22.03.2021 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 365/2021

Experten streiten über neues Bundespolizeigesetz

Berlin: (hib/WID) Der Entwurf der Koalitionsfraktionen zur Neufassung des Bundespolizeigesetzes findet bei Vertretern von Sicherheitsbehörden und Sachverständigen aus der Zivilgesellschaft gegensätzliche Bewertungen. Dies zeigte am Montag eine Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat. Juristische Experten und ein Sprecher der Internetwirtschaft warnten vor einer völlig unverhältnismäßigen Überdehnung der bundespolizeilichen Befugnisse und vor Eingriffen in die Rechte von Bürgern und Unternehmen. Wortführer der Polizei selbst begrüßten den Entwurf im Grundsatz und bemängelten allein, dass er stellenweise aus ihrer Sicht nicht weit genug gehe. Mit ihrem Gesetzesvorhaben (19/26541) wollen die Fraktionen von Union und SPD die Bundespolizei unter anderem mit neuen Befugnissen zur Gefahrenabwehr auch durch erweiterte Eingriffsmöglichkeiten im digitalen Raum sowie mit einer eigenen Rechtsgrundlage für den finalen Rettungsschuss ausstatten.

In der Anhörung machte der Berliner Rechtsprofessor Clemens Arzt verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Wenn die Bundespolizei durch den Ausbau ihrer Kompetenzen einer allgemeinen Polizei immer ähnlicher werde, werde ihre „sonderpolizeiliche Rolle“, die das Bundesverfassungsgericht 1998 in einem Urteil festgeschrieben habe, weiter ausgehöhlt. Der Entwurf enthalte zudem eine Fülle unklarer Rechtsbegriffe, die dem Erfordernis der „Normenbestimmtheit“ nicht genügten, rügte Arzt, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht auf Fragen des Polizei- und Versammlungsrechts spezialisiert ist. Besonders kritisch bewertete Arzt die geplante Ermächtigung für die Bundespolizei, sämtliche Daten mit allen Behörden im EU-Ausland zu teilen, auch mit solchen, deren rechtsstaatliche Verlässlichkeit in Frage stehe. Dies sei „grob rechtswidrig und weit über das Ziel hinausgehend“.

Klaus Landefeld vom Eco Verband der Internetwirtschaft wandte sich mit scharfen Worten gegen erweiterte Eingriffsmöglichkeiten der Bundespolizei im digitalen Bereich. „Staatliches Hacking, egal durch welche Rechtsgrundlage, bleibt eine Gefährdung aller“, warnte Landefeld. Der „Staatstrojaner“ sei ein Schaden für IT-Systeme und eine Bedrohung der Sicherheit von Bürgern, Unternehmen und Behörden. Landefeld ordnete den Entwurf in einen Zusammenhang gleichartiger aktueller Gesetzesvorhaben ein, die allesamt eine „Vielzahl neuer Überwachungsmaßnahmen“ enthielten. Der Gesetzgeber lasse derzeit jedes Maß in der Abwägung zwischen Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden und Rechten Betroffener vermissen.

Dagegen begrüßte Bundespolizeipräsident Dieter Romann den Entwurf als Signal „parlamentarischer Wertschätzung“. Romann erinnerte daran , dass die geltende Fassung des Gesetzes bereits aus dem Jahr 1994 stamme: „Wir sind auf dem Stand der Wiedervereinigung stehengeblieben.“ Wenn der Grundsatz gelte, dass Sicherheitsbehörden in der digitalen Welt über dieselben Möglichkeiten verfügen müssten wie in der analogen, so habe bisher für die Bundespolizei gesagt werden müssen, dass sie auch im analogen Bereich noch Nachholbedarf habe: „Umso mehr begrüßen wir das Gesetz.“ Er vermisse allerdings unter anderem noch eine Regelung, die die Bundespolizei auch zur Strafverfolgung in Einzelsachverhalten auf Ersuchen der zuständigen Staatsanwaltschaften ermächtige, sagte Romann.

Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei sprach von einer längst überfälligen Novelle, die viele positive Punkte enthalte. Allerdings sei durch einzelne Regelungen auch eine personelle Überforderung der Bundespolizei zu befürchten, etwa, wenn diese künftig die Zuständigkeit erhalten solle, Abschiebegewahrsam für ausreisepflichtige Ausländer zu erwirken, die bei Kontrollen auffällig werden. Diese Bestimmung sollte sich auf wenige Fälle von Schwerstkriminellen beschränken, meinte Roßkopf. Nachbesserungsbedarf sah er in zwei Punkten. Zum einen sollte der bundespolizeiliche Zuständigkeitsbereich im Hinterland der deutschen Grenzen von derzeit 30 auf 50 Kilometer ausgeweitet werden. Zum anderen sollten die Bahn sowie Flughafenbetreiber verpflichtet werden, der Bundespolizei in ihren Liegenschaften angemessene Räumlichkeite zur Verfügung zu stellen.

Für die Ausweitung der Zone bundespolizeilicher Zuständigkeit auf 50 Kilometer sprach sich auch Heko Teggatz von der Deutschen Polizeigewerkschaft aus. Er begrüßte im übrigen die neuen Befugnisse für die Veranlassung von Abschiebehaft sowie für Straftaten insgesamt statt wie bisher ein begrenztes Spektrum von Delikten. Auch vermehrte digitale Zugriffsrechte seien angemessen und notwendig.

Für den Deutschen Anwaltsverein kritisierte die Bremer Strafrechtsexpertin Lea Voigt die Tendenz des Entwurfs, polizeiliche Instrumente „erheblich auszuweiten“. Es dürfe „keinen umfassenden Zugriff auf die Bürger“ geben. Es sei auch nicht so, dass die Bundespolizei unbedingt dieselben Befugnisse besitzen müsse wie andere Polizeien.

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