interessant, auch Sportarten wie Eiskunstlaufen, Turnen, Handball, Darts, E-Sports, Schach, Motorcross, Reiten und Rudern hätten in der Vergangenheit für steigende Tourismuszahlen gesorgt.

Verdrängungseffekte durch die Fußball-EM 

Dr. Florian Dorn, Direktor EconPol Europe beim ifo-Institut, gab zu bedenken, dass die Uefa Euro 2024 auch gewisse “Verdrängungseffekte„ gehabt habe. So seien Geschäftsreisen und Reisen von einheimischen Touristen im Juni sehr zurückgegangen. Dafür hätten die Übernachtungszahlen der internationalen Gäste zugenommen.

In dem Zeitraum sei mit diesen Gästen etwa eine Milliarde Euro eingenommen worden. Vor allem die direkten Host-Cities als die Austragungsorte der Spiele hätten davon profitiert – und dabei vor allem jene Städte, die auch sonst zu den touristischen Anziehungspunkten gehören.

“Synergieeffekte von Sport und Tourismus verbessern„

Prof. Dr. Pamela Wicker, Sport-Ökonomin an der Universität Bielefeld, schlug vor, um Synergieeffekte von Sport und Tourismus zu verbessern, Sportgroßveranstaltungen “räumlich und zeitlich so zu legen, dass Verdrängungseffekte mit regulären Touristen, die die Stadt oder Region besuchen wollten, gering gehalten werden„. 

Da Sportfans meistens in Gruppen oder in Begleitung von Familienangehörigen reisten, könnten “Synergiepotenziale in Sachen Familien- und Kinderfreundlichkeit geschöpft werden„. Zu nennen seien beispielsweise Mobilitätsangebote, Preise, Uhrzeiten und Betreuungsangebote. Bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 dürften die späten Anstoßzeiten um 21 Uhr und die noch später zu bewältigende Abreise vom Stadion aber als problematisch empfunden worden sein.

Hoher Klima- und Umweltfußabdruck

Stefanie Degreif, stellvertretende Bereichsleiterin im Bereich Ressourcen und Mobilität am Öko-Institut, gab zu bedenken, dass Sportgroßveranstaltungen zwar Millionen von Menschen erreichten und mit vielen Emotionen verbunden seien, jedoch selbst einen hohen Klima- und Umweltfußabdruck erzeugten, “den es zu verringern gilt„. Der Betrieb von Sportstätten und Veranstaltungsbetrieben, die Anreise von Sportlerinnen und Sportlern sowie von Gästen, Hotelübernachtungen und mehr sorgten für hohe Treibhausgasemissionen. 

Diverse Abfällen und ein hoher Wasserverbrauch trügen negativ zum Umweltfußabdruck bei.  Jedoch hätten sich einige Nachhaltigkeitsthemen im Alltag durchgesetzt. “Diese Entwicklung können wir zum Teil auch bei der Uefa Euro 2024 sehen„, sagte Degreif. So sei Mehrweggeschirr zum Einsatz gekommen, und die Eintrittskarten dienten auch als Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr am Veranstaltungsort. Außerdem habe die Deutsche Bahn mit dem Interrail Pass Euro 2024 preisreduzierte Tickets angeboten.

“Nachhaltigkeit für den Tourismus unverzichtbar„

Dr. Rüdiger Leidner, Beauftragter für Tourismus beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, betonte, dass Nachhaltigkeit insbesondere für den Tourismus unverzichtbar sei. Der Begriff umfasse sowohl ökologische als auch ökonomische soziale Nachhaltigkeit. “Barrierefreiheit ist daher immanenter Bestandteil echter und konsequenter Nachhaltigkeit„, sagte Leidner. 

Er kritisierte, dass bei der Uefa Euro 2024 keines der zehn Stadien die in Deutschland gesetzlich festgelegten Mindestanforderungen an Rollstuhlplätzen, barrierefreien Toiletten und Behindertenparkplätzen erfüllt habe. Diese Defizite gelte es bei zukünftigen Sportgroßveranstaltungen zu beheben. Es reiche aber nicht aus, nur die Sportstätten barrierefrei zu machen. “Teilhabe entsteht erst dann, wenn auch die anderen Bereiche der touristischen Servicekette wie Verkehrsmittel und Übernachtungsorte barrierefrei sind„, sagte Leidner. 

Derzeit seien lediglich zwei Prozent der touristischen Beherbergungseinrichtungen barrierefrei. Das Online-Portal “Reisen für Alle„, eine Datenbank, die Gästen mit Behinderungen die Reiseplanung erleichtern soll, indem sie Informationen zu konkreten, barrierefreien Angeboten systematisch sammelt, sollte weiterentwickelt und auf andere europäische Staaten ausgedehnt werden. 

Sport als verbreitetes Urlaubsmotiv

Philipp Dornberger, Referatsleiter des Kieler-Woche-Büros der Stadt Kiel, sagte: “Sport-Events ziehen Millionen von Zuschauerinnen und Zuschauern an, welche nicht nur für Eintrittskarten, sondern darüber hinaus auch für ihre Verpflegung Geld ausgeben.„ Als Freizeitaktivität sei der Sport auch ein verbreitetes Urlaubsmotiv. Dabei könne es sich um das Ausüben von Sportarten handeln, welche man am Heimatort betreibt oder nur im Urlaub. 

Die Studie “Der Wert des Sports im Sportland Schleswig-Holstein„ vom Mai 2024 mache deutlich, dass sich der geschätzte Umsatz der zehn größten Sportveranstaltungen in Schleswig-Holstein auf etwa 115 Millionen Euro belaufe. Hinzu kämen noch einmal gut 24,5 Millionen Euro an Ausgaben von Besuchern der schleswig-holsteinischen Profimannschaften, vor allem im Fußball und Handball. Parallel zu den Großveranstaltungen würden auch die Breitensportveranstaltungen ausgebaut. (nki/25.09.2024)

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