3. Untersuchungsausschuss

Wirecard vergab besonders großzügige Beraterverträge

Ein Mann mit Maske kommt aus einem Sitzungssaal, um ihn herum sind andere Menschen und Kameras.

Vor dem Sitzungssaal des Wirecard-Untersuchungsausschusses (DBT/Simone M. Neumann)

Die inzwischen insolvente Wirecard AG könnte die Vergabe von gut dotierten Beraterverträgen eingesetzt haben, um sich von Einzelpersonen und Institutionen eine wohlwollende Haltung zu erkaufen. Das geht aus Zeugenbefragungen durch den 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) am Donnerstag, 18. März 2021, unter dem Vorsitz von Kay Gottschalk (AfD) hervor. Als Zeugen geladen waren vor allem ehemalige Mitarbeiter der Wirecard AG.

Beratervertrag für Ex-Geheimdienstkoordinator Fritsche

Der ehemalige Leiter der Buchhaltungsabteilung, Stephan Freiherr von Erffa, hatte im Dezember bei seiner ersten Ladung vor den Ausschuss versprochen, in diesem Jahr ausführlich auszusagen. Von Erffa befand sich in München in Untersuchungshaft: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Teilnahme an dem groß angelegten Betrug vor, mit dem Wirecard die Existenz von mehreren Milliarden Euro vorgetäuscht hat. Das Gerichtsverfahren steht ihm noch bevor. Das macht von Erffa zu einem interessanten Zeugen, schränkt aber seine Möglichkeiten zur Aussage stark ein. Er muss sich vor dem Ausschuss in dem Strafverfahren nicht selbst belasten. Die Abgeordneten respektierten daher seinen Wunsch, Themen auszuklammern, um die es in dem Strafverfahren gegen sollte.

Dennoch konnte der Zeuge zahlreiche Details beitragen, die durchaus zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses gehören. Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die großzügigen Ausgaben für Berater, deren Verträge von Erffa teils mit unterschrieben hatte. So erhielt der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, von Wirecard einen Vertrag für Beratungsdienste. Die Tätigkeit Fritsches war schon mehrfach Gegenstand der Erörterungen des Ausschusses gewesen. Er hatte beispielsweise einen Kontakt zum Wirtschaftsberater der Kanzlerin hergestellt. Fritsche wird im April vor dem Ausschuss vernommen.

Verblüffende Vertragskonditionen

Von Interesse war auch der Vertrag mit einem weiteren Wirecard-Berater: Burkhard Ley, der bis 2017 Finanzchef von Wirecard war. Sein Vertrag wies verblüffende Konditionen auf. Ley erhielt 900.000 Euro im Jahr für gelegentliche Beratung im Zusammenhang mit Firmenübernahmen. Auch einen Dienstwagen und eine Assistentin stellte ihm sein ehemaliger Arbeitgeber. 

Der Abgeordnete Matthias Hauer (CDU/CSU) spekulierte in Form einer Frage darüber, ob diese Entlohnung nicht auch dazu dienen sollte, das ehemalige Vorstandsmitglied „bei Laune zu halten“ – schließlich könnte er von den Praktiken des Konzerns gewusst haben.

Beratungsmandate von mehreren Hunderttausend Euro

Das Thema Beraterverträge zog sich auch die Befragung zum Verhalten des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young (EY). Die Prüfer von EY hatten den Jahresabschlüssen von Wirecard jahrelang bescheinigt, weitgehend fehlerfrei zu sein.

Dr. Jens Zimmermann (SPD) fragte den Zeugen von Erffa, ob er einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Vorgängen aus dem Jahr 2017 sehe: Erst verlangt EY zusätzliche Belege, kurz darauf ist bei Wirecard von der Vergabe zusätzlicher Beratungsmandate an das Unternehmen im Wert von mehreren Hunderttausend Euro die Rede. Von Erffa leugnet jedoch eine Verbindung. Schon im Normalbetrieb erhielt EY zwei bis drei Millionen Euro für seine Dienste, sagte der ehemalige Buchhaltungschef.

Fehlende Gelder als Randphänomen dargestellt

Generell beantwortete von Erffa viele der Fragen aus einer Grundhaltung heraus, als habe es zwar Betrug bei Wirecard gegeben – dieser aber nicht systemisch gewesen, sondern nur in Einzelfällen aufgetreten sei. Er stellte die fehlenden Gelder als Randphänomen dar, das sich gesondert aufklären lasse. Dabei waren die fingierten Zahlungen gerade die Hauptquelle für Umsatz und Gewinn.

Von Erffa sprach dennoch davon, in welchen Bereichen der Konzern gewachsen sei – als ob das Wachstum nicht rein auf Betrug basiert hätte. Von der Abgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD) gefragt, wer an dem Betrug schuld sei, verwies er vage auf „die Täter“. Er habe angenommen, Wirecard sei organisatorisch gegen Betrug gut gewappnet gewesen. Dabei hatte zumindest ein Teil des Vorstands, wie heute bekannt ist, einen Großteil seiner Energie auf zwielichtige Geschäfte aufgewandt.

Aufsichtsratschef bringt Kartenhaus zum Einsturz

Während von Erffa einen Innenblick bieten konnte, zugleich aber entsprechend befangen war, sollte der Zeuge Thomas Eichelmann eine neutralere Sichtweise mitbringen: Er war in den letzten Monaten vor dem Zusammenbruch der Aufsichtsratsvorsitzende von Wirecard. Zur Sorgfalt der Arbeit der Buchhaltungsabteilung, die von Erffa geleitet hat, sagte Eichelmann: „Mein Eindruck war vorsichtig ausgedrückt mittelmäßig.“ Es habe Anschuldigungen gegen von Erffa gegeben.

Eichelmann hatte nach seinem Amtsantritt darauf gedrungen, im Unternehmen „auszuräumen“ und eine Sonderkontrolle durch die konkurrierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG angeschoben. Die unabhängigen Prüfer sollten ausschließlich an den Aufsichtsrat berichten. Dieses Vorgehen hat letztlich zum Untergang von Wirecard geführt, weil KMPG innerhalb weniger Monate eindeutige Belege für groß angelegten Betrug zutage gefördert hat. Diese waren Ausgangspunkt für weitere Ermittlungen, die schließlich das Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben.

Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Bundestag hat am 1. Oktober 2020 auf Antrag der Fraktionen der FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses mit den Stimmen der Oppositionsfraktionen bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen beschlossen. Der neunköpfige Ausschuss soll das Verhalten der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden im Zusammenhang mit den Vorkommnissen um den inzwischen insolventen Finanzdienstleister Wirecard untersuchen.

Insbesondere für die nachrichtendienstlichen Aspekte des Untersuchungsauftrags hat der Ausschuss den ehemaligen Berliner Justizsenator und Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland als Ermittlungsbeauftragten nach Paragraf 10 des Untersuchungsausschussgesetzes eingesetzt. Darüber hinaus steht er mit Blick auf den gesamten Untersuchungsauftrag potenziellen Hinweisgebern als Ansprechpartner zur Verfügung (ermittlungsbeauftragter.pa30@bundestag.de). (vom/19.03.2021)

Liste der geladenen Zeugen

  • Stephan Freiherr von Erffa, ehemaliger Leiter des Rechnungswesens der Wirecard AG
  • Thomas Eichelmann, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Wirecard AG
  • Daniel Steinhoff, ehemaliger Leiter der Compliance-Abteilung der Wirecard AG
  • Sandra Schuster, ehemalige persönliche Assistentin des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds der Wirecard AG, Dr. Markus Braun
  • Heike Pauls, ehemalige Analystin der Commerzbank AG

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