SGB VI: Einführung eines Fallmanagements wird begrüßt
Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung geplante Einführung eines Fallmanagements bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung für Versicherte mit besonderem Unterstützungsbedarf traf bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag auf Zustimmung. Umstritten hingegen ist die im Gesetzentwurf „zur Anpassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ - SGB VI-Anpassungsgesetz (21/1858) geplante Ausweitung der kurzfristigen, sozialversicherungsfreien Beschäftigung in der Landwirtschaft von 70 auf 90 Tage. Während Gewerkschaftsvertreter dies ablehnten und schon die aktuelle Regelung als falsch bewerteten, forderte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Anwendungsmöglichkeit der 90-Tage-Regelung für alle Branchen.
Jürgen Ritter von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) sagte während der Anhörung, im Rahmen des Fallmanagements werde es den Trägern der Rentenversicherung ermöglicht, im Sinne einer Modularisierung je nach Kompetenzen und Ressourcen bestimmte Teilaufgaben des Fallmanagements sowohl selbst zu erbringen, „als auch für Teile Dritte in Anspruch zu nehmen“. Damit würden die Handlungsmöglichkeiten der Rentenversicherungsträger im Sinne einer flexiblen und passgenauen Unterstützung im Teilhabeprozess erweitert, befand er.
Der Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ werde mit der Einführung eines Fallmanagements gestärkt. Zudem würden Impulse für eine verbesserte Integration von Versicherten mit vielfachen Problemstellungen gesetzt.
„Folgerichtig und zukunftsorientiert“ sei die Entscheidung, das Fallmanagement in das SGB VI einzuführen, befand Hugo Mennemann von der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management. „Es macht unbedingt Sinn, die komplexe Lebenssituation von Menschen, die in komplexen Hilfesituationen leben oder einen spezifischen Hilfebedarf haben, in den Blick zu nehmen und in das Versorgungssystem hinein vernetzt zu reagieren“, sagte er.
Die Träger der Rentenversicherung sollten seiner Ansicht nach ausdrücklich verpflichtet werden, ihre Strukturen und Abläufe personenzentriert einzurichten. Aktuell seien Kann-Regelungen vorgesehen, die missverstanden werden und einige Träger in einer Haltung bestärken könnten, Hilfe weiterhin primär verwaltungsbezogen und mit Blick auf die Rechtssicherheit und Interessen des eigenen Hauses zu erbringen.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) begrüße die geplante Verstetigung der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung bei ihr, sagte BA-Vertreter Thomas Friedrich. Der Gesetzentwurf sehe jedoch deren ausschließliche Finanzierung aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung vor. Dies sei nicht sachgerecht, da der überwiegende Anteil der in der Arbeitsverwaltung registrierten Menschen, die über einen ausländischen Studien- oder Berufsabschluss verfügen, bei den Jobcentern registriert sei. Friedrich plädierte daher für eine Mischfinanzierung aus Steuer- und Beitragsmitteln.
BDA-Vertreter Robert Meldt hingegen bewertet es als „systemwidrig und inhaltlich nicht sinnvoll“, die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung auf die BA zu übertragen. Zuständig für die Beratung und Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen seien die Länder und Kammern, sagte er. Meldt warnte zugleich vor zunehmenden Bürokratiekosten für die Unternehmen. Wenn ein neues Betriebsstättenverzeichnis bei der Deutschen Unfallversicherung eingerichtet werden soll, müsse darauf geachtet werden, „dass dadurch nicht neue Meldepflichten für die Arbeitgeber entstehen“.
Bereits in ihrer jetzigen Form sei die sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung mit gravierenden Nachteilen für die Beschäftigten verbunden und sollte aus Sicht von Antonius Allgaier von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt „einschränkt und nicht ausgeweitet werden“. Die kurzfristige Beschäftigung sei vor allem für Studierende und Rentner gedacht, die anderweitig sozialversichert und daher nicht schutzbedürftig im Rahmen einer kurzzeitigen Beschäftigung sind.
Die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, um Saisonkräfte aus anderen Staaten ohne ausreichenden Sozialversicherungsschutz zu beschäftigten, „erscheint missbräuchlich“. Diese Regelung auszuweiten sei ein sozialpolitischer Skandal, sagte Allgaier.
Der bestehende Ausschluss von zentralen Sicherungssystemen werde mit der Ausweitung auf 90 Tage weiter verfestigt, ohne dass eine Kompensation in Form verbindlicher arbeitsrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Schutzvorkehrungen vorgesehen ist, hieß es auch von Seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die kurzfristige Beschäftigung müsse wieder auf eine Bagatellregelung zurückgeführt werden, wurde gefordert.
Positiv bewertete DGB-Vertreter Janosch Tillmann die geplante einmalige Möglichkeit, zur Versicherungspflicht bei geringfügig entlohnter Beschäftigung zurückzukehren zu können. Die Genehmigungsfiktion, also die Geltung des Antrags mit Ablauf eines Monats, wenn die Einzugsstelle nicht rechtzeitig widerspricht, sei ebenfalls ein richtiger Schritt, befand er. Ziel des DGB bleibe jedoch die volle Versicherungspflicht für geringfügig entlohnte Beschäftigung.
Martin Kositza von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe kritisierte die geplante Regelung, dass die Auszahlung von Geldleistungen nach dem SGB VI zukünftig nur noch auf ein Konto bei einem Kreditinstitut erfolgen kann, was mit dem grundsätzlich bestehenden Anspruch auf ein Basiskonto für jeden Verbraucher begründet wird. Dies werde den Zugang zu den Geldleistungen erschweren, sagte er. Ausnahmen soll es laut dem Gesetzentwurf nur geben, wenn der Zahlungsempfänger nachweisen kann, „dass er ohne eigenes Verschulden kein Konto bekommen hat“. Lehne aber eine Bank einem Wohnungslosen ein Konto ab, „geben sie das natürlich nicht schriftlich raus“, sagte Kositza.