03.05.2021 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 586/2021

Ausbau des Ausländerzentralregisters umstritten

Berlin: (hib/FLA) Zwischen begrüßenswertem Schub für die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und datenschutzrechtlichen Bedenken lag die Bandbreite der Expertisen, als es am Mittwoch bei einer Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat unter Leitung von Andrea Lindholz (CSU) um den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ (19/28170) ging. Das AZR soll danach zu einer umfassenden Datenbank ausgebaut werden.

Dagmar Dahmen vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration verspricht sich von der geplanten AZR-Änderung, dass die Sachbearbeitung vor Ort deutlich erleichtert werde. Sie verwies auf die Vielzahl der mit Ausländern befassten Behörden. Wichtig sei, dass diese auch im Austausch untereinander auf die gleiche Datenbasis und die gleiche Datensicherheit zurückgreifen könnten. Mit der Umsetzung des Gesetzentwurfs werde die Grundlage für rechtssicherere und treffsicherere Entscheidungen geschaffen.

Bernward Ostrop (Deutscher Caritasverband) stellte fest, dass die Zentralisierung von Daten für die Behörden Effizienz-Vorteile biete. Es gebe jedoch eine zweite Seite: die der Betroffenen. Die Zentralisierung berge Gefahren gerade für Personengruppen, die häufig diskriminiert und bedroht würden. Je höher der Grad der Zentralisierung und damit der Missbrauchsmöglichkeiten, desto transparenter und besser müssten auch die Vorschriften für den Schutz der Betroffenen sein. Daran fehle es beim gültigen Gesetz und beim vorgelegten Gesetzentwurf.

Thomas Petri (Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz) erklärte, die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, den Umbau des AZR von einem staatlichen Register in eine zentral geführte Datenbank könne er angesichts der zahlreichen Mehrfachstrukturen im Ausländerbereich verstehen. Es wäre allerdings dringend an der Zeit, die Ausgestaltung der Betroffenenrechte an den neuen Charakter des AZR anzupassen. Angesichts der zahlreichen Behörden, die Zugriff auf das AZR erhielten, bedürfe es einer grundrechtlichen Rechtfertigung. Sonst sei das Gesetz verfassungswidrig. Eine bloße Arbeitserleichterung reiche als Rechtfertigung nicht aus.

Heinrich Ringkamp (Bundesverwaltungsamt, Ausländerzentralregister) legte dar, die angestrebten neuen gesetzlichen Regelungen würden durch eine zentrale Datenhaltung dazu beitragen können, die bisherige Praxis und Notwendigkeit von Mehrfacherhebungen identischer Daten deutlich zu verringern. Akten und Dokumente müssten nicht mehr umständlich über den Postweg versandt werden, sondern könnten durch die neue Dokumentenablage direkt im AZR eingespeichert und abgerufen werden. Der Nutzen für die Betroffenen liege in einer Beschleunigung der Arbeitsprozesse. Das Register bliebe damit Vorreiter einer weiteren Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise meinte, schon das derzeit geltende Gesetz verstoße gegen verfassungs- und europarechtliche Vorgaben. Der vorliegende Gesetzentwurf verstärke die informationellen Eingriffe und damit die bisherigen Defizite. Mit der angestrebten Zentralisierung der Datenhaltung im AZR - einer grundlegenden Weichenstellung - sei es geboten, die Gesamtstruktur der ausländerrechtlichen Datenverarbeitung zu hinterfragen. Die Steigerung der Effektivität dürfe nicht auf dem Rücken der Betroffenen erfolgen.

Nach Ansicht von Philipp Wittmann (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg) begegnet die geplante Fortentwicklung des AZR keinen grundsätzlichen Bedenken. Sie könne zur Modernisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung beitragen, die auch mit einem hohen Datenschutzniveau nicht unvereinbar sei. Freilich warf er Fragen auf. So verwies er darauf, dass für einen behördlichen Direktzugriff nach dem Entwurf im AZR vorgehaltene Dokumente Einzelangaben über den Lebensweg, politische Überzeugungen, geschlechtliche Orientierung, psychische und physische Erkrankungen und begangene Straftaten von Ausländern und ihren Familien enthielten. Sie müssten den größtmöglichen Schutz vor dem Abfluss an ausländische Stellen und unkontrolliertem und unnötigen Zugriff inländischer Bedarfsträger haben.

Marginalspalte