Geringere Mindeststrafen für Kinderpornographie-Delikte
Berlin: (hib/STO) Als Unterrichtung (20/10817) liegt die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung der Mindeststrafen für Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte (20/10540) vor. Danach hat der Bundesrat am 22. März 2024 beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Mindeststrafen für Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte zu senken. Danach sollen Besitz und Erwerb künftig mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe, die Verbreitung mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe bestraft werden können. Zur Begründung verweist die Bundesregierung auf Forderungen aus der Praxis.
Mit dem Entwurf sollen diese in Paragraf 184b des Strafgesetzbuches geregelten Delikte wieder als Vergehen eingestuft werden. Aktuell sind die Delikte als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitstrafe klassifiziert. Durch die Einstufung als Vergehen soll es bei diesen Taten künftig auch wieder möglich sein, Verfahren nach den Paragrafen 153 und 154 der Strafprozessordnung (StPO) einzustellen beziehungsweise nach den Paragrafen 407 ff. StPO durch Strafbefehl zu erledigen.
Der Strafrahmen für die Taten war mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021 angehoben worden. Bis dahin galt für die Verbreitung von kinderpornographischen Inhalten eine Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe. Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte wurden mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Mit der Novelle von 2021 wurden die Delikte als Verbrechen eingestuft und sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafen deutlich angehoben. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht keine Änderungen an den Höchststrafen vor.
Zur Begründung führt die Bundesregierung Rückmeldungen und Forderungen aus der Praxis an. Durch die nicht vorhandene Möglichkeit, Verfahren einzustellen beziehungsweise durch Strafbefehl zu erledigen, habe sich gezeigt „dass dies bei Verfahren, die einen Tatverdacht am unteren Rand der Strafwürdigkeit zum Gegenstand haben, dazu führt, dass eine tat- und schuldangemessene Reaktion nicht mehr in jedem Einzelfall gewährleistet ist“. Auch die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder habe sich den Forderungen aus der Praxis angeschlossen.
Laut Bundesregierung ist die Verhältnismäßigkeit der Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe in manchen Fällen fraglich. Das gelte insbesondere dann, „wenn die beschuldigte Person offensichtlich nicht aus einem eigenen sexuellen Interesse an kinderpornographischen Inhalten gehandelt hat“, sondern im Gegenteil, um insbesondere eine weitere Verbreitung oder ein öffentliches Zugänglichmachen eines kinderpornographischen Inhalts zu beenden, zu verhindern oder aufzuklären. „Besonders häufig sind solche Fälle bei Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern älterer Kinder oder Jugendlicher aufgetreten, die kinderpornographisches Material bei diesen gefunden und an andere Eltern, Lehrerinnen oder Lehrer oder die Schulleitung weitergeleitet haben, um diese über den Missstand zu informieren“, heißt es in dem Entwurf.
Auch hinsichtlich des Besitzes und Erwerbs kinderpornographischer Inhalte führt die Bundesregierung an, dass die „verhältnismäßige Ausgestaltung der Mindeststrafe“ für eine „tat- und schuldangemessene Reaktion im Einzelfall“ erforderlich sei. Als Beispiel nennt der Entwurf Fälle, bei den der Inhalt ungewollt in den Besitz der Empfänger gekommen war. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang im Entwurf auf eine laufende Normenkontrollvorlage des Amtsgerichts Buchen zum Bundesverfassungsgericht. Das Gericht sei in diesem Fall davon überzeugt, dass die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe verfassungswidrig ist, „da sie gegen das Schuldprinzip verstoße“. Auch Fachverbände, die zu dem Verfahren Stellung genommen hätten, hätten die aktuelle Regelung kritisiert.
Ferner sieht die Bundesregierung die Einstufung der Delikte als Vergehen auch als probates Mittel an, um mit den zahlreichen jugendlichen Täterinnen und Tätern angemessen und flexibel umgehen zu können. „Denn auch hier agieren die handelnden Personen in der Regel nicht, um sich durch den kinderpornographischen Inhalt sexuell zu erregen, sondern aus einem für den jugendlichen Entwicklungsstand typischen Antrieb wie Unbedarftheit, Neugier, Abenteuerlust oder Imponierstreben“, heißt es zur Begründung.