10.10.2025 | Parlament

Grußwort beim Symposium „Was Menschen Menschen antun“

Das Bild zeigt einen großen Raum mit einer Bühne. Auf der Bühne steht eine Frau hinter einem Pult und spricht zum Publikum.

Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke bei ihrer Rede auf dem Symposium „Was Menschen Menschen antun“ auf dem Campus der Demokratie. (© Team Zupke)

Lieber Dr. Bomberg,
lieber Gino Kuhn,
lieber Rainer Eppelmann, 
lieber Dieter Dombrowski, 
liebe Anna Kaminsky, 
lieber Frank Ebert, 
lieber Herr Prof. Maercker, 
lieber Herr Prof. Frommer, 
lieber Herr Prof. Barberowski, 
lieber Staphan Krawczyk,
sehr geehrte Gäste,

Was Menschen, Menschen antun.

In der vorletzten Woche besuchte ich den Kongress des Forums für politisch Verfolgte und inhaftierte Frauen. Thema war der „Dialog der Generationen“. Ein Mann Mitte vierzig gab uns einen Einblick in seine Lebensgeschichte. Seine Mutter bekam ihn, als sie 15 Jahre alt war. Nach der Geburt wurde er von seiner Mutter getrennt. Bei einer unangepassten Jugendlichen wie ihr, schlossen die Behörden jedwedes Zusammenleben von Mutter und Kind aus. 

Seine Kindheit verbrachte er nicht bei seiner Mutter, bei seiner Familie, sondern in einer Wochenkrippe und anschließend bei einer Pflegefamilie. Schließlich willigte seine Mutter unter Druck in eine Adoption ein. 

Als Erwachsener begab er sich auf Spurensuche. Auf die Suche nach seiner Identität. Nach jahrelangen Recherchen in den unterschiedlichsten Archiven und dem Ringen mit den Ämtern, fand er schließlich ein Foto seiner Mutter in den Akten. 

Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er seiner Mutter in die Augen schauen. 

Seit mehr als vier Jahren bin ich SED-Opferbeauftragte des Bundestages. Die Schicksale der Menschen aber, das, was Menschen, Menschen angetan haben, sie treffen mich noch immer wie am ersten Tag. Der Schatten der Diktatur. Er reicht weit. Er reicht tief hinein in den heutigen Alltag der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Über das Erlebte sprechen. Das ist alles andere als einfach. Der Schmerz des Erlebten, der wieder hochkommt. Die Angst nicht verstanden zu werden. Umso wichtiger ist es, dass wir als Gesellschaft ein Netz spannen. Ein Netz, was die Betroffenen auffängt und sie trägt, gerade dann, wenn sie selbst an ihre Grenzen stoßen. 

Ich bin daher ganz besonders dankbar für die Vernetzung zwischen den Betroffenen und die Begleitung, wie sie die UOKG tagtäglich leistet. Ich bin dankbar für die psychosoziale Beratung, wie sie insbesondere Gegenwind und die weiteren Beratungsstellen leisten.

Dankbar für die Kunst als einen wichtigen Weg der Verarbeitung und des Ausdrucks. So wie ihn Gino Kuhn mit seinen Bildern, aber auch Karl-Heinz Bomberg, Erika Kunz und Stephan Krawczyk mit ihren Liedern uns bieten. Und ich bin dankbar für die Forschung. Es ist ein Sprung, den wir in den letzten Jahren dank engagierter und erfahrender Wissenschaftler wie Jörg Frommer und Andreas Maercker machen konnten. 

All das ist notwendig, damit wir heute die Betroffenen besser unterstützen können. Dass wir die Sprachlosigkeit überwinden, und Perspektiven aufzeigen im Umgang mit dem erlittenen Unrecht. 

In den letzten Jahren habe ich oft gehört: „Bei der Anerkennung der Gesundheitsschäden, Frau Zupke, da werden sie sich die Zähne ausbeißen.“

Heute kann ich sagen, wir haben es geschafft. Ich bin unfassbar dankbar dafür, dass es uns gemeinsam mit der Politik, mit den Betroffenenverbänden und insbesondere mit der Forschung gelungen ist, das Verfahren zur Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden grundlegend zu vereinfachen. Für mich ist das ein ganz herausgehobener Meilenstein. 

Eine zentrale Etappe auf unserem gemeinsamen Weg, die Betroffenen und ihre Familien bestmöglich zu unterstützen. Ein Weg, den wir gemeinsam fortsetzen. 

Ich bin daher dankbar für das heutige Symposium. Wir brauchen den Austausch über die Fachgrenzen hinweg, wie er hier heute und morgen geleistet wird. Wir können das, was die Menschen erdulden mussten, nicht ungeschehen machen. Aber wir können den Menschen zur Seite stehen und ihnen helfen. 

 

Vielen Dank!