Minister Pistorius: Verteidigungsausgaben müssen deutlich steigen
Rund fünf Stunden nach der Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Bundeswehr zur „konventionell stärksten Armee in Europa“ machen zu wollen, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der Debatte am Mittwoch, 14. Mai 2025, über die Verteidigungspolitik der neuen Bundesregierung erste konkrete Maßnahmen benannt.
So soll die Personalstärke der deutschen Streitkräfte durch die Einführung des sogenannten „Neuen Wehrdienstes“ in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden. Dieser sieht vor, dass alle jungen Männer bei Vollendung des 18. Lebensjahres einen Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie Auskunft erteilen über eine mögliche Bereitschaft für einen freiwilligen Wehrdienst und über ihre körperliche Fitness. Frauen sollen den Fragebogen auf freiwilliger Basis ausfüllen können.
Pistorius: Bundeswehr muss personell „durchhaltefähig“ werden
Pistorius, der bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundeskabinett vorgelegt hatte, der aber nicht mehr im Bundestag beraten worden war, hofft, damit genügend Freiwillige für die Truppe zu gewinnen. Er betonte zugleich, dass man „zunächst“ auf mehr Freiwillige baue. Sollten diese nicht gewonnen werden können, müsste aber über weitere Schritte nachgedacht werden. Die Bundeswehr müsse personell „durchhaltefähig“ werden.
Der Verteidigungsminister kündigte zudem ein Gesetz zur weiteren Beschleunigung bei der Planung und Beschaffung von Waffensystemen und Ausrüstung für die Bundeswehr sowie Sicherheitsgesetze zum Schutz vor Spionage und Drohnen feindlicher Mächte an.
„Bedrohungslage geht vor Kassenlage“
Pistorius machte deutlich, dass die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren deutlich steigen müssen. „Die Bedrohungslage geht vor Kassenlage“, sagte der Minister. Es sei richtig gewesen, noch zum Ende der vergangenen Legislaturperiode die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse durch eine Grundgesetzänderung zu entkoppeln.
Ebenso stellte Pistorius eine stärkere Zusammenarbeit mit den Nato-Verbündeten in Europa, vor allem mit Frankreich, Großbritannien und Polen, bei der Entwicklung gemeinsamer Rüstungsprojekte in Aussicht. Ausdrücklich bekannte sich der Minister zur weiteren Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Bislang habe Deutschland die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges mit Waffenlieferungen und militärischer Ausbildung im Wert von 38 Milliarden Euro unterstützt.
AfD: Verteidigung des deutschen Nationalstaates
Der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen warf der neuen Bundesregierung vor, den falschen Kurs der alten Bundesregierung fortsetzen zu wollen. So sei die Ablehnung Moskaus zu dem Vorstoß von Bundeskanzler Merz für einen 30-tägigen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg wohl von vornherein „intendiert“ gewesen, um an einem außenpolitischen Kurs festzuhalten, der die realpolitischen Verhältnisse weiterhin ignoriert. Dies zeige sich auch am Festhalten an Verteidigungsminister Boris Pistorius, führte der Parlamentarier an. In der Vergangenheit sei zwar immer mehr Geld in den Verteidigungshaushalt gesteckt worden, die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr habe aber nicht erhöht werden können, monierte Lucassen.
Vorrangige Aufgabe der Bundeswehr müsse die Verteidigung des deutschen Nationalstaates sein. Neben der materiellen und personellen Verteidigungsfähigkeit müsse auch die „ideelle Verteidigungsfähigkeit“ der Truppe gestärkt werden, forderte Lucassen. Er verwies auf die Ukraine, deren Soldaten das Land sei drei Jahren erfolgreich gegen Russland verteidigten. Dies sei nur wegen des klaren Bekenntnisses zu „Volk und Nation“ möglich, argumentierte Lucassen. Die afghanische Armee hingegen sei innerhalb kürzester Zeit „von einer Sandalen-Guerilla“ besiegt worden.
Union für deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben
Thomas Erndl (CDU/CSU) hielt Lucassen entgegen, er wundere sich, dass der AfD-Abgeordnete die Ukraine militärisch nicht unterstützen wolle aufgrund seiner moskaufreundlichen Ausrichtung, obwohl er die Tapferkeit der Ukrainer so lobe. Die Unterstützung der Ukraine sei auch eine Lehre aus dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren. Nur durch eine glaubwürdige militärische Abschreckung sei der Friede und die Freiheit zu erhalten, sagte Erndl.
Der Unionspolitiker sprach sich für eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr werde nicht ausreichen. Deutschland werde seine Verteidigungsausgaben auf bis zu 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes erhöhen müssen, um die Vorgaben der Nato zu erfüllen.
Grüne gegen Rückkehr zur Wehrpflicht
Einer Rückkehr zur Wehrpflicht, die in Deutschland 2011 ausgesetzt worden ist, erteilte Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen) eine klare Absage. Die Wehrpflicht stelle einen „erheblichen Eingriff in die Biografie junger Menschen“ dar und gefährde somit auch „den familiären Frieden“. Sie sei dem „wehrpflicht-kritischen Teil der SPD“ deshalb sehr dankbar, dass er sich in den Koalitionsverhandlungen mit der Union durchgesetzt habe. Ebenso dürften in der schwarz-roten Bundesregierung nicht wieder eine „Moskau-Connection“ und eine „China-Connection“ an Einfluss gewinnen, wie dies in der letzten Koalition aus CDU/CSU und SPD der Fall gewesen sei, führte Nanni an.
Die Grünen-Abgeordnete bestätigte, dass die Bundeswehr materiell besser ausgestattet werden muss. Deshalb habe ihre Fraktion in der vergangenen Legislatur der Grundgesetzänderung zugestimmt, um die finanziellen Spielräume im Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Dies bedeute aber, dass es „jetzt keine Ausreden mehr gibt“.
SPD: Militärische Mittel und Diplomatie
Falko Droßmann (SPD) erinnerte daran, dass die Ampelkoalition in den letzten Wochen der vergangenen Legislaturperiode noch das Artikelgesetz Zeitenwende durch den Bundestag gebracht habe, um die Absicherung der deutschen Soldaten deutlich zu verbessern. „Dies zeigt: Wir können es.“
Die Fähigkeit, das eigene Land und das Bündnis zu verteidigen, sei die Grundvoraussetzung für alle anderen Politikbereiche. Zu dieser Verteidigung gehöre auch der Schutz vor hybriden Angriffen auf die kritische Infrastruktur. Die Koalition setze bei seiner Sicherheit aber nicht nur auf militärische Mittel, sondern auch auf Verhandlungen und Diplomatie, betonte der Sozialdemokrat.
Linke kritisiert Erhöhung der Verteidigungsausgaben
Ulrich Thoden (Die Linke) hingegen übte heftige Kritik an der Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Die Bundesregierung wolle die Bundeswehr „kriegstüchtig“ machen, dies gehe aber über eine Verteidigungsfähigkeit weit hinaus. Die Parole „Whatever it takes“ sei ein „Blankoscheck“ für die Rüstungsindustrie, die Preise für Rüstungsgüter nach oben zu treiben.
Bei den Sozialausgaben sei von einem „Whatever it takes“ jedoch nichts zu verspüren – im Gegenteil. Die Sicherheit nach außen und die soziale Sicherheit im Innern dürften jedoch nicht gegeneinander ausgespielt werden, mahnte der Linken-Abgeordnete an. Seine Fraktion sei die einzige Oppositionskraft im Bundestag, die sich gegen die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung stelle. (aw/14.05.2025)