Geschichte

Ausstellung „Sechzehn Ob­jekte – Siebzig Jahre Yad Vashem“ eröffnet

„Die Leute haben gedacht, uns kann nichts passieren. Wir sind doch Deutsche.“ So erinnert sich Lore Mayerfeld bei der Eröffnung der Ausstellung „Sechzehn Objekte – Siebzig Jahre Yad Vashem“ am Dienstag, 24. Januar 2023, im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages zum diesjährigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus an die Zeit, kurz bevor sie mit ihrer Familie auf einem der letzten Schiffe 1941 von Portugal in die USA fliehen kann. Dort wartet schon ihr Vater, der wusste, dass die Deutschen, die jüdischen Glaubens waren, keinesfalls sicher waren vor dem Hass und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, und sich bemühte, seine Familie zu sich zu holen.

Sechs Personen stehen neben einer Vitrine, in der eine Puppe sitzt

Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel (v.l.), Ruth Ur, Geschäftsführerin Freundeskreis Yad Vashem e.V., Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Lore Mayerfeld, Dani Dayan, Vorstandsvorsitzender von Yad Vashem, Kai Diekmann, Vorsitzender Freundeskreis Yad Vashem e.V., stehen neben der ausgestellten Puppe im Paul-Löbe-Haus (DBT/Marco Urban)

Zum Abschied aus Deutschland bekam die damals vierjährige Lore von ihrer Großmutter eine Puppe geschenkt, Inge sollte sie heißen und viele Jahrzehnte später in Yad Vashem zu den Gegenständen gehören, die von dem zeugen, was Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus und im Holocaust erleiden mussten. Jetzt ist die Puppe Inge neben 15 anderen Objekten nach Deutschland zurückgekehrt, um den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung im Bundestag die Geschichten von 16 Menschen näherzubringen, die in Deutschland gelebt haben und von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. 

Dayan: Die Gegenstände müssen die Geschichten erzählen

Weil immer weniger Überlebende von dem berichten könnten, was ihnen widerfahren sei, müssten Gegenstände die Geschichten erzählen, erklärte Dani Dayan, der die Ausstellung als Vorsitzender der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit ermöglicht hat: „Die Gegenstände sind die Zeugen und finden Widerhall in den Herzen anständiger Menschen, die sich um Wahrheit und Gerechtigkeit bemühen.“ Er selbst habe bis vor 16 Monaten beabsichtigt, nie nach Deutschland zu kommen. „Nicht aus Hass“, betonte Dayan, „sondern aus Respekt vor meinen sechs Millionen Brüdern und Schwestern, die in Deutschland ermordet wurden.“

Bas: Das Bewusstsein für das Leid der Opfer wachhalten

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas betonte, dass sie wisse, dass ihm der Besuch in Deutschland nicht leicht gefallen sei, und sie dies als besondere Geste und große Ehre empfinde. Dass Yad Vashem den Mut habe, diese Objekte hierher zu bringen, erfülle sie mit Demut, sagte Bas. „Die meisten Gegenstände sind mit der Flucht oder dem Dasein in Ghetto und Lager verbunden: Sie erzählen uns, wie ihre Besitzerinnen und Besitzer unter unmenschlichsten Bedingungen ihren Alltag gestalteten und ihre Würde verteidigten.“ Ihr mache es große Sorgen, dass der Ruf nach einem Schlussstrich unter die deutsche Geschichte, der zwar nie verschwunden gewesen sei, seit einigen Jahren wieder lauter werde. Aber es stimmte sie auch zuversichtlich, dass gerade jungen Menschen sich mit dem Holocaust beschäftigen wollten. „Das Bewusstsein für das Leid der Opfer muss wachgehalten werden“, erklärte die Bundestagspräsidentin.

Ur: Objekte sollen an ihre Ursprungsorte reisen

Ruth Ur, Kuratorin der Ausstellung und Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem, berichtete, wie sie und andere gespannt auf die Kisten gewartet hätten, in denen die Objekte aus Israel nach Deutschland gebracht worden seien. Sie sei sich sicher, dass das Interesse an der Ausstellung beim Vorbeilaufen geweckt werde und empfinde beispielsweise das Foto, das den Chanukka-Leuchter und das Hakenkreuz zeige, als überwältigend, vor allem wenn man wisse, was dann, was nach der Fotoaufnahme geschehen sei. Für sie habe sich mit der Ausstellung ein Traum erfüllt, sagte Ur, aber sie habe auch einen neuen Traum: Dass die Objekte an ihre Ursprungsorte in die 16 Bundesländer reisen, aus denen sie stammen, und die Menschen dort die Möglichkeit bekommen, sie zu sehen und die mit ihnen verbundenen Geschichten zu erfahren. „Es sind ganz normale Gegenstände aus Deutschland, aber sie erreichen das Herz“, so Ur, die sich darüber freuen konnte, dass die Bundestagspräsidentin versicherte, dass man alles dafür tue, dass dieser zweite Traum in Erfüllung gehen werde. (nt/24.01.2023)

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