18.10.2024 | Parlament

Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas beim Empfang für zurückkehrende Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer unter dem Motto „Die Welt im Gepäck“ in Berlin

[Es gilt das gesprochene Wort]

Sehr geehrte Frau Prälatin Dr. Gidion,
sehr geehrter Herr Prälat Dr. Jüsten,
sehr geehrte Damen und Herren,

und ganz besonders: 
liebe Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer,

Herzlich willkommen zurück in Deutschland! 
Sie sind wieder in der Heimat. 
Zu Hause.

In Ihrem Gepäck haben Sie nicht nur Ihre Koffer – 
Sie bringen „die Welt“ mit – wie es so schön heißt.

Eine reiche Welt an Erfahrungen und Erlebnissen. 
An Wissen, Kompetenzen und Emotionen.

In den vergangenen Jahren haben Sie in Regionen der Welt gelebt und gearbeitet, die viele von uns nur aus den Nachrichten kennen: 
in Afrika, in Asien, im Nahen Osten oder in Lateinamerika.

Nicht selten auch in Ländern mit fragiler Sicherheitslage. 
In unserer aktuellen geopolitischen Lage möchte ich betonen: Wir brauchen stabile Partnerschaften auch mit Ländern, in denen demokratische Entwicklungen noch nicht vollständig umgesetzt sind.

Liebe Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer,

Sie sind aufgebrochen, um anderen Menschen zu helfen.

Geleitet von der Idee, unsere Welt etwas gerechter, humaner und friedlicher zu machen.

Aus Verantwortung für die Schöpfung und für die „Eine Welt“ – wie es in kirchlichen Initiativen oft heißt.

Ja, wir haben nur diese eine Welt. 
Und wir Menschen sind in dieser Welt eng miteinander verbunden. 
Durch Handel, Kommunikation und Technik.

Aber auch durch die vielen globalen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.

Dem Klimawandel, der sozialen Ungleichheit oder der Bedrohung der biologischen Vielfalt.

Die weltweiten Fluchtbewegungen, die vielen Krisenherde und Kriege rund um den Globus.

Das geht uns alle an. 
Diese globalen Fragen erfordern entschlossenes und vor allem gemeinsames Handeln. 
Über nationale Grenzen hinweg.

Gleichzeitig gilt: 
Es liegt in unser aller Verantwortung, die Globalisierung gerechter zu gestalten. 
Auch mit Blick auf die nachfolgenden Generationen.

Das ist im wahrsten Sinne des Wortes notwendig.

Und das ist im Kern die Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit.
Papst Franziskus hat es auf den Punkt gebracht: Ich zitiere: 
„Es gibt keine Alternative: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft.“ Zitatende.

Diese Worte sind wichtig für uns alle – in der Politik, in der Wirtschaft, 
in der Gesellschaft.

Die Herausforderungen unserer Zeit, können wir nur zusammen bewältigen. 
Dafür brauchen wir Menschen wie Sie!

Menschen, die aufbrechen, die etwas wagen, die ihre Fachkenntnisse anderen zur Verfügung stellen. 
Und die gleichzeitig dazu bereit sind, dazuzulernen, zuzuhören und Menschen anderer Kulturen auf Augenhöhe zu begegnen.

Nur so ist nachhaltige Entwicklung wirksam und menschenwürdig.  

Die Menschen in ärmeren Ländern brauchen weder Almosen noch Belehrungen von oben herab.

Sie brauchen Unterstützung, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten können.

Sie brauchen Hilfe zur Selbsthilfe.

Liebe Rückkehrerinnen und Rückkehrer,

Sie haben die Herausforderungen Ihrer Gastländer hautnah erlebt.

Sie haben sich gegen Armut und Hunger eingesetzt. 
Für Bildung, Gesundheit und Frieden. 
Und das oft unter schwierigen Bedingungen.

Das erfordert Mut, Kreativität, Offenheit. 
Einfühlungsvermögen und Idealismus. 
Geduld und Ausdauer. 
Und die Fähigkeit, auch Rückschläge wegzustecken, ohne die Zuversicht zu verlieren.  

Bei Ihrem Einsatz standen immer die Menschen im Mittelpunkt. 
Das macht Ihre Arbeit so besonders.

Sie haben nicht nur mit den Menschen zusammengearbeitet, sondern auch ihren Alltag gelebt.

So sind Sie zu einem Teil der Gemeinschaft in anderen Kulturen geworden.

Sicher haben Sie nicht selten erkannt: Es gibt viele Wege, Probleme zu lösen.

Sie haben Ihr Fachwissen weitergegeben, aber auch neue Fertigkeiten und Erkenntnisse gewonnen.

Erkenntnisse, die uns hier in Deutschland und Europa helfen können.

Denn: Ihr Engagement ist keine Einbahnstraße.

Auch wir können und müssen von anderen Kulturen und Mentalitäten lernen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch die Entwicklungshilfe hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. 
Vor Jahrzehnten ging es vor allem um die Sicherung der Grundbedürfnisse, 
um den Bau von Schulen, Brunnen oder Krankenstationen in abgelegenen Gebieten.

Heute geht es häufiger um Wissensmanagement, 
um Friedens- und Konfliktarbeit. 
Um globales Lernen im Dialog. 
In Partnerschaft.

Schon in den 60er Jahren war aber klar: Entwicklungshilfe ist kein Altruismus. Sie liegt auch in unserem eigenen Interesse.

Bei der 1. Lesung des Entwicklungshelfergesetzes 1968 sagte der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Jürgen Wischnewski – ich zitiere: 
„Was wir für die Entwicklungsdienste tun, ist eine Investition in unsere eigene Gesellschaft.“

Diese Erkenntnis ist heute noch offensichtlicher geworden.

Wir können nicht so tun, als gebe es den Rest der Welt nicht.

Wenn Menschen hungern und Kriege wüten, dann breiten sich diese Konflikte aus. 
Ihre Auswirkungen erreichen auch uns. 
Nicht nur in Form von schockierenden Bildern in den Nachrichten.

Die Menschen fliehen vor Krieg oder Armut zu uns, um Schutz zu suchen.

Entwicklungszusammenarbeit schafft Perspektiven in ärmeren Ländern.

Wer im Heimatland keine Not leidet, denkt weniger an eine gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer nach.

Daher müssten alle großes Interesse an Entwicklungszusammenarbeit haben, die wirklich bei den Ursachen für Migration ansetzen wollen. 

Vergangene Woche habe ich beim Parlamentarischen Abend von GIZ und Welthungerhilfe betont, dass die Entwicklungszusammenarbeit zuletzt viel pauschale Kritik ertragen musste.  
Besonders prominent: Projekte in Peru.

Selbstverständlich wird im Deutschen Bundestag auch über die aktuelle Entwicklungszusammenarbeit debattiert.

Und es ist das gute Recht von Abgeordneten, nach der Wirksamkeit einzelner Projekte zu fragen.

Mir ist aber wichtig: Die Debatten müssen sachlich und fair bleiben.

Liebe Entwicklungshelferinnen, 
liebe Entwicklungshelfer,

die Welt, die Sie im Gepäck haben, wird in Deutschland und Europa dringend gebraucht.

Ihre Fähigkeiten und Ihr Wissen sind von unschätzbarem Wert auch zu Hause.

Sie können wichtige Impulse geben, um die Integration von Flüchtlingen zu fördern, um den Umwelt- und Klimaschutz voranzubringen, um faire Handelsbeziehungen zu unterstützen.

Sie haben erlebt, wie viel durch Dialog erreicht werden kann.

Sie haben Brücken gebaut – 
zwischen Kulturen und Mentalitäten. 
Zwischen Menschen und Denkweisen.
Über soziale, wirtschaftliche und politische Grenzen hinweg.

Ihre Arbeit wird auch in unsere Gesellschaft hineinwirken.

Nun sind Sie Mittlerinnen und Mittler zwischen verschiedenen Welten.

Für Sie persönlich beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie Deutschland und Europa jetzt mit anderen Augen sehen.

Sie haben in den vergangenen Jahren existenzielle Erfahrungen gemacht, die hier vielleicht auf „First-World-Problems“ treffen.  

Umso mehr braucht unsere Gesellschaft Ihren frischen Blick.

Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen – sei es in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, in Nichtregierungsorganisationen 
oder in der Wirtschaft.

Ihre Geschichten tragen dazu bei, das Verständnis für die globalen Zusammenhänge zu vertiefen.

Und inspirieren andere Menschen, sich für eine gerechtere und friedlichere Welt einzusetzen.
Für eine bessere Welt.

Ich weiß, dass die Rückkehr in die Heimat oft mit gemischten Gefühlen verbunden ist.

Einerseits freuen Sie sich sicher auf Ihre Familien, Freundinnen und Freunde. 
Auf die vertrauten Lebensumstände.

Andererseits bringen Sie eine Welt mit, die vielen hier fremd ist.

Und Sie mussten Menschen zurücklassen, die Ihnen ans Herz gewachsen sind.

Die Neuorientierung für Sie und Ihre Familien erfordert Geduld, Offenheit und manchmal auch Mut.

Ich bin überzeugt, dass Sie diesen Weg erfolgreich meistern werden. 
Denken Sie immer daran: Sie sind nicht allein.  

Heute ist es an der Zeit, DANKE zu sagen.

Sie haben sich mit großem Engagement für eine gerechtere Welt eingesetzt.

Durch Ihre Arbeit haben Sie gezeigt, wofür sich Deutschland international engagiert: für Menschenwürde, Respekt und partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr außergewöhnliches Engagement, 
für Ihre Leidenschaft 
und für Ihre Menschlichkeit.

Dieser Einsatz verdient höchste Anerkennung und großen Respekt!

Deshalb freue ich mich auch, dass die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung diese öffentliche Würdigung der Frauen und Männer im Entwicklungsdienst veranstaltet. 
Danke dafür!

Liebe Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer,

ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihren Neuanfang zu Hause! 
Viel Kraft und Erfolg! 
Und wo nötig, auch Glück!

Und nun ein schönes Fest mit guten Gesprächen und wunderbaren Begegnungen!