Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat dazu aufgerufen, sich der „großen digitalen Herausforderung“ zu stellen. „Wir stehen in einem wahnsinnigen internationalen Wettbewerb“, sagte die Regierungschefin am Mittwoch, 21. November 2018, in der Generalaussprache zum Etat der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes, Einzelplan 04 des Bundeshaushalts 2019 (19/3400, 19/3402). Dieser Wettbewerb müsse so gestaltet werden, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe und nicht die Technik den Menschen beherrsche. Man sei bei der Infrastruktur wie Mobilfunk und schnellem Internet auf einem guten Weg.
Kanzlerin: Wir wollen wieder überall Weltklasse sein
Die Digitalisierung müsse „vom Bürger her gedacht werden“, sagte sie zu der geplanten Schaffung eines Bürgerportals von Bund, Ländern und Kommunen, über das die Bürger in einigen Jahren den kompletten Zugang zu Behörden von Fahrzeuganmeldung über Elterngeldbeantragung bis zu Steuererklärungen digital haben sollen. Merkel sicherte auch weitere Förderung der künstlichen Intelligenz zu. Deutschland sei in einzelnen Punkten spitze, aber der Anspruch müsse sein: „Wir wollen wieder überall Weltklasse sein.“
Merkel bekannte sich klar zu dem auch in ihrer Partei und Fraktion umstrittenen UN-Migrationspakt: „Dieser Pakt für Migration, genauso wie der Pakt für Flüchtlinge, ist der richtige Antwortversuch, globale Probleme auch international und miteinander zu lösen.“ Merkel sagte, dass der Pakt in „nationalem Interesse“ sei, weil er die Bedingungen auf der Welt für Flucht und Arbeitsmigration verbessern könne. Zugleich versicherte sie: „Die Souveränität unseres eigenen Landes wird nicht berührt.“ Es werde nichts unterzeichnet, nichts unterschrieben, es sei auch nichts rechtlich bindend: „Wir haben rechtlich bindende Vorschriften für den Umgang mit Menschen.“
FDP: Wirtschaftliche Realität spiegelt sich nicht im Etat
Unterstützung fanden Merkels Aussagen beim Fraktions- und Parteivorsitzenden der FDP, Christian Lindner. Sicher sei der Pakt umstritten, „aber es ist besser, den Pakt zu haben als nicht“. Lindner erinnerte an das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA, das an „Desinformationen der politischen Linken“ gescheitert sei. Das dürfe sich jetzt beim Migrationspakt nicht mit Desinformationen der Rechten wiederholen.
Zum Haushalt sagte Lindner, die Wachstumsdynamik in Deutschland lasse nach. Diese neue wirtschaftliche Realität spiegele sich nicht im Etat, sondern es gebe vermehrt Konsumausgaben: „Sie schaffen Ansprüche, die den Etat zukünftig strangulieren werden.“
AfD: Wohlstand wird bedenkenlos verschleudert
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel eröffnete die Generalaussprache zum Etat des Kanzleramtes. (DBT/Melde)
Die Bundesregierung betreibe „eine Politik der Spaltung und der Unvernunft, eine Politik des Ausgabenwahns und der falschen Prioritäten“, erklärte Dr. Alice Weidel, die Vorsitzende der AfD-Fraktion. Der noch vorhandene Wohlstand werde bedenkenlos verschleudert, ohne an Morgen zu denken. Dabei bröckle das wirtschaftliche Fundament.
Die Politik ignoriere aber die ökonomische Vernunft, setze die Interessen des eigenen Landes und der eigenen Bürger an die letzte Stelle. „Dafür rennen Sie ideologischen Weltbeglückungsfantasien hinterher. Das hält die stärkste Volkswirtschaft auf Dauer nicht ohne Schaden aus“, so Weidel. Die AfD-Fraktionsvorsitzende widmete längere Zeit ihrer Rede der Spendenpraxis ihrer Partei. Vorwürfe wies sie zurück und konterte mit Hinweisen auf frühere Spendenaffären anderer Parteien.
SPD lobt hohe Investitionsausgaben
SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von einer „großen Zäsur“ in Europa durch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU. Vom Bundestag müsse ein Signal ausgehen, „dass die europäische Einigung durch den Brexit nicht ins Stocken geraten wird“. Dafür müsse zusammen mit Frankreich und den anderen europäischen Partnern gesorgt werden. Merkel hatte zuvor den Austritt Großbritanniens aus der EU bedauert, zugleich aber auch für das Brexit-Abkommen geworben.
Nahles sagte, es dürfe nie wieder passieren, „dass uns eine Finanzkrise wieder kalt erwischt“. Sie unterstützte die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und die Einführung einer Digitalsteuer. Zusammen mit Frankreich könne ein Vorschlag für die Einführung dieser Steuer auf europäischer Ebene noch in diesem Jahr erfolgen. Den deutschen Haushalt lobte sie wegen seiner hohen Investitionsausgaben von 155 Milliarden Euro: „Das ist ein klares Zeichen, dass wir die Zeichen der Zeit richtig erkannt haben.“
Linke: An vielen Menschen geht das Wachstum vorbei
Dagegen vernachlässigt nach Ansicht der Vorsitzenden der Fraktion Die Linke, Dr. Sahra Wagenknecht, die Bundesregierung bei ihren Investitionen die Interessen der Menschen. „Meinen Sie wirklich, dass zufriedene Rüstungslobbyisten wichtiger sind als zufriedene Wähler?“, fragte sie angesichts der um starken Erhöhung der Rüstungsausgaben.
Andererseits sei die Regierung nicht in der Lage, alte Menschen vor Armut zu schützen, allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen und ländliche Regionen mit schnellem Internet zu versorgen. „Das ist doch eine irre Politik“, kritisierte Wagenknecht. An vielen Menschen gehe das Wachstum seit Jahren vorbei, wer in arme Verhältnisse geboren werde, komme da nicht mehr raus.
Grüne: Koalition vor allem mit sich selbst beschäftigt
Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, warb für eine starke EU. Nur die EU könne dem Klima- und Sozialdumping in der Wirtschaft etwas entgegensetzen. Für mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit brauche es eine Kindergrundsicherung, ein Ende der Immobilienspekulationen, Bankenregulierung sowie gerechte Steuern auch für Digitalkonzerne.
Der Koalition warf Hofreiter vor, sich trotz der gewaltigen Aufgaben hauptsächlich um sich selbst zu drehen. „Wir erleben eine Koalition, die als große Selbsthilfegruppe vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und schon lange nicht mehr mit den Fragen und den Nöten der Menschen“, sagte er.
CDU/CSU warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft
Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft in Deutschland. Es sei eine „verhängnisvolle Entwicklung“, dass der Zusammenhalt schwinde. Der gesellschaftliche Konsens bröckle. Es gehe um Solidarität und darum, die Dialogfähigkeit zu stärken.
Der Bundestag stimmte nach vierstündiger Aussprache in zweiter Lesung in namentlicher Abstimmung den Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses (19/4624, 19/4625) zum Etat des Bundeskanzleramtes zu. 382 Abgeordnete votierten für das Zahlenwerk, 275 dagegen. Der Einzelplan des Kanzleramtes sieht im kommenden Jahr Gesamtausgaben in Höhe von 3,24 Milliarden Euro vor. Dem stehen Einnahmen von 3,23 Millionen Euro entgegen.
1,58 Milliarden Euro für Kultur und Medien
Etwa die Hälfte der geplanten Ausgaben sind für die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Staatsministerin Professor Monika Grütters (CDU), vorgesehen, nämlich 1,58 Milliarden Euro (2018: 1,5 Milliarden Euro). 1,25 Milliarden Euro (2018: 1,23 Milliarden Euro) davon sind Zuweisungen und Zuschüsse. Auf die Kulturförderung im Inland entfallen etwa 583,11 Millionen Euro (2018: 598, 29 Millionen Euro), auf den Auslandsrundfunk (Hörfunk und Fernsehen) 356,15 Millionen Euro (2018: 333,2 Millionen Euro). Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll 294, 43 Millionen Euro (2018: 276,11 Millionen) ausgeben dürfen.
Ein Zuschuss von 961,48 Millionen Euro ist laut Entwurf für den Bundesnachrichtendienst eingeplant (2018: 925,45 Millionen Euro); für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sind 118,19 Millionen Euro (2018: 92,12 Euro) vorgesehen, für das Bundesarchiv 64,54 Millionen Euro (2018: 62,26 Millionen Euro). Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Roland Jahn, soll 107,31 Millionen Euro erhalten (2018: 103,77 Millionen Euro), die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), 38,22 Millionen Euro (2018: 32,47 Millionen Euro).
Entschließungsantrag der Grünen abgelehnt
In der dritten Lesung des Bundeshaushalts 2019 am Freitag, 23. November 2018, lehnte der Bundestag einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/5896) zum Etat 2019 des Bundeskanzleramtes ab.
Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien nur zuzustimmen, wenn dieser den Friedensprozess in Nordirland nicht gefährdet und eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert. Auch solle fairer Wettbewerb, Verbraucherschutz und die Einhaltung von Standards abgesichert werden. Während die Grünen dafür stimmten, enthielten sich FDP und Linksfraktion. CDU/CSU, SPD und AfD lehnten diesen Entschließungsantrag ab. (sas/23.11.2018)