22.01.2023 | Parlament

Eingangsrede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas - Gemeinsame Arbeitssitzung der Assemblée nationale und des Deutschen Bundestages in Paris

[Stenografischer Dienst]

Präsidentin Bärbel Bas: Sehr geehrte Frau Präsidentin, chère Yaël! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der Nationalversammlung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag! Herzlich willkommen zu dieser Arbeitssitzung! Ich danke Ihnen sehr, dass Sie alle heute hier sind. Sie zeigen mit Ihrer Anwesenheit, wie eng unsere Parlamente miteinander verbunden sind und dass Sie sich für eine weitere Stärkung unserer Beziehungen einsetzen.

Eine Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland? Das konnten sich viele Generationen auf beiden Seiten über lange Jahrzehnte nicht vorstellen.

Heute ist diese Freundschaft so tief und fest verwurzelt, dass sie nicht mehr wegzudenken ist. Im Ausland schreiben unsere Diplomatinnen und Diplomaten gemeinsame Analysen, nehmen zusammen Termine wahr oder tauschen auch schon mal für einen Tag die Botschaft.

Aber: So wie es keine Erbfeindschaft geben kann, kann es auch keine Erbfreundschaft geben. Sogar die beste Freundschaft muss gelebt und gepflegt werden. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute, am Tag unseres Jubiläums, auch die Möglichkeit haben, unsere Beziehungen in konkreten Fragen zu vertiefen.

Europa braucht das deutsch-französische Tandem. Uns ist allen bewusst, dass wir in einer Zeit großer Umbrüche leben. Wir stehen an einem Punkt, der für die Zukunft unseres Kontinents entscheidend ist. Diese multiplen Transformationen müssen wir aktiv gestalten. Wir brauchen in Europa kluge Antworten.

Unsere Parlamente spielen eine wichtige Rolle. Im November haben wir uns in Berlin im Rahmen der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung getroffen. Wir haben drei neue Arbeitsgruppen eingesetzt, von denen sich vor dieser Sitzung zwei Gruppen zum ersten Mal getroffen und konstituiert haben: zur Zukunft Europas, zur Energiesouveränität und zur kohärenten Umsetzung der europäischen Richtlinien in deutsches und französisches Recht.

Heute können Präsidentin Braun-Pivet und ich Ihnen auch eine gemeinsame Erklärung vorlegen. Liebe Yaël, ich bin dir für die großartige Zusammenarbeit sehr dankbar. Wir suchen immer das Einende. Unsere Verhandlungen sind offen, ehrlich und fair. Für mich zeichnet dieser Umgang miteinander unsere persönliche Freundschaft aus, aber auch die Beziehungen zwischen unseren Parlamenten insgesamt. Unsere Erklärung drückt aus, dass wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier gemeinsam Verantwortung in zentralen Politikfeldern übernehmen.

Diese Erklärung ist ehrgeizig. Sie enthält eine Reihe von Vorhaben, die wir voranbringen wollen: in der Verteidigungspolitik und bei der Energiesouveränität, beim Kampf gegen den Klimawandel und beim Umgang mit Migration.

Europa zeichnet sich durch Werte aus. Europa steht für Demokratie und Gerechtigkeit. Diese Werte machen unsere Gesellschaften und unsere Gemeinschaft stark. Deswegen müssen wir auch bei der Gleichstellung Fortschritte erzielen. Wir wollen unseren Austausch dazu intensivieren.

Heute Vormittag haben Präsidentin Braun-Pivet und ich am Pantheon Simone Veil gedacht. Diese Vorkämpferin für Frauenrechte war die erste Frau an der Spitze des Europäischen Parlaments. Ihr Leben und ihr politisches Wirken sind der beste Beweis, dass echte Gleichstellung nicht nur Frauen angeht, sondern der Gesellschaft insgesamt zugutekommt.

(Beifall)

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine starke deutsch-französische Partnerschaft brauchen, um Europas Zukunft zu gestalten. Der Austausch unserer Jugend hat für den Aufbau der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern eine besondere Rolle gespielt. Präsidentin Braun-Pivet und ich werden gleich noch mit Schülerinnen und Schülern diskutieren.

Durch die Austauschprogramme wachsen Interesse und Wissen, Sympathie und Vertrauen. Ein Austausch ist oft der erste Schritt für eine längere Beschäftigung mit dem anderen Land. Kaum etwas ist motivierender als ein Austausch, um die Sprache des Nachbarn zu lernen. Leider lernen immer weniger deutsche Schülerinnen und Schüler Französisch und immer weniger junge Französinnen und Franzosen Deutsch. Das besorgt mich. Es ist uns deshalb ein Anliegen, verstärkt Französischunterricht in Deutschland und Deutschunterricht in Frankreich zu fördern.

(Beifall)

Sprache ist der Schlüssel für Verständigung; Verständigung gelingt nur mit Engagement. Ich danke Ihnen allen sehr, dass Sie sich immer wieder für die deutsch-französische Freundschaft einsetzen, und freue mich auf eine leidenschaftliche Debatte.

Für eine gute Zukunft unserer Bürgerinnen und Bürger in einem souveränen, geeinten und demokratischen Europa!

Danke und merci beaucoup!

(Beifall)

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