Der Doping-Opfer-Hilfeverein (DOH) zu Gast im Deutschen Bundestag
Am 10. Oktober traf sich die SED-Opferbeauftragte mit Mitgliedern des Vorstands und der Beratungsstelle des DOH im Deutschen Bundestag zu einem Austausch. Dr. Jochen-Friedrich Buhrmann (ehemaliger Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an den Helios Kliniken in Schwerin), Gesine Tettenborn (Betroffene) sowie Amélie zu Eulenburg (Bundesstiftung Aufarbeitung) rundeten die Gesprächsrunde ab.
Gegenstand des Austauschs war das anstehende parlamentarische Fachgespräch zum Thema Doping im DDR-Sport, bei welchem die Bundesbeauftragte die gesundheitliche Situation der Opfer und die rechtlichen Hürden, mit denen sie regelmäßig konfrontiert werden, darstellen sowie mögliche Lösungsansätze aufzeigen möchte.
Ariane Speckhahn, Sylvia Kasten und Marco Löwe vom DOH skizzierten ihre Erfahrungen in der Beratungsstelle mit Betroffenen, die aufgrund körperlicher und psychischer Folgen nicht mehr arbeitsfähig seien und deshalb ins soziale und wirtschaftliche Abseits geraten. Aufgrund der Hürden bei der rechtlichen Anerkennung als Doping-Opfer des DDR-Sports sowie bei der Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden seien die meisten Betroffenen von Trauer und Hoffnungslosigkeit erfüllt, berichteten sie weiter.
Zur Frage der Nachweisbarkeit von Dopinggaben erklärte Dr. Buhrmann, dass Dopingpräparate bei den Betroffenen nach der langen Zeit nicht mehr nachweisbar seien. Der übliche gesetzlich vorgegebene Kausalitätsnachweis zur Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden könne deshalb nicht erbracht werden, ergänzte Herr Dr. Lehner, Vorsitzender des DOH.
Im Verlauf des Gesprächs bestand Einigkeit darüber, dass die Betroffenen einer rechtlichen Anerkennung und konkreter Unterstützung bedürfen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die breite Mehrheit der Betroffenen minderjährig war. Hierfür sei es notwendig auch für anerkannte Opfer des DDR-Zwangsdopings einen Zugang zu einem erleichterten Verfahren zur Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden zu schaffen. Diese Formen der Anerkennung seien nicht nur für die Betroffenen wichtig, resümierten die Anwesenden. Auch würde die Öffentlichkeit, insbesondere die jüngeren Generationen, dies als Unrecht einer Diktatur einordnen können. So waren schon manche Betroffene, die sich öffentlich zum Thema äußerten, Anfeindungen ausgesetzt, die zum Teil in Drohungen mündeten, hieß es aus der Runde.
Gleichzeitig berichteten die Mitglieder des DOH, die überwiegend selbst Doping-Opfer des DDR-Leistungssports sind, wie zentral für sie das Thema der transgenerationalen Weitergabe von Traumata sei und dass dieses stärker in den Fokus gerückt werden sollte. Auch aus Sicht der Opferbeauftragten ist es notwendig, dass die Forschung hierzu gestärkt wird und die Betroffenen und ihre Angehörigen zugleich Unterstützung durch geeignete Beratungsangebote erfahren. Hier besteht aus Sicht der Opferbeauftragten Handlungsbedarf.
Hintergrund:
Mit dem „Staatsplan 14.25“ führte das SED-Regime 1974 ein staatlich organisiertes und flächendeckendes Dopingprogramm ein, um insbesondere bei internationalen Wettkämpfen Erfolge zu erzielen und so die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren. Zwischen 1974 und 1989 wurden nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in mindestens zwölf Sportarten etwa 10.000 Athletinnen und Athleten, zumeist ohne ihr Wissen oder ausreichende Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen, vorzugsweise mit anabolen Steroiden gedopt. Betroffen waren nicht nur Erwachsene, sondern vor allem auch minderjährige Sportlerinnen und Sportler. Dabei reichte die Dopinganwendung bis in die unteren Leistungsklassen hinein, sogar bis in die Kinder- und Jugendsportschulen.
Der skrupellose Medaillenhunger der Staatsführung blieb für viele Betroffene nicht ohne Folgen. Oftmals führte die Verabreichung von Dopingpräparaten zu langfristigen und gravierenden Gesundheitsschäden. So leiden heute zahlreiche Opfer unter physischen und psychischen Erkrankungen. Trotz dieser weitreichenden gesundheitlichen Folgen besteht aktuell kein geeignetes Instrument, um die Betroffenen adäquat zu unterstützen.