Stärkung der Antidiskriminierungsstelle umstritten
Berlin: (hib/HLE) Ein Vorstoß der Fraktion Die Linke zur Erweiterung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und für einen verbesserten Schutz vor Diskriminierung ist in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch von den Sachverständigen unterschiedlich beurteilt worden. In dem der Anhörung zugrundeliegenden Antrag der Linksfraktion (20/2696) wird eine Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch Einstufung als oberste Bundesbehörde gefordert.
Außerdem werden in dem Antrag Änderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verlangt. So soll unter anderem der Begriff „Rasse“ gestrichen und durch „Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden. Die Diskriminierungsmerkmale sollen um das Merkmal „sozialer Status“ erweitert werden, da gerade der soziale Status den Betroffenen viele Chancen verwehre und andere Diskriminierungsmerkmale verstärke. Bestehende Schutzlücken sollen unter anderem mit einem umfassenden Verbandsklagerecht und verlängerten Klagefristen (besonders im Arbeitsrecht) geschlossen werden. Die Antidiskriminierungsstelle soll ein eigenes Klagerecht erhalten. Die Anhörung wurde von der Ausschussvorsitzenden Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) geleitet.
Eva Andrades (Geschäftsführerin Antidiskriminierungsverband Deutschland, vorgeschlagen von der SPD-Fraktion) sagte, es sei derzeit ein „beängstigendes Ausmaß“ an Diskriminierung zu sehen. „Die Politik muss nun endlich ein Zeichen setzen, damit Diskriminierung konsequent bekämpft wird“, forderte Andrades. Studien würden zeigen, dass Fachkräfte Deutschland wegen Diskriminierungen verlassen würden. Wichtig sei unter anderem die Verlängerung von Fristen, wie in dem Antrag der Linksfraktion gefordert werde.
Tabea Benz (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,vorgeschlagen von der FDP-Fraktion) bezeichnete das gesetzliche Schutzniveau als ausreichend. Der Diskriminierungsschutz sei für die Arbeitgeber ein wichtiges Anliegen. Benz sprach sich aber gegen die Einführung eines Klagerechts für die Antdiskriminierungsstelle des Bundes aus, da diese damit ihrer gesetzlich zugeschriebenen Vermittlerfunktion nicht mehr hinreichend nachkommen könne. Die geforderte Ausweitung der AGG-Merkmale um das Merkmal sozialer Status sei „reine Symbolpolitik“ und steigere die Gefahr neuer Rechtsstreitigkeiten. Die Unternehmen hätten damit keine rechtssichere Handhabe mehr, wenn es darum gehe, erfolglose Bewerber abzulehnen. Die Einführung eines Verbandsklagerechts sei systemfremd.
Vera Egenberger (Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung, vorgeschlagen von der SPD-Fraktion) hielt eine Reform des AGG für dringend geboten. Die Hürden, das AGG zu nutzen, seien zu hoch und machten das Gesetz daher nur bedingt wirksam. „Seit bekannt ist, dass eingewanderte Fachkräfte aus Drittstaaten in erheblichem Maße von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind und deswegen Deutschland auch wieder verlassen, ist deutlich, dass Rassismus als eine Diskriminierungsdimension nicht nur Betroffenen, sondern auch der deutschen Wirtschaft schadet“, sagte Egenberger. Auch sei es notwendig, die Aufgaben der innerbetrieblichen Beschwerdestellen zu schärfen, zu spezifizieren und zu verdeutlichen.
Professorin Judith Froese (Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit Nebengebieten, Universität Konstanz, vorgeschlagen von der CDU/CSU-Fraktion) hielt eine Umstrukturierung der Antidiskriminierungsstelle für nicht erforderlich. Maßnahmen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Antisdiskriminierungsstelle seien bereits gesetzlich vorgegeben. Eine Organisation als oberste Bundesbehörde würde erheblich mehr personelle, technische und finanzielle Ressourcen erfordern. Die geforderte Streichung des Merkmals „Rasse“ und seine Ersetzung durch die Formulierung „Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ sei nicht zu empfehlen. Dadurch könne es nämlich zu einer Absenkung oder andererseits zu einer juristisch schwer handhabbaren Ausweitung des Schutzniveaus kommen. Der Begriff „Rasse“ finde sich zudem im europäischen und internationalen Recht. Auch die Aufnahme des Merkmals „sozialer Status“ sei mit Blick auf die juristische Handhabbarkeit bedenklich. Der Begriff sei facettenreich und betreffe unterschiedliche Lebensbereiche; dies sei rechtlich kaum abbildbar und kaum handzuhaben.
Noa K. Ha (Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, vorgeschlagen von Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Unterstützung aus der Zivilgesellschaft für die Forderungen in dem Antrag. Dies betreffe insbesondere das Verbandsklagerecht, verlängerte Fristen sowie die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle als oberste Bundesbehörde mit eigenem Klagerecht. Unter Bezug auf Untersuchungen wies Ha darauf hin, dass offenkundige Diskriminierung am stärksten schwarze Menschen betreffe. Besonders häufig sei Diskriminierung in den Bereichen Arbeit, Bildung und Justiz erlebt worden.
Universitätsprofessor Felix Hartmann (Fachbereich Rechtswissenschaft, Institut für Arbeitsrecht, Freie Universität Berlin, vorgeschlagen von der CDU/CSU-Fraktion) sprach sich dagegen aus, im Gesetz auf eine Diskriminierung aus rassistischen Gründen abzustellen. Mit dieser Formulierung nehme der Gesetzgeber Bezug auf eine politische und soziologische Kategorie, der es an jeder definitorischen Klarheit fehle. Im Ergebnis drohe eine potentiell uferlose Ausdehnung des Antidiskriminierungsrechts. Eine Erweiterung um das Merkmal des sozialen Status lehnte Hartmann ebenfalls ab. Er verwies darauf, dass der soziale Status als Diskriminierungsmerkmal nicht im Unionsrecht verankert sei.
Professorin Ulrike Lembke (Freie Rechtswissenschaftlerin und Expertin für rechtliche Geschlechterstudien, vorgeschlagen von der SPD-Fraktion) bezeichnete eine Änderung des AGG als notwendig. Die unzureichende Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das AGG sei ebenso bekannt wie die mangelhaften Durchsetzungsmechanismen und deren Folgen. Die Mängel seien bis heute nicht behoben und führten dazu, dass Deutschland beim Diskriminierungsschutz in Europa weit zurückliege. „Die bald jahrzehntelange Duldung eines unionsrechtswidrigen Zustandes untergräbt das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat“, kritisierte Lembke in ihrer Stellungnahme. Es könne nicht nur darum gehen, die Europarechtskonformität des AGG herzustellen. Das sei nicht genug. Sie widersprach Befürchtungen, das Antidiskriminierungsrecht gefährde die Wettbewerbsfähigkeit und zeigte sich zuversichtlich, „dass die deutsche Wirtschaft auch ohne ungehinderte Diskriminierung wettbewerbsfähig ist“.
Professor Mehrdad Payandeh (Bucerius Law School, Lehrstuhl für Internationales Recht, Europarecht und Öffentliches Recht, vorgeschlagen von der SPD Fraktion), sprach sich für eine Reform des AGG aus. Empfehlungen von UN-Gremien an Deutschland hätten den Reformbedarf eindringlich aufgezeigt. Auch das Ausmaß und die Bedeutung von Diskriminierung und Benachteiligung in Deutschland sollten bei der Entscheidung über eine AGG-Reform eine zentrale Rolle spielen. Zahlreiche Untersuchungen würden belegen, dass viele Menschen alltäglich Diskriminierung erfahren würden. Daher seien die Steigerung der Effektivität des gesetzlichen Schutzes vor Diskriminierung und die Erleichterung der Geltendmachung von rechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit Diskriminierung zentrale gesellschaftliche Anliegen.
Remzi Uygyner (Fair mieten - Fair wohnen. Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, vorgeschlagen von der Linksfraktion) unterstützte die Einfügung des Merkmals „sozialer Status“ in das AGG. Der soziale Status werde sehr oft als Diskriminierungsgrund genannt. So würden Wohnungsvermietungen häufig abgelehnt, weil die Interessenten Bürgergeld beziehen würden. Das sei erniedrigend und stigmatisierend. Durch das Fehlen des Merkmals sozialer Status sei diese Art der Diskriminierung bisher nicht justiziabel. Beschwerden würden erfolglos bleiben.