9. Mai 2025 Presse

Zum Tod Margot Friedländers: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner würdigt „großherzige Zeitzeugin“

Kondolenzbuch wird im Deutschen Bundestag „für eine außergewöhnliche Persönlichkeit“ ausgelegt

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner:

„In tiefer Trauer verneige ich mich vor einer großherzigen Zeitzeugin, die mit ihrer Offenheit und Zugewandtheit berührte und beeindruckte. Gestern vor 80 Jahren wurde sie in Theresienstadt befreit. Leider konnte sie nicht mehr an der Gedenkfeier im Deutschen Bundestag teilnehmen. Margot Friedländer verstand ihre Erinnerungen als einen Auftrag für die Zukunft: ´Seid Menschen!´ – mit dieser schlichten aber eindringlichen Botschaft verdichtete sich ihre Lebensweisheit, gewonnen im Angesicht von Unmenschlichkeit.

Als Kind erlebte sie die nationalsozialistische Verfolgung der jüdischen Bevölkerung am eigenen Leib. Sie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt, wurde erst am letzten Kriegstag, dem 8. Mai 1945 befreit. Ihr Bruder und ihre Mutter wurden in Auschwitz ermordet. Die letzten Worte ihrer Mutter – ´Versuche, dein Leben zu machen´ – verwandelte Margot Friedländer in ein Vermächtnis, das ihr Kraft gab.

Nach Jahrzehnten im amerikanischen Exil entschied sie 2010 im Alter von 88 Jahren, an ihren Geburtstort Berlin zurückzukehren und sich ihre Heimat ´zurückzuholen´. Ein Zeichen menschlicher Größe. Und ein großes Geschenk für Deutschland. 

Margot Friedländer machte es sich zur Aufgabe, für jene zu sprechen, die nicht mehr sprechen können. Unermüdlich und stets hellwach gab sie ihre Erinnerungen weiter – an Schulen, in Universitäten und auf öffentlichen Veranstaltungen. Indem sie insbesondere junge Menschen zu Zweitzeugen machte, schuf sie ein Netzwerk der Erinnerung, das lebendig bleibt – auch wenn die Stimme der Überlebenden verstummt. 

Zeitzeugenschaft war für sie eine Mission.  `Solange ich atmen kann, werde ich weitermachen,´ sagte sie einmal. Sie hielt ihr Versprechen. Bis zum letzten Atemzug. 

Vor dem Hintergrund ihrer außergewöhnlichen Lebensleistung habe ich entschieden, zu Beginn der kommenden Sitzungswoche im Deutschen Bundestag für die Abgeordneten ein Kondolenzbuch auslegen zu lassen. Diese Entscheidung, die einer Persönlichkeit gilt, die dem Parlament nicht angehörte, habe ich als besondere Ausnahme getroffen. Mit dieser Geste bezeugt der Deutsche Bundestag seinen Respekt und seine Dankbarkeit gegenüber Margot Friedländer.

Der Deutsche Bundestag wird ihr Andenken in Ehren halten“.