07.06.2021 Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit — Anhörung — hib 753/2021

Experten bezeichnen Mantelverordnung als guten Kompromiss

Berlin: (hib/CHB) Die neuen Regelungen für den Umgang mit mineralischen Abfällen wie Bauschutt, Schlacken und Gleisschotter sind in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mehrheitlich als guter Kompromiss bezeichnet worden. Allerdings kritisierten Vertreter der Bauindustrie in der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Sitzung am Montag, 7. Juni 2021, die Regelungen würden zu einer Stoffstromverschiebung hin zu Deponien und zu höheren Baukosten führen.

Gegenstand der Anhörung war die Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung (19/29636). Die kurz als Mantelverordnung bezeichnete Vorlage macht erstmals deutschlandweit gültige Vorgaben für den Einsatz mineralischer Abfälle. An der Neuregelung wird seit gut 15 Jahren gearbeitet. Sie soll am Donnerstag, 10. Juni, vom Bundestag ohne Aussprache beraten werden. Danach muss noch der Bundesrat zustimmen.

Als „fundierten Kompromiss“ bezeichnete Tim Bagner von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände die Mantelverordnung. Zwar gebe es durchaus Punkte, bei denen man aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände mehr hätte erreichen können; im Grundsatz sei es aber richtig, die Verordnung jetzt endlich zu beschließen und dann nach der Evaluation an der einen oder anderen Stelle nachzuschärfen.

Man könne in Bezug auf die Mantelverordnung fast von einer unendlichen Geschichte sprechen, stellte Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fest. Jetzt aber sei der Durchbruch zum Greifen nah. Auch wenn es in der Bauindustrie eine Reihe von Vorbehalten gebe, müsse der Gesetzgeber jetzt endlich zum Abschluss kommen. Grundsätzlich gehe es auch zukünftig um die Abwägung zwischen zwei Gütern, nämlich der Schonung natürlicher Ressourcen einerseits und dem Wasser- und Bodenschutz andererseits.

Von einem „Kompromiss zwischen Wasserschutz, Bodenschutz und Recycling“ sprach auch Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs- , Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Zwar finde jede Seite an diesem Kompromiss etwas, mit dem sie nicht einverstanden sei; der Kompromiss sei aber besser, als ein weiteres Mal mit der Verordnung zu scheitern. Dabei sei das stärkste Argument für die Mantelverordnung, dass endlich bundeseinheitliche Regelungen für den Umgang mit mineralischen Abfällen und damit dem größten Abfallstrom beschlossen würden.

Kritik am Entwurf äußerten hingegen Vertreter der Bauindustrie. Thomas Paetzold vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) wies darauf hin, dass die Bauwirtschaft eine Regelung brauche, die auf den Baustellen praktisch umsetzbar sei. Nötig seien außerdem eine Strategie für ausreichende Deponiekapazitäten sowie die Klarstellung, dass der Bauherr Verursacher des Abfalls sei. Aus Sicht der Bauindustrie sei der Verordnungsentwurf ungenügend, da er nicht auf die praktischen Anforderungen ausgerichtet sei und das Bauen massiv verteuere.

Auch Christine Buddenbohm vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) bemängelte, dass die Verantwortung des Bauherrn als Verursacher des Abfalls weiterhin nicht geregelt sei. Zwar sei zu begrüßen, dass die Vorschriften bundesweit vereinheitlicht würden. Aber die Mantelverordnung sei „bei weitem kein guter Kompromiss“. Insbesondere kritisierte Buddenbohm, dass mineralische Ersatzbaustoffe auch nach stofflicher Aufbereitung und Qualitätssicherung weiterhin als Abfälle gälten und deshalb den abfallbezogenen Rechtspflichten unterlägen.

Ablehnend äußerte sich auch Florian Knappe vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Er kritisierte, die Mantelverordnung verfehle ihr Ziel, die Kreislaufwirtschaft zu stärken.

Für die zügige Verabschiedung der Verordnung in der vorliegenden Fassung sprach sich hingegen Thomas Reiche vom FEhS - Institut für Baustoff-Forschung e. V. aus. Dabei hob er hervor, dass die Verordnung auch die industriellen Stoffströme einbeziehe. Schon seit langer Zeit würden schlackenbasierte Baustoffe aus der Stahlindustrie im Straßen- und Verkehrsbau sowie in der Zement- und Betonindustrie eingesetzt. Baustoffe aus der Stahlindustrie seien damit bestes Beispiel für gelebte Ressourcenschonung.

Ebenfalls für eine zeitnahe Verabschiedung der Verordnung plädierte Karin Hinrichs-Petersen von der Aurubis AG, einem Anbieter von Nichteisenmetallen. Die Mantelverordnung sei ein „akzeptabler Kompromiss“, der Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen bringe.

Positiv zur Verordnung äußerte sich schließlich Martin Kneisel von Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Die Verordnung regle auf wissenschaftlicher Basis, in welchem Ausmaß Bauabfälle verbaut werden könnten, ohne die Umwelt zu schädigen, und schaffe die Grundlage für eine bundeseinheitliche Praxis. Für Baden-Württemberg hätten Berechnungen ergeben, dass keine bedeutende Verschiebung der Stoffströme hin zu Deponien zu erwarten sei.

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