Bilanz des Wiederaufbaus im Ahrtal
Berlin: (hib/HLE) Vertreter der Landesregierung von Rheinland-Pfalz haben in einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Montag unter Leitung der Vorsitzenden Sandra Weeser (FDP) eine positive Bilanz des Wiederaufbaus im Ahrtal gezogen, in dem ein Hochwasser im Sommer 2021 sehr schwere Zerstörungen angerichtet hatte. Andere Sachverständige thematisierten Schwierigkeiten und mahnten Änderungen von Vorschriften an, damit der Aufbau schneller vorankomme.
99,5 Prozent der vollständig vorgelegten Anträge zum Wiederaufbau kommunaler Infrastruktur seien inzwischen bewilligt, hieß es in der Stellungnahme von Anne Vogelsberger (Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz). Mit Stand vom 24. Juni 2024 seien von 1.304 vollständig vorgelegten Anträgen im Bereich des Wiederaufbaus der allgemeinen kommunalen Infrastruktur 1.297 Maßnahmen mit einem Volumen von rund 860 Millionen Euro bewilligt worden.
Felix Edlich (Finanzministerium Rheinland-Pfalz) berichtete, dass bis zum 24. Juni 2024 3.735 Anträge wegen Schäden an privaten Wohngebäuden vollständig vorgelegt worden seien. Davon seien 3.566 Anträge mit einem Volumen von 580,2 Millionen Euro bewilligt worden. Das entspreche einer Bewilligungsquote von 95,5 Prozent.
Mit dem Wiederaufbau erfahre die öffentliche Infrastruktur einen „Qualitätssprung“, machte Vogelsberger klar. So erfolge der Wiederaufbau nach den zum Zeitpunkt der Schadensermittlung geltenden Normen. Dass bedeute etwa, dass ein Kindergarten aus den 1960-er Jahren nach aktuellen und nicht nach den alten Standards wiederaufgebaut werde. Der Wiederaufbau erfolge außerdem in einer dem jeweiligen Hochwasser- und Überschwemmungsrisiko angepassten Weise. Dazu gehöre, dass eine Verlagerung von Technik- und Heizungsräumen ins Obergeschoss gefördert werde. Der Wiederaufbau von Brücken werde risikoangepasst nach heutigen Anforderungen und Standards durchgeführt. Auch Edlich berichtete, dass der Wiederaufbau entsprechend der aktuellen gesetzlichen und baulichen Vorschriften einschließlich rechtsverbindlicher Modernisierungen erfolge. Im Bereich der Energieeffizienz werde der gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandard gefördert, was in der Regel eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Ursprungszustand darstelle.
Markus Becker (Büro für Ingenieur- und Tiefbau) nannte die Parallelität von Planung und Umsetzung, die Betreuung von Provisorien und Zwischenzuständen sowie die Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur eine „teure und störanfällige Mammutaufgabe“. Er sprach sich für ein Beschleunigungsgesetz für den technischen Hochwasserschutz aus, „um die Bevölkerung zu schützen und die getätigten Wiederaufbauinvestitionen langfristig abzusichern“. Becker kritisierte zudem die zu geringen personellen Ressourcen in den Verwaltungen.
Auch Martin Schell (Zukunft Mittelahr) sagte, während sich der private Aufbau in einem positiv-sichtbaren Zustand bewege, werde der kommunale Wiederaufbau durch einige Rahmenbedingungen weiterhin gebremst. Die Tallage und die nicht vorhandenen Entwicklungsmöglichkeiten würden die Kommunen vor große Herausforderungen stellen. Die Errichtung von Infrastruktur außerhalb von bebaubaren Flächen sei an eine Bauleitplanung gekoppelt. Eine beschleunigte und der Situation angepasste Vereinfachung der Bauleitplanung gebe es jedoch bisher nicht. Das führe dazu, dass zum Beispiel der Bau einer neuen Sportanlage außerhalb des Überschwemmungsgebietes erst 2026 beginnen könne. Dies stoße in der Bevölkerung und bei Sportvereinen auf sehr großes Unverständnis.
Karsten Hartmuth (Stadtplanung Bad Neuenahr-Ahrweiler) sprach sich für mehr Flexibilität bei der Finanzierung der Wiederaufbaumaßnahmen aus. Er kritisierte auch den immensen bürokratischen Aufwand bei der Stellung von Förderanträgen und bei der Suche nach geeigneten Bauflächen außerhalb des Überschwemmungsgebietes. Rolf Schmitt (Hochwasserhilfe-Marienthal) erklärte, bei vielen Projekten müsse auf unterschiedliche Fördertöpfe zurückgegriffen werden, was zu Problemen führe. Er kritisierte auch die Schwierigkeiten bei der Planung von Energienetzen in Ortschaften, so dass Hauseigentümer jetzt wieder nach individuellen Lösungen suchen könnten. Immerhin stehe der dritte Winter nach der Flut bevor.