07.06.2021 Ernährung und Landwirtschaft — Anhörung — hib 752/2021

Expertenurteil über Gemeinsame Agrarpolitik der EU

Berlin: (hib/SAS) Viel Nachbesserungsbedarf sehen Sachverständige bei der geplanten nationalen Umsetzung der Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP).

Das zeigte eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu vier Gesetzentwürfen der Bundesregierung (19/29485, 19/29488, 19/29489, 19/29490) am Montag unter Leitung von Alois Gerig (CDU). So lobten die Sachverständigen zwar die Weichenstellung hin zu einem System der Direktzahlungen, das an Umweltschutzauflagen gekoppelt sei, doch mahnten sie auch Nachbesserungen insbesondere bei der Ausgestaltung der Öko-Regelungen an.

Mit dem ersten Gesetzentwurf zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes sollen laut Regierung Direktzahlungsmittel der EU in die sogenannte zweite Säule der GAP für die Entwicklung des ländlichen Raums verschoben werden. Der zweite Gesetzentwurf dient dazu, ein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem einzuführen. Dazu gehören ein neues Durchführungsmodell und eine Vereinfachung des Systems für Betriebsinhaber und Verwaltungen. Der dritte Gesetzentwurf zur Durchführung der im Rahmen der GAP geltenden Konditionalität zielt darauf ab, das Agrarzahlungen-Verpflichtungengesetz abzulösen. Die bisher geltenden „Cross-Compliance“-Vorschriften sollen zukünftig unter dem Begriff „Konditionalität“ in modifizierter und teils erweiterter Form fortgeführt werden. Davon erfasst werden auch die bisherigen „Greening“-Maßnahmen. Mit dem vierten Gesetzentwurf zur Durchführung der mit der GAP finanzierten Direktzahlungen sollen schließlich die Regelungen für die Direktzahlungen ab 2023 neu gefasst werden.

Grundsätzliche Kritik kam vom Agrarwissenschaftler Harald Grethe: Er betonte, die vorgelegten Entwürfe ermöglichten keinen echten Systemwechsel in der Landwirtschaft, sondern seien nur „Stückwerk“ - auch wenn einzelne Maßnahmen in die richtige Richtung gingen. Konkret monierte der Professor von Humboldt-Universität in Berlin die Umschichtung von maximal 15 Prozent der finanziellen Mittel von der ersten in zweite Säule der GAP als viel zu gering. Auch das Budget für Öko-Regelungen sei mit 25 Prozent der Direktzahlungen zu klein dimensioniert. „35 Prozent sollten am Ende Planungshorizontes schon erreicht werden“, sagte der Sachverständige.

Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), widersprach seinem Vorredner: Dass ab 2023 alle Direktzahlungen an Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz gekoppelt seien, stelle einen Systemwechsel dar. Und zwar einen, der für die Landwirte große finanzielle Herausforderungen und Wettbewerbsnachteile bedeute, betonte Ruckwied und verwies auf die geplante Senkung der Direktzahlungen pro Hektar von 250 Euro auf 150 Euro. Trotzdem werde sein Verband den „Weg der grünen GAP“ mitgehen. Die Öko-Regelungen müssten aber praxistauglicher ausgestaltet sein, einen finanziellen Anreiz für die Betriebe bieten und „Kannibalisierungseffekte“ bei bisherigen Umweltmaßnahmen der zweiten Säule der GAP vermeiden, so der DBV-Präsident.

Ähnlich argumentierten auch die Einzelsachverständigen Jürgen Maurer und Hubertus Paetow: Die GAP werde komplexer, undurchschaubarer und für Praktiker immer schwieriger umzusetzen, klagte Maurer. Die Vorgabe, mindestens drei Prozent der Ackerfläche nicht zu bewirtschafteten, geißelte das Vorstandsmitglied des Bauernverbandes Schwäbisch-Hall als „Stilllegungspflicht“. Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, verlangte insgesamt mehr Planungssicherheit „bei den Zahlungen und bei geplanten Einschränkungen“. Beim Insektenschutz etwa seien zuletzt Einschränkungen „schnell, willkürlich und planlos“ beschlossen worden, so seine Kritik.

Konrad Schmid, Abteilungsleiter im Bayerischen Landwirtschaftsministerium, betonte die große Herausforderung, die Öko-Regelungen so zu gestalten, dass sie breit wirksam seien und Betrieben ein Einkommen ermöglichten. Trotz vieler offener Fragen und „Ungereimtheiten“ etwa hinsichtlich der Schnittstellen zwischen der ersten und zweiten Säule, plädierte der Sachverständige dazu, die Gesetzentwürfe „schnell zu verabschieden“ und Änderungen dann nachträglich vorzunehmen. So könne verhindert werden, dass Betriebe komplett ausstiegen und sich den Steuerungsmaßnahmen entzögen.

Phillip Brändle, Mitglied des Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sprach sich ebenfalls für ein größeres, schrittweise ansteigendes Budget für die Öko-Regelungen aus. Nur so gelinge allen Betrieben der Übergang beim Umgang der GAP weg von einer pauschalen Flächenförderung, so Brändle. Die Öko-Regelungen sollten mit Anreizen und anhand eines Punktesystems ausgestaltet werden. Damit lohnten sich die Regelungen ökologisch - und ökonomisch für die Bauern.

Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DLV) vermisste bei den Öko-Regelungen ein schlüssiges Gesamtkonzept. Ein punktebasiertes Bewertungssystem, wie es Landschaftspflegeverbände im Rahmen eines Gesamtpakets mit dem Titel „Gemeinwohlprämie“ vorgelegt hätten, könne diese Lücke schließen, zeigte sich der Experte überzeugt und appellierte an den Bundestag, dieses gesetzlich zu verankern.

Für die Schaffung von Förderangeboten speziell für Frauen in der Landwirtschaft trat Juliane Vees als Vertreterin des Deutschen LandFrauenverbands ein. Der Umbau der GAP böte hierfür neue Chancen. Frauen in ländlichen Regionen seien immer noch strukturell stärker benachteiligt als Frauen in städtischen Regionen. Dies sei einer der Gründe für ihre überproportional starke Abwanderung. Um das zu ändern, den Anteil von Betriebsleiterinnen und weiblichen Hofnachfolgen in der Landwirtschaft zu erhöhen, brauche es eine speziell zugeschnittene Förderung etwa bei der Existenzgründung und Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Komplett ablehnend stand schließlich Reinhard Jung für die Freien Bauern Deutschland den Gesetzentwürfen der Bundesregierung gegenüber: Zur Klärung der großen Fragen „Bauernhöfe oder Agrarkonzerne“ oder zum Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz trügen diese nichts bei. Die Bundesregierung nutze ihre Spielräume nicht, über eine agrarstrukturelle Ausrichtung der Direktzahlungen dem zunehmenden „Ausverkauf“ der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland an Investoren einen Riegel vorzuschieben. Die „grüne Architektur“ der GAP biete zudem lauter Anreize zur Flächenstilllegung und werde zu „zwei bis drei Prozent weniger landwirtschaftlicher Erzeugung in Deutschland führen“, warnte der Sachverständige. Das habe nichts mit Umweltschutz und Biodiversität zu tun.

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