Unionsantrag zu Stabilitäts- und Wachstumspakt gescheitert
Die CDU/CSU-Fraktion ist am Freitag, dem 30. September 2022, mit einem Antrag (20/3691) gescheitert, in dem sie die Bundesregierung zur Einhaltung der Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) sowie des Fiskalvertrags aufgefordert hatte. In namentlicher Abstimmung votierten 377 Abgeordnete gegen die Vorlage und 169 dafür. Es gab 66 Enthaltungen.
Die Unionsabgeordneten hatten sich in der Vorlage dafür ausgesprochen, die in den europäischen Verträgen festgelegten Maßstäbe einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eines öffentlichen Defizits von drei Prozent des BIP für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich beizubehalten. Außerdem sprachen sie sich für eine strikte Begrenzung der Flexibilitätsklauseln des SWP, eine schrittweise Rückführung zu hoher Schuldenstände sowie eine deutliche Begrenzung von Ermessensspielräumen beim Defizitverfahren aus. Hintergrund ist die für kommende Woche erwartete Vorstellung neuer Haushalts- und Schuldenregeln durch die Europäische Kommission, der eine dreijährige Debatte vorausgegangen ist.
Union: Künftige Generationen nicht einengen
„Alle Schulden engen den Gestaltungsspielraum künftiger Generationen ein“, warnte Patricia Lips (CDU/CSU) in der rund 70-minütigen, von vielen Zwischenrufen begleiteten Debatte. Die im Zuge der Corona-Pandemie vollzogene Aktivierung der Ausweichklausel, die kreditfinanzierte Hilfen ermöglicht habe, sei einmalig richtig gewesen und zugeschnitten auf die Anforderungen der Pandemie.
Jetzt aber brauche es neue Antworten auf neue Herausforderungen. „Es kann nicht sein, dass die Ausnahme dauerhaft die Regel bestimmt. Erst Stabilität schafft Vertrauen“, betonte Lips.
AfD: Zielsetzung der Union in EU nicht durchsetzbar
Albrecht Glaser (AfD) bezeichnete die Zielsetzung des Antrags als richtig. Allerdings sei sie in der EU nicht durchsetzbar. „Und wenn, dann würde sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht daran halten“, so sein Urteil. Schon vor Corona habe die Schuldenquote in der EU mit 84 Prozent weit über den Maastricht-Kriterien gelegen, in Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien sei sie seit Jahren noch deutlich höher.
„Der Widerspruch von Vertragsverpflichtungen einerseits und dem Handeln von Regierungen und Staaten andererseits ist der rote Faden der Schuldenpolitik“, kritisierte Glaser.
FDP kritisiert Antrag als „wenig konkret“
Auch in den Reihen der FDP stieß die Unionsvorlage auf Sympathie. Eine Reform der europäischen Haushalts- und Schuldenregeln sei notwendig, befand Dr. Thorsten Lieb. „Die Sorge um die Wirtschafts- und Währungsunion verbindet uns.“ Deutschland sah er in einer besonderen Verantwortung, die Regeln einzuhalten.
Wenn die EU bei Stabilität und Schuldenbremse bleibe, habe dies auch inflationsdämpfende Wirkungen. Der Union warf Lieb vor, entgegen ihren Forderungen im Antrag in den Haushaltsberatungen immer höhere Mehrausgaben zu wünschen. Die „sehr puristische“ Vorlage enthalte außerdem wenig konkrete Vorschläge zur Reform der Regeln.
SPD: Nicht den Lehrmeister in Europa spielen
Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke warfen dem Unionsantrag vor, aus der Zeit gefallen zu sein. „Die aktuelle Krise ist bestimmt nicht kleiner als die im März 2020, als die Ausnahmeregel das erste Mal gemacht wurde“, betonte Bettina Hagedorn (SPD).
„Es war damals richtig und ist heute auch richtig, Solidarität in Europa zu zeigen.“ Deutschland dürfte nicht wieder anfangen, wie der frühere CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble „Lehrmeister auf europäischer Ebene zu spielen“.
Grüne: In resiliente Energieversorgung investieren
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) stellte klar, der Rahmen müsse sich an den Herausforderungen der Zeit ausrichten. Deutschland müsse jetzt in eine resiliente Energieversorgung investieren, „mit der uns kein Autokrat der Welt erpressen kann“.
Kredite könnten die Konjunktur stabilisieren und verhindern, dass reihenweise Unternehmen und Jobs verloren gingen. „Die aktuelle angebotsgetriebene Inflation können wir nicht einfach totsparen“, befand Schäfer. „Ein Staatshaushalt, der sich in dieser Krise selbst die Luft abschneidet, wird sich selbst ersticken.“
Linke: Es droht eine beispiellose Armutsspirale
Nach Ansicht von Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) herrscht in Europa gerade die „größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“. Es drohe eine beispiellose Armutsspirale. Statt auf starre Fiskalregeln zu setzen, brauche Europa Solidarität und ein „echtes Konjunkturprogramm“.
Der Union warf Lötzsch vor, aus dem Umgang mit Griechenland im Zuge der griechischen Staatsschuldenkriese ab 2010 nichts gelernt zu haben und die „Schuldenunion“ als ideologischen Kampfbegriff zu gebrauchen.
Antrag der Union
Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, die Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und des Fiskalvertrags zügig wieder in Kraft zu setzen und im Sinne einer nachhaltigen Haushaltspolitik weiterzuentwickeln. Dabei sollten die in den europäischen Verträgen festgelegten Maßstäbe einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einem öffentlichen Defizit von drei Prozent des BIP weiterhin für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich sein, betonen die Abgeordneten. Sie sprechen sich für eine strikte Begrenzung der Flexibilitätsklauseln des SWP, eine schrittweise Rückführung zu hoher Schuldenstände sowie eine deutliche Begrenzung von Ermessensspielräumen beim Defizitverfahren aus.
In der Begründung bezeichnen die Abgeordneten finanzielle Nachhaltigkeit als einen „Grundpfeiler erfolgreicher und verantwortungsvoller Politik“. Eine dauerhafte Schuldenpolitik schränke nicht nur die Handlungsspielräume künftiger Generationen ein, sondern verhindere letztlich auch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Darum seien die klare Definition und konsequente Anwendung von Schuldenbremsen unverzichtbare Voraussetzungen für die Stabilität des Euro und damit des Wohlstands in der EU. Die Unionsfraktion verweist darauf, dass der SWP bereits seit fast vier Jahren außer Kraft gesetzt sei. Es gelte jetzt, „vom Krisen- in den Regelmodus zurückzufinden und die vereinbarten Regeln wieder in Kraft zu setzen“. (joh/30.09.2022)