16.05.2022 Klimaschutz und Energie — Anhörung — hib 240/2022

Anhörung zu erneuerbaren Energien

Berlin: (hib/MIS) Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Montag, 16. Mai 2022, mit dem Thema erneuerbare Energien befasst. Grundlage der zweistündigen Anhörung war der „Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“ (20/1630) und das „Windenergie-auf-See-Gesetz“ (10/1634).

Kerstin Andreae,Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stellte eingangs fest, die Energiewende sei eine „Frage der Entschlossenheit“, und diese Entschlossenheit merke man der Bundesregierung und der EEG-Novelle an, die „im Grundsatz“, zu begrüßen sei. Ihr Lob verband Andreae mit ihrer Forderung an den Gesetzgeber, die vorliegenden Gesetzentwürfe zum Osterpaket kritisch zu prüfen, welche Beschleunigungspotenziale für den Umbau noch zu heben sind und ob weitere Maßnahmen zeitlich vorgezogen werden müssen. Der BDEW sehe noch Nachbesserungsbedarf bei der Beschleunigung von Planung und Genehmigung. Die Feststellung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse liegt, sollte auch für den Netzausbau gelten und in anderen Gesetzen festgeschrieben werden.

Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte es, einmal nicht über die Gasversorgungskrise reden zu müssen, sondern über etwas, das in die Zukunft weise. Es gebe ein großes Interesse an grünen Strom in Deutschland; sogar die Bereitschaft mehr zu zahlen - denn jedes zweite Unternehmen habe sich eigene Klimaziele bis 2040 gegeben und Bedarf - es gebe aber am Markt keinen grünen Strom aus geförderten Anlagen. Das müsse sich ändern, sagte Bolay. Statt die Förderung auszuweiten, sollte sie zurückgefahren werden. Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, sollte mit dem Ende der Kohleverstromung in Deutschland auch die Förderung zumindest bei Wind und Photovoltaik beendet werden, damit für Investoren Klarheit für künftige Entscheidungen herrsche. Das Ziel der weitgehenden Treibhausgasneutralität 2035 sei zwar wünschenswert, aus Sicht der aktuellen geopolitischen Lage, des Mangels an Flächen und Fachkräften sowie des sich noch in den Kinderschuhen befindlichen Wasserstoffmarktes aber nicht realistisch erreichbar, ohne dass massive Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit entstünden.

Finn-Christopher Brüning vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) sah Nachbesserungsbedarf in einigen zentralen Punkten des Entwurfs, um die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu erhalten und so die ambitionierten Ausbauziele zu erreichen. Dabei nannte er vor allem eine verpflichtende finanzielle Beteiligung der Kommunen. Am vorliegenden Entwurf sei zu kritisieren, dass den Kommunen nach wie vor eine verbindliche finanzielle Beteiligung am Ausbau der Windenergie an Land und an Photovoltaik-Freiflächenanlagen verweigert werde. In ihrer freiwilligen Ausgestaltung finde die finanzielle Beteiligung nicht die Anwendung, die aus Akzeptanzgründen dringend erforderlich wäre. Eine geringe Akzeptanz sei aber besonders vor dem Hintergrund des geplanten bundesweiten Zwei-Prozent-Ziels für Windenergie ausgesprochen kontraproduktiv.

Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, ging mit dem Gesetzentwurf und seinen Machern hart ins Gericht. Die Präambel der EEG-Novelle beziehe sich auf das 1,5-Grad-Ziel, nach dem Deutschland seine „gesamte Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik“ ausrichte. Das sei unzureichend und kollidiere mit dem Paragrafen 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), das eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Versorgung als Ziel vorgebe. „Der vorliegende Gesetzentwurf enthält keine systemische Betrachtung, sondern nur eine Festlegung von Zielzahlen bestimmter Technologien, keinerlei implementierte Betrachtung von Versorgungssicherheit und Kosten für die Verbraucher“, kritisierte Hennig. Die Tatsache, dass der Begriff der Versorgungssicherheit in dem 267-seitigen Dokument ganze zweimal vorkomme, zeige ein massives Unverständnis der Funktionsweise des Stromversorgungssystems hinsichtlich der notwendigen Gleichzeitigkeit von Stromerzeugung und -verbrauch.

Andreas Kuhlmann Vorsitzender der Deutsche Energie-Agentur-Geschäftsführung lobte die Gesetzesnovelle als ein „Beitrag zur Ermutigung“; der Kontext sei schwierig, Ziele ultra-ambitioniert, die Probleme um Lieferketten und Preise riesig - dennoch biete sich eine gute Chance, etwas besser zu machen. Dennoch sieht auch Kuhlmann Nachbesserungsbedarf. Für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien sei die Erhöhung der Ausschreibungsmengen zwar zu begrüßen, diese alleine sei jedoch nicht ausreichend. Es brauche zusätzlich die Stärkung marktnaher, nachfragegetriebener und innovativer Geschäftsmodelle, wie beispielsweise Green PPAs (langfristige Stromabnahmeverträge zu einem Festpreis). Mit Blick auf die ambitionierten Ausbauziele müsse es darum gehen, neben der Förderung über das EEG und das Wind-auf-See-Gesetz über Investitionen der Wirtschaft weitere Finanzmittel für die Energiewende zu heben.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) würdigte den Versuch des Gesetzgebers, Ausbauhürden beiseite zu räumen sowie Planung und Genehmigung zu beschleunigen, formulierte aber Forderungen im Konkreten wie zum Beispiel: „Solarenergie auf Dächern attraktiver machen, vor allem auch durch eine erweiterte und verbesserte Mieterstromförderung.“ Aktuell seien gewerblich genutzte Gebäude von der Mieterstromförderung ausgeschlossen. Diese werde nur gewährt, wenn die Solaranlage auf einem Wohngebäude installiert sei und der Strom an einen Letztverbraucher in einem Wohngebäude geliefert werde. Quartiere bestünden jedoch nicht nur aus Wohngebäuden, sondern auch aus Schulen, Schwimmbädern, Parkhäusern oder Gebäuden für den Einzelhandel. Häufig seien die Dachflächen dieser Nichtwohngebäude besser für die Errichtung einer PV-Anlage geeignet als die Dächer von Wohngebäuden. Andererseits werde auch in Nichtwohngebäuden Strom verbraucht, weshalb diese auch als Bezieher von Mieterstrom nicht ausgeschlossen sein sollten.

Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter und Vorsitzender des Stiftungsvorstands Stiftung Umweltenergierecht, attestierte dem Gesetzentwurf „zwei Gesichter“. So seien die Ausbauziele sehr ambitioniert, auf der Seite der Maßnahmen aber gebe es keine entsprechende Entwicklung. Für eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren seien auch Ausbauhemmnisse außerhalb des EEG abzubauen. Die Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit sei ein hilfreicher Hebel, könne aber nicht allein die Probleme im Planungs- und Genehmigungsrecht lösen. Zudem seien vielfältige andere Aspekte zu adressieren, die für Anlagenbetreiber gelten und Investitionen in Erneuerbare entgegenstehen. Die vorgeschlagene Regelung für Ausnahmen von Ausschreibungen für Bürgerenergiegesellschaften sei grundsätzlich ein Ansatz ihrer vorliegenden Ausgestaltung aber noch ungeeignet. Die europarechtlichen Spielräume scheinen nicht ausgeschöpft zu sein.

Sandra Rostek, Leiterin Politik des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) konstatierte ebenfalls eine drohende „ klaffende Umsetzungslücke“. So werde beispielsweise der gordische Knoten für die Windenergie mit dem Osterpaket noch nicht durchschlagen, trotz einiger Verbesserungen. Hinsichtlich der Flächen und Genehmigungsverfahren warte die Branche auf das Sommerpaket. Mit dem vorläufigen Kompromiss zum naturverträglichen Ausbau drohten drastische neue Hürden für die Windenergie zu entstehen. Die Eckpunkte zum naturverträglichen Ausbau bergen gemäß aktueller Ausgestaltung von BMWK und BMUV die Gefahr erheblicher neuer Hemmnisse und bedürften dringend der Korrektur beziehungsweise Konkretisierung im Naturschutzgesetz.

Eberhard von Rottenburg vom Bundesverband der Deutschen Industrie(BDI) fragt sich, ob annähernde Klimaneutralität in der Stromversorgung bereits 2035 - ein Ziel, das nicht im Koalitionsvertrag steht - nun in das EEG eingeführt werden sollte. Es müsse sichergestellt sein, dass eine solche Zielsetzung nicht zu Lasten der Defossilisierung in anderen Wirtschaftssektoren und insbesondere in der Industrie gehe, sagte Rottenburg. Wenn etwa Biogas oder auch grüner Wasserstoff systemdienlich einen größeren Beitrag zu einer sicheren Stromversorgung leisten sollen, stünden sie für andere Verwendungen nicht mehr zur Verfügung, wo sie einen höheren Wirkungsgrad hätten als die Nutzung von Strom, zurückgewonnen aus grünen Gasen.

Fritz Schweiger vom Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) strich heraus, die Energiewende sei mehr als nur Klimaschutz - es gehe auch um Versorgungssicherheit und Energieeffizienz beziehungsweise Bezahlbarkeit, ohne die die Wende nicht gelingen werde. Es sei deshalb „geradezu paradox, dass nun ausgerechnet die stetig verfügbare, flexibel regelbare, netzstabilisierende und der Versorgungssicherheit dienende Wasserkraft ausgebremst, schon mittelfristig zurückgebaut und damit langfristig zerstört werden soll.“ Das Gegenteil sei erforderlich: Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, die Wasserkraft zu erhalten und zu unterstützen, damit sie ihre vielfältigen Vorteile für das zukünftig auf 100 Prozent Erneuerbaren beruhende Energiesystem entfalten könne.

Stefan Thimm vom Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO) kritisierte, das Gesetz werde nicht den Ausbauzielen und auch nicht der Rolle der Offshore-Energien international gerecht - denn global gebe es einen Wettkampf um Investoren in Offshore-Windenergie, und was die brauchten, seien Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. Diese biete das der Gesetzentwurf aber nicht.

Magnus J. K. Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) meinte, die im EEG beschriebenen Anpassungen brächten sicherlich in den allermeisten Fällen eine Verbesserung des Status quo. „Damit jedoch dem Ausbau der Erneuerbaren ein echter Schub verliehen wird, der gleichzeitig den Erhalt der biologischen Vielfalt sichert und die Energieversorgung bürgernah ermöglicht, sind die Änderungen nicht weitreichend und konsequent genug.“ So sei regelmäßig im Gesetzestext klarzustellen, dass Energieerzeugungs-Anlagen nur naturverträglich zulässig und förderfähig seien. So folge das Gesetz konsequent dem Koalitionsvertrag, der auch beim unverzichtbaren Ausbau der erneuerbaren Energien den Erhalt der biologischen Vielfalt gleichrangig mit dem Ziel der Energieerzeugung sehe. Zudem sei klarer herauszustellen, das die Verpflichtungen des Pariser Klimaschutzabkommens gleichrangig mit der Verpflichtung der Zielerfüllung aus der UN Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD) zu sehen seien. Die Gesetzesbegründung sei entsprechend anzupassen.

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