Geschichte

Vor 100 Jahren: National­versammlung stimmt Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold zu

Deutschlandfahne weht im Wind.

Schwarz-Rot-Gold, Nationalfarben der Weimarer Republik und der Bundesrepublik. (© picture alliance/imageBROKER)

Heute sind die Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold selbstverständliches Symbol der Bundesrepublik Deutschland. Als einziges deutsches Staatssymbol ist die Bundesflagge im Grundgesetz (Artikel 22 Absatz 2) verankert. Sie begegnet uns bei feierlichen Anlässen, internationalen Sportereignissen, aber auch im Alltag, zum Beispiel an öffentlichen Gebäuden.

Als vor 100 Jahren, am Mittwoch, 3. Juli 1919, die Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung Schwarz-Rot-Gold zu den Nationalfarben der ersten deutschen Republik bestimmten, war diese Entscheidung nicht unumstritten. Die Bevölkerung nahm regen Anteil an der Farbendiskussion. Große Teile der Bevölkerung waren gegen die Ablösung der schwarz-weiß-roten Farben des Deutschen Kaiserreichs. Die Festlegung der Flaggenfarben spaltete dabei nicht nur die deutsche Öffentlichkeit, sondern auch die Weimarer Nationalversammlung.

Staatenausschuss für Schwarz-Rot-Gold

Zwar enthielt bereits der Verfassungsentwurf des mit der Ausarbeitung beauftragten Staatsrechtlers Hugo Preuß, Deutsche Demokratische Partei (DDP), als Bekenntnis zu den Farben der Revolution von 1848 die schwarz-rot-goldenen Nationalfarben. Und auch der Staatenausschuss der Weimarer Nationalversammlung hatte sich bereits am 18. Februar 1919 für diese Trikolore ausgesprochen.

Die Vertretung der deutschen Länder (ähnlich dem Bundesrat) konnte sich mit ihrem Votum jedoch nicht durchsetzen. Der Staatenausschuss war zwar nach dem Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919 an der Gesetzgebung beteiligt. Über die neue Reichsverfassung konnte er jedoch nicht entscheiden. Diese wurde allein von der Nationalversammlung verabschiedet.

Uneinigkeit in der Regierungskoalition

In der sozialdemokratisch geführten Regierungskoalition unter Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann bestand Uneinigkeit. Zentrum und Mehrheits-SPD befürworteten Schwarz-Rot-Gold. Große Teile der DDP lehnten einen Farbwechsel ab. Um innerhalb der Koalition eine Mehrheit für die Reichsfarben zu erhalten, folgte die Nationalversammlung schließlich einem Kompromiss.

Dem ursprünglichen Entwurf zu Artikel 3 wurde ein zweiter Satz hinzugefügt. In der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 heißt es deshalb: „Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke“.

Drei Anträge zur Auswahl

Zu den Beratungen der Reichsfarben am 2. und 3. Juli 1919 lagen den Abgeordneten drei Anträge vor. Der von der USPD (Unabhängige SPD) unterstützte Antrag (Antrag Agnes und Genossen) bestimmte: „Die Reichsfarbe ist rot. Die Ausgestaltung der Handelsflagge wird durch Reichsgesetz bestimmt.“

Die Fraktionen der DNVP, der DVP und die Mehrheit der DDP beantragten: „Die Reichsfarben sind schwarz-weiß-rot“ (Antrag Dr. Heinze, Arnstadt und Genossen).

Der dritte Antrag (Kompromissantrag Dr. Quarck, Katzenstein, Molkenbuhr, Gröber, Trimborn) der von der MSPD (Mehrheits-SPD), dem Zentrum und Teilen der DDP unterstützt wurde, lautete: „Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit einer Gösch in schwarz-rot-gold in der oberen inneren Ecke.“

Symbol der nationalen Zusammengehörigkeit

Für die Reichsregierung sprach Reichsinnenminister Dr. Eduard David (MSPD) und warb für den Kompromissantrag. Er trat für ein Bekenntnis zu Schwarz-Rot-Gold als Symbol der großdeutschen nationalen Zusammengehörigkeit ein. Der USPD hielt er entgegen, dass die rote Fahne das Banner der Sozialistischen Internationale sei und als Banner einer internationalen Vereinigung nicht als Nationalflagge tauge. Außerdem sei sie eine Parteifahne.

Den Unterstützern des schwarz-weiß-roten Antrags entgegnete er, dass diese Farben von der Arbeiterschaft als feindliches Symbol empfunden würden. Außerdem würde nationalistische und reaktionäre Gruppierungen diese Fahne als Kampfbanner gegen Republik und Demokratie benutzten. Eine Konzession an Schwarz-Weiß-Rot sei lediglich bei der Handelsflagge wegen der besseren Erkennungsmöglichkeit auf hoher See möglich, erklärte er.

Wandel auch bei der Handelsflagge

Als Mitinitiator verteidigte Hermann Molkenbuhr (MSPD) den Kompromissvorschlag und hob hervor, dass durch die schwarz-rot-goldene Gösch der demokratische Wandel auch bei der Handelsflagge verdeutlicht werde.

Ebenfalls für den Kompromissvorschlag sprach sich der Abgeordnete Dr. Ludwig Quidde aus, der die Argumente für eine Minderheit innerhalb der DDP vortrug. Der Kompromissvorschlag stehe auch für eine Verständigung zwischen Sozialdemokratie und Bürgertum. Schwarz-Rot-Gold seien nicht nur die Farben der Freiheit, sie wiesen auch in die Zukunft.

„Flaggenwechsel ein Verhängnis“

Für die Fraktionsmehrheit der DDP sprach Senator Dr. Carl Petersen aus Hamburg. Der Hanseat Petersen verband mit der schwarz-weiß-roten Fahne die wirtschaftliche Stärke des Kaiserreiches. Die Farben würden im Ausland deutsche Kraft und Tüchtigkeit in der Heimat und in der Welt symbolisieren.

Aus kaufmännischer und hanseatischer Sicht sei der Flaggenwechsel ein Verhängnis, betonte er. Außerdem widersprach Petersen dem Argument, dass durch Schwarz-Rot-Gold dem Ausland die „andere politische Gesinnung und ein anderes politisches Recht“ bewiesen werden müsse, der politische Wandel komme durch die neue Verfassung zum Ausdruck.

Befürworter von Schwarz-Weiß-Rot

Die Abgeordneten der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) sprachen sich gegen einen Farbenwechsel und auch gegen ein Zweiflaggensystem aus. Dies würde im Ausland auf Unverständnis stoßen. Die Farben des Kaiserreiches Schwarz-Weiß-Rot stünden für ein geeintes Deutschland.

Im Weltkrieg hätten die Soldaten für diese Farben gekämpft. Diese Farben dürfe die Regierung dem Volk nicht nehmen, argumentierten sie. Durch die Abschaffung der schwarz-weiß-roten Flagge würden nationalen Gefühle verletzt.

„Farbenwechsel gegen unsere nationale Würde“

„Der Farbenwechsel geht gegen unsere nationale Würde“ erklärte dazu für die DVP D. Dr. Wilhelm Kahl. Der DNVP-Abgeordnete Wilhelm Laverrenz fürchtete sogar einen Bürgerkrieg. Nach seiner Ansicht hätten jüngere Zeitgenossen keinen Bezug mehr zu Schwarz-Rot-Gold, während bei den Älteren Erinnerungen an die Bruderkämpfe der Jahre 1848 und 1866 wach würden, sodass angesichts der bestehenden revolutionären Lage sogar leicht ein Bürgerkrieg entfacht werden könne.

Den Antrag der USPD begründete Dr. Oskar Cohn. Die rote Nationalflagge sei Symbol für die Revolution und die Freiheitsbewegung und bilde einen bewussten Bruch mit der Vergangenheit. Die schwarz-weiß-roten Farben hingegen stünden für preußische Machtpolitik und Militarismus.

Breite Mehrheit für den Kompromissantrag

Am 3. Juli schließlich stimmte die Nationalversammlung in namentlicher Abstimmung mit breiter Mehrheit für den Kompromissantrag. Mit Ja stimmten 211 Abgeordnete bei einer Enthaltung und 89 Nein-Stimmen. Am 31. Juli 1919 nahm die Nationalversammlung mit den Stimmen von MSPD, Zentrum und DDP gegen die Stimmen von USPD, DVP und DNVP die Weimarer Verfassung an, die nach ihrer Unterzeichnung durch den Reichspräsidenten am 14. August in Kraft trat.

Die Farben Schwarz-Rot-Gold hatten es in der Weimarer Republik ohne innere Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung jedoch schwer, sich durchzusetzen. Der geschlossene Kompromiss führte auch in der Folge zu weiterem Flaggenstreit. Bei den konservativen Parteien und rechten Gegnern der Republik blieb Schwarz-Rot-Gold unbeliebt.

Flaggenordnung von 1926

Im Mai 1926 erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg auf Wunsch des parteilosen Reichskanzlers Hans Luther und seines Kabinetts eine neue Flaggenordnung, nach der neben der Reichsflagge in deutschen Vertretungen in europäischen Seehandelshäfen sowie außerhalb Europas auch die schwarz-weiß-rote Handelsflagge gezeigt werden durfte.

Nach heftigen Debatten und Protesten von SPD, DDP, Zentrum, Gewerkschaften und dem Wehrverband Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold sowie einem erfolgreichen Misstrauensantrag der DDP musste Reichskanzler Luther zwar mit seinem Kabinett zurücktreten, die neue Flaggenordnung aber blieb bestehen. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 verschwinden die Farben Schwarz-Rot-Gold ganz.

„Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“

Erst 1949 wurde die Tradition von Schwarz-Rot-Gold als Farben der Einheit und Freiheit wieder aufgenommen wurde. 1949 entschied sich der Parlamentarische Rat bei einer Gegenstimme für die schwarz-rot-goldene Trikolore. Artikel 22 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“ Auch der zweite deutsche Staat, die DDR, entschied sich für Schwarz-Rot-Gold, fügte jedoch ab 1959 das von einem Ährenkranz umgebene Hammer-und-Zirkel-Emblem ein.

Am 3. Oktober 1990 erlangte das Grundgesetz für das wiedervereinigte Deutschland Gültigkeit. Heute sind die Farben Schwarz-Rot-Gold national wie international unumstritten und stehen für ein weltoffenes, vielfach geachtetes Deutschland. Die Deutschen identifizieren sich mit diesen Farben, was nicht nur bei Fußball-Weltmeisterschaften vielerorts zum Ausdruck kommt. (klz/26.06.2019)

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