Finanzen

Streit um die Abschaffung des Solidaritätszuschlags

Die FDP-Fraktion hat einen Gesetzentwurf „zur vollständigen Befreiung der Wirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger vom Solidaritätszuschlag – Solidaritätszuschlagbefreiungsgesetz“ (SolZBFreiG, 20/14254) eingebracht. Nach der ersten Lesung am Donnerstag, 19. Dezember 2024, hat der Bundestag den Entwurf dem federführenden Finanzausschuss zur Beratung überwiesen. 

FDP: Der Soli muss weg

Der Solidaritätszuschlag habe sich historisch und politisch, aber auch wirtschaftlich überlebt, sagte Christian Dürr (FDP) zu Beginn der Debatte. „Es war ein politisches Versprechen der 1990er-Jahre, dass diese Abgabe gestrichen wird, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat“, so der FDP-Fraktionsvorsitzende. Nach 30 Jahren sei das der Fall. 2019 sei der Solidarpakt II ausgelaufen. „Der Soli muss weg“, betonte Dürr. Er sei inzwischen eine Strafsteuer und ein Beleg dafür, dass Leistungsbereitschaft in Deutschland „systematisch durch den Staat betraft wird“. 

Dürr warf der SPD vor, in der Ampel-Koalition Vorschläge zur Entlastung der deutschen Wirtschaft blockiert zu haben. Mit 30 Prozent Unternehmensbesteuerung sei Deutschland das Schlusslicht unter den OECD-Ländern. „30 Prozent ist viel zu hoch und hat reale Auswirkungen“, sagte Dürr. 

SPD: Völlig unseriöse Finanzpolitik

Michael Schrodi (SPD) warf wiederum FDP und Union vor, eine „knallharte Umverteilung von der Mitte der Gesellschaft zu den Reichsten in diesem Land“ zu planen und damit ein riesiges Loch in den Staatshaushalt zu reißen. „Das ist eine völlig unseriöse Finanzpolitik, die sozial ungerecht und schlecht für diesen Land ist“, befand der SPD-Abgeordnete. Seiner Partei gehe es darum, 95 Prozent der Menschen zu entlasten. Die höchsten Einkommen, „vor allem das eine Prozent“, wolle man zur Gegenfinanzierung heranziehen. 

Nehme man aber den „Rest-Soli“ weg, würden 62 Prozent der eingesparten Steuern „bei den reichsten ein Prozent bleiben“, sagte Schrodi und urteilte: „Die Programme von Union und FDP sind auf Sand gebaut.“ Benötigt werde aber ein festes Fundament für Bürger und Wirtschaft. Ein solches wolle die SPD.

CDU/CSU für vollständige Abschaffung

Olav Gutting (CDU/CSU) stimmte der Einschätzung im FDP-Antrag zu, dass die Voraussetzungen für die Solidaritätszuschlag nicht mehr erfüllt seien. Spätestens seit dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahre 2019 seien die Kosten der deutschen Einheit „in der Normallage“. Aus dem Solidaritätszuschlag sei inzwischen eine „verkappte Unternehmensteuer und eine besondere Einkommensteuer“ geworden. Er müsse vollständig abgeschafft werden, forderte Gutting. 

Der Soli, so der Unionsabgeordnete weiter, sei eine Sondersteuer auf Qualifikation, auf die Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko, auf die Innovationsfähigkeit, „aber auch eine Sondersteuer auf die Vorsorge für das Alter“. Der Solidaritätszuschlag treffe Selbstständige, Freiberufler und Leistungsträger im Angestelltenbereich. „Das sind nicht alles die Superreichen“, sagte Gutting. Es seien auch die kleinen Handwerksbetriebe, die Körperschaftsteuer „und damit auch Solidaritätszuschlag“ zahlten. 

Grüne: Strukturelle Schwäche der Volkswirtschaft angehen

Sascha Müller (Bündnis 90/Die Grünen) warf der FDP vor, sich vor der Aussage zu drücken, wie man die mit dem Wegfall des Soli verbundenen Mindereinnahmen kompensieren will. Von einer konstruktiven Opposition müsse man mehr erwarten dürfen. Müller räumte ein, dass auch Unternehmen durch den Solidaritätszuschlag belastet und durch den Wegfall entlastet würden. 

Glaubwürdiger wäre das Eintreten der FDP für die Unternehmen aus seiner Sicht aber, „wenn sie dabei wäre, die schon länger bestehende strukturelle Schwäche unserer Volkswirtschaft anzugehen“. Bei der im Sommer in der Ampel vereinbarten Wachstumsinitiative wollten die Liberalen jedoch nicht mehr mitgehen, kritisierte er. 

AfD: Eine Milliarde Euro einsparen

Die AfD-Fraktion habe den Antrag auf Abschaffung des Solidaritätszuschlags schon vor fünf Jahren gestellt, sagte Kay Gottschalk. Aus seiner Sicht ist die von SPD und Grünen geforderte Gegenfinanzierung kein Problem fehlender Einnahmen, sondern falscher Ausgaben. Nehme man von den 31 Milliarden Euro für den EU-Haushalt zehn Prozent weg, habe man schon mal drei Milliarden. 

Bringe man 500.000 arbeitsfähige Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit schaffe das 15 Milliarden Euro. Zumindest eine Milliarde Euro könne man bei „ziemlich unnützen Projekten in der Entwicklungshilfe“ einsparen, wie etwa den Fahrradwegen in Peru. „Das würde Deutschland wieder auf die Beine bringen“, sagte Gottschalk. 

Linke und BSW: Klientelpolitik für die Reichsten

Christian Görke (Gruppe Die Linke) warf der FDP vor, Klientelpolitik für die reichsten ein Prozent der Bevölkerung zu machen. Die FDP sei eben keine Entlastungspartei. „Ihre Politik war und ist eine Belastung für die breite Mitte in diesem Land“, sagte er.

AfD, FDP und Union überböten sich dabei, „wie man die Reichsten noch reicher machen kann“, sagte Alexander Ulrich (Gruppe BSW). Vergessen werde dabei, „dass die arbeitende Mitte die Leistungsträger sind“. 

Gesetzentwurf der FDP

Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes zur vollständigen Befreiung der Wirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger vom Solidaritätszuschlag (20/14254) eingebracht. Das „Solidaritätszuschlagbefreiungsgesetz“ sieht eine Abschaffung des Zuschlags in zwei Stufen vor. Bereits zum 1. Januar 2025 soll der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf 3,0 Prozent der Bemessungsgrundlage reduziert werden. Um Belastungssprünge zu mildern, die bei Überschreiten der Freigrenze auftreten, soll zugleich auch die Grenzbelastung reduziert werden. Zum 1. Januar 2027 soll der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden. Durch die frühzeitige gesetzliche Regelung der vollständigen Abschaffung entstehe zusätzliche Planungs- und Investitionssicherheit, schreibt die FDP-Fraktion.

Zur Begründung heißt es, spätestens mit dem Auslaufen des zur Vollendung der deutschen Einheit aufgelegten Solidarpakts II im Jahr 2019 sei jegliche Begründung für die Erhebung des Solidaritätszuschlags entfallen. Die weitere Erhebung dieser Sondersteuer sorge für eine ungerechtfertigte Mehrbelastung von Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Kapitalanlegern und Leistungsträgern im Angestelltenverhältnis. Damit sei der Solidaritätszuschlag de facto eine Sondersteuer auf Qualifikation, Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko und auf die Investitionsfähigkeit deutscher Unternehmen und Privatanleger. 

„Deutsche Industrie in der Rezession“

Wie die FDP-Fraktion weiter schreibt, befindet sich die deutsche Industrie seit Ende 2017 in der Rezession. Verschiedene Faktoren hätten zum Absturz Deutschlands in unterschiedlichen Standortrankings beigetragen. Ein zentrales Problem sei der Fachkräftemangel. Bei der Anwerbung gut qualifizierter ausländischer Fachkräfte seien die Höhe der Besteuerung und die Komplexität des Steuer- und Abgabensystems ein wichtige Entscheidungskriterien. „Die im internationalen Vergleich zu hohe Besteuerung in Deutschland hält somit derzeit viele ausländische Fachkräfte von der Migration in den deutschen Arbeitsmarkt ab“, argumentiert die FDP-Fraktion. Und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sowie als Anreiz für Innovation und Produktivitätssteigerungen seien Steuersenkungen das geeignete Mittel. 

ie Absenkung des Solidaritätszuschlags im ersten Schritt um 2,5 Prozentpunkte werde voraussichtlich zu einem Rückgang der Einnahmen um 4,5 Milliarden Euro auf 8,6 Milliarden Euro im Jahr 2025 und um fünf Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro im Jahr 2026 führen. Nach vollständiger Abschaffung des Solidaritätszuschlags im zweiten Schritt werde es ab dem Jahr 2027 keine Einnahmen mehr geben. (hau/hle/19.12.2024)