Parlament

Der Bundes­tag wurde oft im Sep­tember gewählt – doch es gab Aus­nahmen

Schwarze, rote und goldene Mensch-ärgere-Dich-nicht-Figur neben schwarzem Kreuz mit gelbem X darüber

Bundestagswahlen finden häufig im September statt. (picture-alliance)

19 Mal wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag gewählt – und das oft an einem Sonntag im September. Auch die kommende 20. Bundestagswahl ist da keine Ausnahme: Wahltag ist am Sonntag, 26. September 2021. Diesen Termin hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier in Abstimmung mit Bundesregierung und Bundesländern bestimmt und am 9. Dezember 2020 bekannt gegeben.

Laut Bundeswahlgesetz muss der Wahltag entweder ein Sonntag oder ein Feiertag sein. Außerdem sollte er möglichst nicht in Hauptferienzeiten liegen. Die meisten Bundestagswahlen fanden daher in der Vergangenheit im Herbst statt: Zehn Mal fiel der Wahltag in den September. Drei Mal wählten die Bundesbürger im Oktober. Doch es gab auch Bundestagswahlen, deren Termine von dieser Regel abwichen.

14. August 1949: Ende des ersten, aber „wohl härtesten Wahlkampfes“ der Bundesrepublik

So etwa die allererste Bundestagswahl 1949: Sie fand am 14. August statt – und damit mitten Sommer. Den Wahlkampf bezeichnet der Historiker Wolfgang Benz später als den „wohl härtesten in der Geschichte der Bundesrepublik“. SPD-Kanzlerkandidat Kurt Schumacher beschimpfte den Spitzenkandidaten der CDU/CSU, Konrad Adenauer, als „Lügenauer“ und die CDU als „Sammelbecken aller bankrotten Nationalisten“.

Diese wiederum nannte Schumacher einen „pathologischen Schwachsinnigen“ und die SPD „Rattenfänger“. Am Ende gewann die Union knapp mit 31 Prozent vor der SPD mit 29,2 Prozent und Konrad Adenauer wurde erster Bundeskanzler.

19. November 1972: Die vorgezogene Neuwahl wird zur „Willy-Wahl“

Ähnlich aufgeladen war die politische Stimmung auch 1972 vor der vorgezogenen Neuwahl zum siebten Deutschen Bundestag, der sogenannten „Willy-Wahl“ am 19. November. Die von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) geführte sozialliberale Koalition war in ihrem dritten Regierungsjahr in eine Pattsituation geraten: Mit dem Slogan „Wandel durch Annäherung“ hatten Brandt und sein Außenminister Walter Scheel (FDP) seit 1969 einen neuen Weg in der Deutschland- und der Ostpolitik eingeschlagen.

Doch ihre Bemühungen um Entspannung im Verhältnis zu den Staaten des Warschauer Paktes waren umstritten: Die von Anfang an knappe Mehrheit der sozialliberalen Koalition im Parlament schrumpfte zusehends – bis die Fraktionen von Koalition und Opposition gleichauf lagen.

Verlorene Vertrauensfrage ebnet den Weg zu Neuwahlen

Am 27. April 1972 überstand Brandt knapp ein Misstrauensvotum der CDU/CSU. Einen Tag später jedoch bekam seine Regierung keine Mehrheit für einen Haushaltsentwurf. Um die Blockade im Parlament zu beenden, kündigte der Bundeskanzler im Juni 1972 an, die Legislaturperiode vorzeitig beenden zu wollen – mithilfe einer Vertrauensfrage, die er kalkuliert verlieren wollte. Ein Vorgehen, gegen das auch Verfassungsrechtler Bedenken erhoben.

Trotz der Kritik stellte Brandt schließlich die Vertrauensfrage, über die der Bundestag am 22. September abstimmte. Das Kalkül des Kanzlers ging auf: Er verlor die Abstimmung – und der Weg zu vorgezogenen Neuwahlen war frei. Die Bundestagswahl, die rund zwei Monate später stattfand, geriet zum Plebiszit über Brandt und seine Ostpolitik: 91,1 Prozent der Wahlberechtigten gingen wählen, die SPD fuhr mit 45 Prozent ihr bis heute bestes Ergebnis ein. Willy Brandt blieb Kanzler.

6. März 1983: Die Wahl nach dem Machtwechsel

Eine vorgezogene Neuwahl ist ebenfalls für den ungewöhnlichen Termin für die Wahl zum zehnten Deutschen Bundestag verantwortlich, die am 6. März 1983 stattfand. Vorangegangen war ein konstruktives Misstrauensvotum, mit dem CDU/CSU und FDP am 1. Oktober 1983 Helmut Schmidt (SPD) als Regierungschef gestürzt und den bisherigen Oppositionsführer Dr. Helmut Kohl (CDU) zum neuen Bundeskanzler gemacht hatten. Den Machtwechsel wollte sich dieser jedoch von der Bevölkerung bestätigen – durch Neuwahlen.

Fristverlängerung für die FDP

Der Weg dahin führte – wie bereits bei Willy Brandt – über eine absichtlich verlorene Vertrauensfrage: Am 13. Dezember stellte Kohl den Antrag, am 17. Dezember 1982 entzog ihm der Bundestag plangemäß mit schwarz-gelber Mehrheit das Vertrauen. Bundespräsident Prof. Dr. Karl Carstens bestimmte als Wahltermin den 6. März 1983: Die relativ lange Frist hatte einen Grund: Die FDP befand sich im Umfragetief und sollte Zeit bekommen, um sich erholen zu können. Schon vor dem Misstrauensvotum war sie „in der Wählergunst von 10,6 Prozent an die Grenze der Fünf-Prozent-Hürde abgerutscht“, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im September 1982 berichtete.

Zudem waren der Bruch der sozialliberalen Koalition und der Seitenwechsel zur Union in der Partei heftig umstritten. Tausende Mitglieder kehrten ihr in der Folge den Rücken. Prominentestes Beispiel: Deren bisheriger Generalsekretär Günter Verheugen trat aus der FDP aus, um anschließend SPD-Mitglied zu werden. Bei der Bundestagswahl am 6. März 1983 verlor die FDP zwar, konnte aber trotzdem mit sieben Prozent der Stimmen in den Bundestag einziehen. Wahlsieger war die CDU/CSU mit ihrem Spitzenkandidaten Kohl: Mit 48,8 Prozent errang sie ihr zweitbestes Ergebnis seit 1957. Die SPD sackte auf 38,2 Prozent ab.

2. Dezember 1990: Erste Bundestagswahl im vereinigten Deutschland

Eine besondere Wahl mit einem besonderen Wahltermin war die Bundestagswahl 1990: Zum ersten Mal seit November 1932 fand in ganz Deutschland wieder eine freie Parlamentswahl statt.

Nur zwei Monate nach den Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 waren neben den rund 46,5 Millionen wahlberechtigten Westdeutschen auch gut elf Millionen Wahlberechtigte in Ostdeutschland sowie etwa 2,5 Millionen Berliner an diesen ersten Adventssonntag aufgerufen, den zwölften Deutschen Bundestag zu bestimmen. Auch der Wahlkampf war ein ungewöhnlicher, stand er doch voll und ganz im Zeichen eines einzigen Themas, der deutschen Einheit.

Finanzierung der Einheit als zentrales Wahlkampfthema

Deren Finanzierung entwickelte sich dabei zur zentralen und heftig diskutierten Frage. Während Bundeskanzler Kohl, Spitzenkandidat der Union, die Verwandlung der fünf neuen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt in „blühende Landschaften“ prophezeite, warnte Oskar Lafontaine, Kanzlerkandidat der SPD, vor explodierenden Kosten, steigender Staatsverschuldung und unausweichlichen Steuererhöhungen.

Zwar vermochte Lafontaine bei öffentlichen Auftritten mit seiner rhetorischen Stärke Stimmung zu machen, doch gegen Kohl, der als „Kanzler der Einheit“ einen gehörigen Amtsbonus genoss, hatte sein Herausforderer keine Chance.

Historischer Tag, geringe Wahlbeteiligung

Klarer Sieger der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl war so die bisherige Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP. Auf die Union entfielen 43,8 Prozent der Stimmen, auf die FDP elf Prozent. Die SPD stürzte dagegen von 37 auf 33,5 Prozent ab und erreichte ihr bis dato schlechtestes Ergebnis seit 1957. Die westdeutschen Grünen verpassten den Einzug in den Bundestag.

Nur weil sie einen Tag nach der Wahl mit der getrennt angetretene ostdeutschen Listenverbindung Bündnis 90/Grüne fusionierten, konnten sechs Abgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen in Parlament einziehen. Wie die PDS erhielten sie aber nur den Status einer Gruppe. Vergleichsweise gering war trotz der historischen Bedeutung des Wahltags die Beteiligung: Nur 77,8 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen. (sas/05.02.2021)

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