Sachverständige fordern bessere Wissenschaftskommunikation
Berlin: (hib/CHA) In einer öffentlichen Anhörung hat sich der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag mit der Wissenschaftskommunikation beschäftigt. Grundlage war ein Antrag (20/10606) der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die darin eine systematische und umfassende Stärkung der Wissenschaftskommunikation fordern.
Die Koalitionsfraktionen wollen unter anderem die Potenziale der Wissenschaftskommunikation besser ausschöpfen. Denn diese biete „Wissen als Grundlage für demokratische Prozesse an“ und ermögliche evidenzbasierte Entscheidungen und wirke gegen Fake News und Desinformationen. „Gesamtgesellschaftlich fördert sie Resilienz, Zukunftsfähigkeit und Innovationsbereitschaft und stärkt das Vertrauen in Wissenschaft“, heißt es in dem Antrag weiter. Dabei präsentiere moderne Wissenschaftskommunikation Forschungsergebnisse nicht nur, sondern setze auf Diskussion, Co-Produktion und Kontextualisierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ergebnissen.
Ausschussvorsitzender Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) betonte vor Aussprache der Sachverständigen, dass die Abgeordneten fraktionsübergreifend der Auffassung seien, dass die Wissenschaftskommunikation der Wissenschaft eine Stimme gebe, die über Fachkonferenzen und Fachjournale hinausreiche. Zudem schaffe die Wissenschaft die Grundlage für politische Entscheidungen und eine gemeinsame Faktenbasis für die Gesellschaft.
Die geladenen Sachverständigen waren sich einig, dass die Wissenschaftskommunikation eine bedeutende Rolle bei der Information und Aufklärung der Gesellschaft spielt. Zudem könne eine erfolgreiche Wissenschaftskommunikation das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie und politische Entscheidungen steigern. Damit Wissenschaftskommunikation aber tatsächlich erfolgreich sein könne, forderten die Sachverständigen mehr Förderungen.
„Wissenschaft braucht Demokratie und Demokratie braucht Wissenschaft“, sagte Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt. Die auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladene Sachverständige betonte, dass die Wissenschaftskommunikation eine wichtige Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und weiten Teilen der Gesellschaft sei. Daher könne die Wissenschaftskommunikation als probates Mittel gegen Polarisierung und Ausgrenzung dienen. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Wissenschaftskommunikatoren bestmöglich unterstützt und geschützt werden. Brühl warb dafür, die Erkenntnisse der Wissenschaft noch besser in die breite Gesellschaft zu bringen.
Jacob Beautemps vom YouTube-Kanal Breaking Lab war grundsätzlich zufrieden damit, wie Wissenschaftskommunikation in Deutschland funktioniert. Der auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion eingeladene Sachverständige befand dennoch, dass mehr von der Wissenschaftskommunikation gefordert werden könne, um die Qualität der Kommunikation zu verbessern. Für eine hohe Qualität der Wissenschaftskommunikation brauche es zudem bessere Förderungen, ergänzte Beautemps. Als eine der größten Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation nannte er Fake News. Um gegen diese vorgehen zu können, müsste die Medienkompetenz der gesamten Gesellschaft gestärkt werden.
„Der Wissenschaftsjournalismus befindet sich in einer Krise“, befand die Vorstandsvorsitzende der Wissenschaftspressekonferenz, Nicola Kuhrt. Ursache dafür seinen Sparmaßnahmen in den Verlagen und Medienhäusern, die häufig zuerst den Wissenschaftsjournalismus beträfen. Darunter würden insbesondere viele Fachautorinnen und Fachautoren leiden. Kuhrt (eingeladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion) warnte, dass unzureichend informierte Bürgerinnen und Bürger eine schlechte Basis für demokratische Entscheidungen in der Gesellschaft seien. Sie forderte die Einrichtung einer unabhängigen gemeinnützigen Stiftung zur Stärkung des Wissenschaftsjournalismus mit einem Kapitalstock von zehn Millionen Euro.
Der auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladene Sachverständige Harald Lesch schloss sich seinen Vorrednern an. Für ihn sei die Wissenschaftskommunikation eine „vertrauensbildende Maßnahme“. Der Professor für theoretische Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München forderte, Wissenschaftskommunikation im Alltag der Forscherinnen und Forscher zu etablieren und eine Institution zu errichten, die den Kommunikatoren einen besseren Austausch und eine stärkere Zusammenarbeit ermögliche. Auch viele der Entscheidungen, die heute im Parlament getroffen würden, seien von wissenschaftlichen Grundlagenforschungsergebnissen betroffen, sagte der Sachverständige. Daher appellierte er an die Abgeordneten, mit den Forschenden zusammenzuarbeiten.
Nach Ansicht von Moritz Vieth vom YouTube-Kanal Senkrechtstarter habe die Wissenschaftskommunikation spätestens seit der Coronapandemie einen neuen Stellenwert in der Gesellschaft erreicht. Der auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion eingeladene Sachverständige sprach sich für eine stärkere Zusammenarbeit in der Wissenschaftskommunikation zwischen Forschenden und Influencern aus. Er plädiert für die Stärkung der Wissenschaftskommunikation in den sozialen Netzwerken. Insbesondere dort könnten besonders viele Menschen erreicht werden. Vieth nannte eine gestärkte und einfach zugängliche Wissenschaftskommunikation „das schärfste Schwert“ gegen Unwissenheit und Angst.
Der Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, Johannes Vogel, forderte die Wissenschaft auf, sich stärker in der Gesellschaft um einen Dialog zu bemühen. So müssten Forschende der Gesellschaft das Verständnis von Wissenschaft als Prozess erklären. Der auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen eingeladene Sachverständige warb dafür, die Ergebnisse der Wissenschaft nicht mehr nur in „preiswert in Pressemitteilungen“ herauszugeben. Vielmehr müsse die Wissenschaft in die Gesellschaft gehen, den Menschen zuhören und den Dialog suchen. Bisher sehe Vogel nicht, dass sich das Wissenschaftssystem als solches anstrenge, um demokratische Mehrheiten für eine Wissensgesellschaft zu unterstützen und zu mehren.
Für Julia Wandt vom Geschäftsbereich Wissenschaftskommunikation und Strategie der Universität Freiburg sollte Wissenschaftskommunikation ohne große Hürden umgesetzt werden. Dazu gehöre auch, dass diejenigen, die kommunizieren, nicht allein bleiben, wenn sie angegriffen und angefeindet werden. Bereits seit langer Zeit seien Forschende vermehrt Anfeindungen ausgesetzt, sagte die auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladene Sachverständige. Wandt betonte, dass genau aus diesem Grund Anlaufstellen zur Beratung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei digitaler Gewalt oder Hassrede, wie Scicomm-Support, dauerhaft benötigt würden. Eine gute Wissenschaftskommunikation sei für eine Demokratie unerlässlich und könne zur Demokratiestabilisierung beitragen, betonte die Sachverständige.