Sachverständige debattieren Energiewirtschaftsgesetze
Berlin: (hib/NKI) Die Abschaffung der Gasspeicherumlage und die geplanten Änderungen im Energiewirtschaftsrecht zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich, wie Regeln für das sogenannte Energy Sharing, sind am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie auf Kritik gestoßen.
Die Sachverständigen waren sich einig, dass die geplanten Maßnahmen keine weiteren bürokratischen Zusatzaufgaben verursachen sollen und die Energiepreise nicht weiter steigen dürfen. Auf Kritik stieß, dass die Entlastung von Unternehmen und Privatverbrauchern von der Gasspeicherumlage aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden soll.
Der Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (21/1496) sieht die Abschaffung der Gasspeicherumlage vor. 6,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind für die Senkung der Stromkosten durch einen Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten vorgesehen. Mit der Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (21/1497) werden das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und andere Energierechtsvorschriften verändert und EU-Richtlinien umgesetzt. Die wichtigsten Änderungen beinhalten die Einführung von Regelungen für Energy Sharing - ein Konzept, bei dem gemeinschaftlich erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien, wie Solar- oder Windkraftanlagen, lokal geteilt werden kann - sowie die Beschleunigung von Planungsverfahren zum Ausbau von Stromnetzen.
Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), und Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer beim Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), beide durch die CDU/CSU-Fraktion benannt, begrüßten den Wegfall der Gasspeicherumlage sowie den finanziellen Ausgleich des Umlagekontos und die zukünftige Finanzierung von Absicherungsmaßnahmen durch den Bund. „Um jedoch eine kurzfristig spürbare Entlastung der Industrie zu erreichen, muss die Maßnahme dauerhaft rechtlich abgesichert werden“, sagte Seyfert. Die Erdgaskosten in Deutschland produzierender Unternehmen seien nach wie vor „deutlich höher als beispielsweise in den USA“. Die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit zur Wiedereinführung der Umlage gefährde die regulatorische Planungssicherheit und „wird vom VIK abgelehnt“, unterstrich Seyfert. Bolay sagte, zu der Erleichterung bei Netzanschlüssen fehle in den vorliegenden Regelungsentwürfen eine wirkliche Beschleunigung für den Anschluss von Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen, Erneuerbare- Energien-Anlagen und Speichern. Er schlage daher „eine Freistellung von der Netzanschlusspflicht für reine Eigenversorgungsanlagen vor, wenn diese sicherstellen, dass zu keiner Zeit Strom ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird“.
Paula Hahn, Abteilungsleiterin Recht beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), benannt durch die SPD-Fraktion, gab bei der Änderung des Energierechts zu bedenken, dass die Unternehmen der Energiewirtschaft „seit Jahren mit immer weiteren Pflichten belegt werden, deren Erfüllung nicht dem Erfolg der Unternehmung zugutekommt, sondern allein behördlichen Monitoring- und staatlichen Kontrollwünschen entspricht“. Als Beispiel dafür führte sie das geplante Energy Sharing an. „Die Vorgaben zur gemeinsamen Energienutzung sollten im Gesetz auf das notwendige Maß beschränkt werden“, forderte Hahn. Energy Sharing „kann und soll“ die Akzeptanz und Beteiligung von Bürgern an der Energiewende stärken, entscheidend werde aber die konkrete Umsetzung sein. „Sie muss möglichst einfach, schlank und kostengünstig sein“.
Dem widersprach Florian Munder, Leiter Team Energie und Bauen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige forderte den zügigen Ausbau des Energy Sharings. Bis zum 1. Juni 2028 solle die Bundesregierung einen Bericht zur bisherigen Umsetzung solcher Projekte vorlegen. Durch die vergünstigte Nutzung von erneuerbarem Strom bestehe ein Anreiz, den eigenen Stromverbrauch an die Stromerzeugung der Erneuerbaren-Energie-Anlage anzupassen. Dies könne im besten Fall den notwendigen Netzausbau begrenzen und somit gesamtwirtschaftlich vorteilhaft sein.
Arndt Börkey, Leiter Strom und Regulierung beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne), mahnte: Die Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes setze zwar wichtige Anpassungen um, adressiere aber dringende Probleme nicht, die in der Praxis aufträten. Anders als in früheren Entwürfen fehlten zentrale Bausteine, wie zum Beispiel notwendige Verbesserungen zur Reservierung von Netzanschlüssen. „Ohne einen einheitlichen und leistungsfähigen Reservierungsmechanismus für Netzkapazität werden die drängenden Probleme beim Anschluss von Erneuerbaren-Energien-Anlagen, Speichern und neuen Verbrauchern nicht gelöst“, sagte Börkey, den die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen benannt hatte. Für das Energy Sharing forderte der von der SPD-Fraktion eingeladene Experte, Professor Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, „eine rechtsklare und europarechtskonforme Umsetzung“ der Maßnahmen. Dies gelte vor allem mit Blick auf die zu engen Anforderungen bei der Einbindung von Speichern, die unklare Regelung zur Teilnahme von Bürgerenergiegemeinschaften am Energy Sharing sowie die fehlenden Maßnahmen zur Beteiligung schutzbedürftiger Kunden.
Christine Wilcken, Ständige Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und Leiterin des Dezernats Klima beim Deutschen Städtetag, konzentrierte sich auf die Gasspeicherumlage. Die Umlage soll abgeschafft und die Gasspeicherbefüllung künftig vom Bund getragen und nicht mehr auf die Endkunden umgelegt werden. „Diese Entlastungswirkung bei Unternehmen und Privathaushalten sehen wir positiv“, sagte Wilcken. Die Entlastung müsse jedoch aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Die Mittel des KTFs seien für Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität vorgesehen und nicht für konsumtive Ausgaben.
Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer beim Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES), benannt durch CDU/CSU, sieht „zusätzlichen Änderungsbedarf im EnWG, um die entsprechenden Voraussetzungen für einen möglichst zügigen Speicherhochlauf zu schaffen“. Aktuelle Entwicklungen im europäischen Ausland, wie der Blackout in Spanien und Portugal im Frühjahr, zeigten, dass der Zubau erneuerbarer Energien durch Speicher flankiert werden müsse, die diese zusätzliche Leistung aufnähmen und zeitversetzt in das Energiesystem integrieren könnten. „Um neue Speicher investitionssicher an das Netz zu bringen, braucht es verlässliche Verfahren“, forderte Windelen.