Anhörung zu BND-Novelle und Kontrolle der Nachrichtendienste
Berlin: (hib/STO) Mit einer „grundlegenden Novelle“ des „Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst“ (BND) will die Bundesregierung Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts umsetzen. Dies geht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des BND-Gesetzes (19/26103) hervor, der am Montag, 22. Februar 2021, Thema einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat ist. Gleichfalls auf der Tagesordnung stehen dabei ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion „zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste“ (19/19502) sowie je ein FDP-Antrag (19/19509) und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/26221). Zu der öffentlichen Veranstaltung, die um 10 Uhr beginnt, werden neun Sachverständige erwartet. Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Öffentlichkeit ausschließlich über eine TV-Übertragung/-Aufzeichnung hergestellt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seiner Entscheidung vom 19. Mai 2020 (1 BvR 2835/17) zur sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung mehrere Paragrafen des BND-Gesetzes für nicht vereinbar mit den Grundgesetz-Artikeln 5 und 10 erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist für eine verfassungskonforme Neuregelung bis Ende 2021 gesetzt.
Wie die Bundesregierung in ihrer Vorlage ausführt, ist der gesetzliche Auftrag des BND die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind. Die strategische Fernmeldeaufklärung stelle in diesem Zusammenhang ein wesentliches Element dar. 2016 seien „spezielle rechtliche Grundlagen für die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländern im Ausland vom Inland aus sowie diesbezügliche Kooperationen mit ausländischen öffentlichen Stellen“ geschaffen worden sowie eine eigene Rechtsgrundlage für die gemeinsame Datenhaltung mit ausländischen Stellen.
Mit seinem Urteil habe das Verfassungsgericht jedoch darüber hinausgehende Vorgaben gemacht, indem das Gericht vor allem den bis dahin nicht höchstrichterlich geklärten Geltungsbereich der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes definiert hat, heißt es in der Vorlage weiter. Demnach finde das vor allem durch die technische Aufklärung von Nachrichtendiensten betroffene Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Grundgesetz-Artikels 10 auch auf Ausländer im Ausland Anwendung. Mit der vorgelegten Novelle solle daher die Arbeit des BND im Rahmen der technischen Aufklärung auf eine rechtssichere und bestimmte Rechtsgrundlage gestellt werden, die dem von den Karlsruher Richtern gezogenen „verfassungsrechtlichen Rahmen ausreichend Rechnung trägt“.
So soll dem Regierungsentwurf zufolge beispielsweise die Erhebung personenbezogener Daten im Rahmen der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung bestimmten qualifizierten Aufklärungszwecken auf der Grundlage eigens zuvor festgelegter Maßnahmen unterliegen müssen. Besondere Vorkehrungen zum Individualschutz beinhalten den Angaben zufolge Maßgaben zum Schutz bestimmter Vertraulichkeitsbeziehungen und der Gewährleistung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
Des Weiteren soll laut Vorlage unter anderem die strategische Ausland-Fernmeldeaufklärung zukünftig durch eine „starke und unabhängige objektivrechtliche Kontrolle flankiert werden“. Dazu ist die Einführung eines Unabhängigen Kontrollrats vorgesehen, der „als oberste Bundesbehörde seine Arbeit aufnehmen wird“. Dieses Kontrollorgan verfüge „über institutionelle Eigenständigkeit, was in seiner eigenen Personalhoheit und Verfahrensautonomie Ausdruck findet“.
Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion sieht die Schaffung des Amtes eines parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten vor, der vom Bundestag in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden soll. Damit werde die Effektivität der Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste erheblich verbessert, schreibt die Fraktion in der Vorlage. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste werde auch künftig im Kern im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) stattfinden, doch „durch das neu geschaffene Amt um den bislang vernachlässigten Aspekt der präventiven Kontrolle ergänzt“.
Dazu sollen dem Nachrichtendienstbeauftragten nach den Vorstellungen der Fraktion Befugnisse erteilt werden, „um Erkenntnisse gewinnen zu können, die dem PKGr eventuell bislang verborgen bleiben“. Zentrales Element dieser Befugnisse stelle der uneingeschränkte und anlasslose Zugang zu Dienststellen und Datenbanken der Nachrichtendienste dar. Überdies soll ihm dem Entwurf zufolge auch Zugangsrecht etwa zu den Sitzungen der nachrichtendienstlichen Besprechungen im Bundeskanzleramt eingeräumt werden.
„Reform der Nachrichtendienste - Lehren aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Gesetz“ lautet der Titel des Antrags der FDP-Fraktion. Danach soll die sogenannte G 10-Kommission „als gerichtsähnliches Gremium für die Anordnung der strategischen Telekommunkationsüberwachung durch die Nachrichtendienste insgesamt zuständig sein, auch soweit sie im Ausland erfolgt oder nur internationale Telekommunikation betrifft“. Alle Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung seien grundsätzlich vor ihrer Durchführung durch die G 10-Kommission zu genehmigen. Im PKGr sollen der Minderheit laut Vorlage „Befugnisse ähnlich wie im parlamentarischen Untersuchungsausschuss“ zugebilligt werden.
Die Grünen-Fraktion dringt in ihrem Antrag darauf, die Kontrolltätigkeit des PKGr zu verbessern, etwa indem das Gremium grundsätzlich in jeder Sitzungswoche des Bundestages zusammentritt, „um eine dichtere und kontinuierlichere Kontrolle zu etablieren“. Dem in der Regierungsvorlage vorgesehenen Unabhängigen Kontrollrat sollen dem Grünen-Antrag zufolge auch die Aufgaben der G 10-Kommission zugewiesen werden. Des Weiteren fordert die Grünen-Fraktion unter anderem, dass die Bundestagsfraktionen ein personelles Vorschlagsrecht für die Besetzung des Unabhängigen Kontrollrats erhalten.