Der Bundestag hat sich am Mittwoch, 16. September 2020, in einer einstündigen Debatte mit Anträgen der Oppositionsfraktionen zur Mobilität der Zukunft befasst.
CDU/CSU: Innovationen statt Verbote
In der Aussprache sagte Felix Schreiner (CDU/CSU), der Anspruch der Union sei es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands „mit dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu vereinen“. Dabei müsse Technologieoffenheit garantiert und Innovation gefördert werden. Es sei klar, dass der Verkehrssektor einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaschutzzielen leisten muss. „Das erreichen wir nur durch Innovationen, aber nicht durch Verbote“, sagte er.
Schreiner forderte, die Empfehlungen der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität ernst zu nehmen. Am Ende würden sich nämlich nicht die Technologien durchsetzen, die im Bundestag beschlossen werden, sondern jene, „die vom Bürger gekauft werden können und die auch bezahlbar sind“.
AfD warnt vor verschärften CO2-Einsparzielen
Für Wolfgang Wiehle (AfD) stellt die Frage, ob die Mobilität der Zukunft von der freien Wahl des Verkehrsmittels oder von „Gängelung, Verboten und immer neuen Steuern“ geprägt sein wird. Jeder Verkehrsträger, so Wiehle, habe seine Stärken. Das Auto sei unschlagbar in der Erschließung der Fläche, die Bahn bei der Bündelung großer Verkehrsströme. „Wer das nicht erkennt oder nicht erkennen will und einen Verkehrsträger in die Ecke drängt, wird Hunderte Milliarden Euro verschwenden“, sagte der AfD-Abgeordnete.
Mit Blick auf die verschärften CO2-Einsparziele der EU-Kommission, warnte Wiehle: Bundesregierung und EU überspannten den Bogen. „Damit zerstören Sie Struktur, vernichten Arbeitsplätze und vergeuden das Geld der Steuerzahler“, sagte er.
SPD: Die Wasserstofftechnologie ist ein ganz großes Rad
Ist klimaneutrales Fliegen möglich, fragte Arno Klare (SPD) und gab die Antwort gleich dazu: „Kann man schaffen.“ Das jetzige fossile Kerosin müsse durch synthetische Fuels ersetzt werden, sagte er. Damit werde auch die Kondensstreifenbildung am Himmel reduziert, die 66 Prozent des Klima-Impacts des Flugverkehrs ausmachten. Investiert werden müsse auch in bessere Triebwerke, was aktuell auch schon passiere. „Die Wasserstofftechnologie ist ein ganz großes Rad, das wir da drehen“, sagte Klare.
Wichtig, so der SPD-Abgeordnete, seien aber auch die kleinen Räder. Wenn es gelänge, den Cw-Wert eines Lkw um 30 Prozent zu senken, also windschnittigere Modelle zu nutzen, bedeutete das zehn Prozent weniger Treibstoff. Bei 30,1 Milliarden Kilometer, die die Lkw in Deutschland absolvierten, wäre das eine nicht geringe Einsparung.
FDP: Wir brauchen Technologieoffenheit
Die FDP-Fraktion setze auf Wettbewerb, machte Oliver Luksic (FDP) deutlich. Die von der Bundesregierung und der EU-Kommission vorgegebenen Einsparziele seien mit Blick auf den Fahrzeugbau völlig überzogen, befand er. „Wir brauchen Technologieoffenheit und machbare Ziele“, sagte Luksic. CO2 müsse bepreist werden. Dann sollte es aber den Kunden überlassen werden, welche Technologie sich durchsetzt. Schwer erklärlich ist es aus seiner Sicht, „warum wir nicht einen einheitlichen CO2-Preis haben“.
Der Zertifikatehandel im Bereich der Industrie funktioniere gut und habe zu Reduktionen geführt. Hier gebe es einen Preis von 25 Euro pro Tonne CO2. Beim Verkehr liege der Preis hingegen hochgerechnet bei 475 Euro pro Tonne.
Linke: Schluss mit dem Aus- und Neubau von Autobahnen
Aus Sicht von Sabine Leidig (Die Linke) sind beim Thema Mobilität die Verfehlungen der Bundesregierung „eklatant“. Noch immer wachse der Autoverkehr und würden fossile Verkehre subventioniert. Noch immer steige der Flächen- und Ressourcenverbrauch. Noch immer befeuere der Bund den Aus- und Neubau von Autobahnen. „Damit muss Schluss sein“, forderte Leidig.
Positiv stimme sie allerdings, dass die soziale und ökologische Verkehrswende in gesellschaftlichen Bewegungen an Fahrt gewinne. „Die Lage ist also nicht hoffnungslos“, sagte die Linken-Abgeordnete.
Grüne: Mehr Schiene, weniger Straßen, kleinere Fahrzeuge
Der Verkehrssektor müsse endlich einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten, forderte Daniela Wagner (Bündnis 90/Die Grünen). Benötigt werde eine umfassende Verkehrswende „mit mehr Schiene, weniger Straßen, kleineren Fahrzeugen, weniger Raserei und weniger Verkehrslärm“.
Wagner zitierte Presseverlautbarungen von Koalitionsabgeordneten, die sich für Regelungen zu CO2-Einsparungen ausgesprochen hätten. Gleich heute könne damit begonnen werden, indem der Bundesverkehrswegeplan überarbeitet und modernisiert, ein Tempolimit eingeführt und der Treibstoffverbrauch wirksam begrenzt werde, sagte sie.
Minister: Infrastruktur erneuern, sanieren und neu ausbauen
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) befand, es sei nicht nachhaltig, wenn Tausende Arbeitsplätze abgebaut werden. Daher bemühe sich das Verkehrsministerium immer wieder, die Infrastruktur zu erneuern, zu sanieren „und auch neu auszubauen“.
Er sei in dieser Woche nördlich von Magdeburg beim Neubau einer Autobahn, der A 14, gewesen und habe erlebt, dass die Bürger das Teilstück als „neuen Anschluss an einer wichtigen Magistrale empfunden haben“. Gleichzeitig, so der Verkehrsminister, werde aber auch der öffentliche Personennahverkehr gestärkt und in die Schiene investiert „wie nie zuvor“.
Erste Beratung von AfD-Anträgen
Einen AfD-Antrag mit der Überschrift „Erzeugung von Wasserstoff – Wohlstand und Umweltschutz – Synthetische Betriebs- und Treibstoffe mit Nuklearenergie der Generation IV“ (19/22446) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an den Wirtschaftsausschuss. Die AfD-Fraktion hatte Federführung beim Umweltausschuss beantragt, konnte sich damit aber gegen die übrigen Fraktionen nicht durchsetzen.
Mit einem weiteren Antrag setzt sich die AfD ein für die „Zulassung von paraffinischen Kraftstoffen wie dem C.A.R.E-Diesel in Reinform“. Dabei will sie „Technologieoffenheit gewährleisten“ (19/22428). Der Antrag wurde zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss überwiesen.
Von der Tagesordnung abgesetzt wurde die erste Beratung eines dritten AfD-Antrags, die Flugsicherheit auch bei Technologieoffenheit einer bedarfsgerechten Nachbefeuerung von Windenergieanlagen zu sichern.
AfD-Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt
In namentlicher Abstimmung lehnte das Parlament einen vierten Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Gleichstellung von Fahrzeugen, die mit synthetischen Kraftstoffen oder Biokraftstoffen angetrieben werden, mit Elektrofahrzeugen“ (19/6007) ab, zu dem eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vorlag (19/14873 Buchstabe b). 534 Abgeordnete stimmten gegen den Antrag, 70 dafür, es gab keine Enthaltungen.
Die AfD verwies in ihrem Antrag darauf, dass Fahrzeuge, die batterieelektrisch angetrieben werden, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind und an der Energiesteuer auf Mineralöle, der die übrigen Kraftfahrzeuge zusätzlich unterliegen, nicht teilnehmen. Laut AfD sind eine Reihe von weiteren Antriebskonzepten hinsichtlich der Umweltverträglichkeit mit den Eigenschaften der batterieelektrischen Antriebe vergleichbar, etwa der Betrieb von Verbrennungsmotoren mit sogenannten E-Fuels (synthetisch hergestellten Kraftstoffen) oder auch der Betrieb mit Biokraftstoffen. Diese Antriebsarten wiesen gegenüber dem Elektroantrieb keinerlei schlechtere Umweltauswirkungen auf.
Die Fraktion wollte die Bundesregierung unter anderem auffordern, das Energiesteuergesetz so zu ändern, „dass Energiesteuern auf synthetische Kraftstoffe und Biokraftstoffe künftig nur noch in der Höhe erhoben werden, wie dies für das Äquivalent in elektrischem Strom erhoben würde“. Außerdem müsse das Kraftfahrzeugsteuergesetz so geändert werden, dass die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge analog auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gilt, „sofern technisch sichergestellt ist, dass diese nur mit synthetischen Kraftstoffen oder Biokraftstoffen betrieben werden können“.
FDP-Antrag überwiesen
Einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Nachhaltige Mobilität durch Innovationen“ (19/22495) wurde zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen.
Grünen Antrag abgelehnt
Gegen die Stimmen der Linken und Grünen lehnte der Bundestag einen neuen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/22503) ab, der einen Stopp für den Weiterbau der Autobahn A 49 in Nordhessen gefordert hatte. Die in diesem Zusammenhang geschlossenen ÖPP-Verträge (Öffentlich-Private Partnerschaft) sollten nach dem Willen der Grünen gekündigt werden.
Antrag der Linken überwiesen
Einen Antrag der Linksfraktion (19/22490), der eine „echte Verkehrswende“ einfordert, indem der Staat eine Investitionsoffensive in den öffentlichen Nahverkehr starten soll, überwies der Bundestag zur weiteren Beratung in den federführenden Verkehrsausschuss.
Anträge der Linken und Grünen abgelehnt
Keine Mehrheit fand ein Antrag der Linken mit dem Titel „Elektrifizierungsprogramm für den Schienenverkehr“ (19/14376), zu dem eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vorlag (19/18995). Linke und Grüne stimmten für den Antrag, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Auch den zweiten Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Für eine bessere Bahn – Ausstieg und Umstieg bei Stuttgart 21“ (19/11235) wurde auf Empfehlung des Verkehrsausschusses (19/16900) abgelehnt. Die Linke stimmte dafür, die Grünen enthielten sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Abgelehnt wurden zudem zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Im ersten hatte sie „Maßnahmen für mehr Klimaschutz im internationalen Seeverkehr“ (19/10201), im zweiten die Einführung eines „Sicherheitstempo 130 km/h auf allen Bundesautobahnen“ (19/20064) gefordert. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hatte empfohlen, den ersten Antrag abzulehnen (19/16524). Linke und Grüne stimmten für den Antrag, die FDP enthielt sich, die Koalitionsfraktionen und die AfD lehnten ihn ab.
Zum zweiten Antrag lag eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vor (19/22392). Nur Linke und Grüne stimmten für den Antrag, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Erster abgelehnter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke forderte ein Elektrifizierungsprogramm für den Schienenverkehr. In ihrem Antrag (19/14376) verlangte sie von der Bundesregierung, die im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 beschlossenen Elektrifizierungen und weiteren Ausbauten des Schienennetzes vorzunehmen. Zudem müssten alle Elektrifizierungsmaßnahmen, die im BVWP als „potenzieller Bedarf“ eingestuft werden in den „vordringlichen Bedarf“ hochgestuft werden. Die zum Ausbau erforderlichen Haushaltsmittel seien einzustellen und es müsse mit dem Ausbau begonnen werden, schreiben die Abgeordneten.
Zur Begründung heißt es, die elektrifizierte Schiene sei das energieeffizienteste, umwelt- und klimaverträglichste Verkehrsmittel für den Transport von Personen und Gütern. Allerdings sei der Elektrifizierungsgrad des deutschen Schienennetzes, „auch im Vergleich zu unseren Nachbarländern“, zu niedrig. Bisher seien in Deutschland nur 60 Prozent des Netzes (20.100 Kilometer) mit Oberleitungen ausgerüstet.
Zweiter abgelehnter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke verlangte einen Baustopp beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. In ihrem Antrag (19/11235) forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, „dass dieses Moratorium so lange aufrechterhalten wird, bis belegt ist, dass Stuttgart 21 die im Koalitionsvertrag geforderte Verdoppelung der Fahrgastkapazitäten leistet, dass der Intergrale Taktfahrplan (“Deutschlandtakt„) gefahren werden kann, dass mit Stuttgart 21 keine Überflutungen bei Starkregenereignissen zu befürchten sind und dass eine Klima- beziehungsweise Umweltverträglichkeitsbilanz für alle weiteren Baumaßnahmen beschlossen ist und positiv ausfällt, vor allem unter dem Aspekt des Artenschutzes und der Vermeidung von Bodenversiegelungen.
Ernsthaft geprüft werden müsse das Projekt “Umstieg 2„, also ein “Ausstieg aus Stuttgart 21„. Dabei gehe es um eine Beibehaltung und Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs und eine größtmögliche Nutzung der bisherigen Stuttgart-21-Bauarbeiten für einen optimierten Kopfbahnhof.
Das Projekt Stuttgart 21 sei mit einer Halbierung der Bahngleise verbunden, heißt es in dem Antrag. Bei Umsetzung des Projekts sei ein Deutschlandtakt-Fahrplan in Stuttgart unmöglich, urteilt die Linksfraktion. Die Ziele des geplanten Klimaschutzgesetzes seien damit im Bereich Schiene in der gesamten Region des Südwestens nicht verwirklichbar.
Erster abgelehnter Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte die maritime Wirtschaft klimafreundlicher ausrichten. Die Bundesregierung sollte sich auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die Ziele der Klimakonferenz von Paris auf die Seeschifffahrt übertragen werden, erklärten die Abgeordneten in ihrem Antrag (19/10201). Es müssten entsprechende verbindliche Maßnahmen zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes verabschiedet werden.
Außerdem sollte es auf nationaler Ebene Anreize für Unternehmer geben, ihre Schiffe so umzubauen, dass diese emissionsneutral angetrieben werden. Zur Begründung verwiesen die Abgeordneten zum einen auf die Bedeutung der Seefahrt als Handelsweg und Wirtschaftszweig, zum anderen auf den erheblichen Kohlendioxidausstoß, für den die Branche verantwortlich zeichne.
Zweiter abgelehnter Antrag der Grünen
Ab 1. Januar 2021 sollte nach den Vorstellungen der Grünen auf deutschen Autobahnen ein generelles Tempolimit von 130 km/h gelten. In ihrem Antrag (19/20064) forderte die Fraktion ferner, auf zweispurigen Landstraßen die generelle Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h einzuführen sowie auf allen innerörtlichen Straßen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit festzulegen und Kommunen Entscheidungsfreiheit einzuräumen, die Geschwindigkeit streckenweise dort zu erhöhen, wo dadurch keine zusätzliche Gefährdung entsteht.
Aus Sicht der Grünen gibt es keinen rationalen Grund für Deutschland, “die Einführung von Sicherheitstempo 130 km/h auf allen Autobahnen länger aufzuschieben„ und weiterhin auf überwiegenden Teilen des deutschen Autobahnnetzes zu gestatten und hinzunehmen, “dass unbegrenzt gerast werden kann„. Eine allgemeine Höchstgeschwindigkeit vermindere die Gefahren schwerer Unfälle mit erheblichen und mitunter tödlichen Unfallfolgen und erhöhe das Sicherheitsempfinden aller Verkehrsteilnehmer, heißt es in dem Antrag. Sie unterstütze einen gleichmäßigen Verkehrsfluss, stress- und angstfreies Fahren und vermindere Energieverbrauch und Abgasemissionen. (hau/pez/sas/ste/16.09.2020)