19.04.2023 Gesundheit — Anhörung — hib 282/2023

Experten fordern Hilfe für Patienten mit ME/CFS

Berlin: (hib/PK) Mediziner und Fachverbände fordern gezielte Hilfe für Patienten, die an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erkrankt sind. Benötigt würden eine spezialisierte Versorgung und eine verstärkte Forschung, erklärten Experten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag (20/4886) der Unionsfraktion. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung am Mittwoch sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

In dem Antrag heißt es, ME/CFS sei eine schwerwiegende Multisystemerkrankung, die zu krankhafter Erschöpfung (Fatigue) und Verschlechterung der Symptome nach jeglicher Anstrengung (Post-Exertional Malaise/PEM) führe. Die Abgeordneten fordern, den Aufbau der im Koalitionsvertrag genannten Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für ME/CFS unverzüglich finanziell und strukturell zu fördern.

Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS ist die Krankheit seit ihrer Einstufung als neurologische Erkrankung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1969 „marginalisiert oder falsch eingeordnet“ worden. ME/CFS liege seit Jahrzehnten „im toten Winkel des Gesundheitssystems“. Es sei über Jahrzehnte versäumt worden, in die ME/CFS-Forschung zu investieren.

Die Betroffeneninitiative Long Covid Deutschland (LCD) erklärte, ME/CFS führe zu einem oft lebenslangen und hohen Grad an körperlicher Behinderung. Eine Subgruppe der Patienten mit Post-Covid-Syndrom erfülle nach sechs Monaten die Diagnosekriterien für ME/CFS. Durch die anhaltenden Infektionen mit Sars-Cov-2 sei von einer zunehmenden Zahl von ME/CFS-Erkrankungen im Zusammenhang mit Covid-19 auszugehen. Da ME/CFS weder heilbar sei, noch ursächlich therapiert werden könne, entwickle sich die Krankheit zu einem zunehmenden Kostenfaktor für das Gesundheits- und Sozialsystem.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sprach von einer wenig bekannten, sehr schweren Erkrankung. Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen ME/CFS und Post/Long-Covid merkte der Verband an, der Verdacht auf zwei zugrundeliegende ähnliche postvirale Infektionssyndrome mit schwerwiegender Multisystembetroffenheit dränge sich geradezu auf.

Nach Angaben der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Diagnose ME/CFS schwierig. Es gebe keine objektiven diagnostischen Tests zur Bestätigung der Erkrankung. Erforderlich sei daher fast immer eine aufwendige symptomorientierte, differenzialdiagnostische Abklärung, häufig als Ausschlussdiagnose.

Von Long-Covid und ME/CFS betroffen sind auch Kinder und Jugendliche. Die Elterninitiative NichtGenesenKids berichtete von einer stetigen Zunahme an Anfragen und Beitrittswünschen. Eltern und Großeltern wendeten sich an die Initiative, weil zuvor aktive und sportliche Kinder nach einer Corona-Infektion nicht mehr gesund würden. Viele Eltern seien verzweifelt, weil kompetente Anlaufstellen zur Diagnostik ebenso fehlten wie Therapieoptionen und Verständnis für die Situation.

In der Anhörung machten Sachverständige deutlich, dass eine frühzeitige Diagnose entscheidend sei, um eine mögliche weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten zu verhindern. Uta Behrends von der Technischen Universität München sagte, die Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen sei aufwendiger als die bei Erwachsenen. Berücksichtigt werden müsse, dass betroffene Kinder in der Ausbildung stünden und wichtige Zeit in ihrer Peergroup verlören. (pk)

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