Vereinbarte Debatte

Bundestag erinnert an den Volksaufstand in der DDR im Juni 1953

Bei einer Vereinbarten Debatte aus Anlass des Nationalen Gedenktages an den Volksaufstand in der DDR von 1953 hat der Bundestag am Mittwoch, 4. Juni 2025, der mindestens 55 getöteten sowie der vielen verletzten und verhafteten Ostdeutschen gedacht. Gleichzeitig wurden von mehreren Fraktionen Defizite bei der Erinnerungskultur und fehlende Denkmäler für die Opfer kritisiert. Der Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, schlug einen Bogen vom Volksaufstand am 17. Juli 1953 zum heutigen Kampf der Ukraine für die Freiheit. 

Staatsminister: Wir würdigen Hunderttausende mutige Ostdeutsche

„Wir würdigen in erster Linie Hunderttausende mutige Ostdeutsche, die sich einer brutalen SED-Diktatur entgegenstellten“, sagte Weimer. Die Niederschlagung des Aufstandes am 17. Juli habe tiefe Narben hinterlassen. Die tiefste habe sich Jahre später mit Wachtürmen und Todesstreifen längs durch Deutschland gezogen, als Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit, zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Rechtsstaat und Unrechtstaat. 

Genau diese Grenze gebe es heute wieder – in der Ukraine. Freiheitskämpfe, so Weimer, verdienten nicht erst dann Respekt, wenn sie erfolgreich und vergangen sind, „sondern dann, wenn sie stattfinden“. Die Ukrainer verteidigten das Ideal der Freiheit und seien bereit, dafür zu sterben, sagte er. 

AfD: Hoffnung von 1953 erfüllte sich 1989

Anlass für die Unruhen seinerzeit seien zuerst Preiserhöhungen und maßlose Steigerungen der Arbeitsnormen durch die DDR-Führung gewesen, sagte Dr. Götz Frömming (AfD). Gefordert worden bei den Demonstrationen seien aber auch Meinungsfreiheit und freie Wahlen sowie die deutsche Wiedervereinigung. „Am 9. November 1989 erfüllte sich die Hoffnung des 17. Juni 1953“, sagte Frömming. 

Auf die „Befreiung von der kommunistischen Knechtschaft“ könne man stolz sein. Während aber in anderen Ländern „den Männern des 17. Juni und des 9. November große Denkmäler errichtet worden wären“, herrsche in Deutschland Fehlanzeige, beklagte er. Das sei eine Schande. Die Lehre aus dem 17. Juni 1953 sei: „Nie wieder Sozialismus.“

SPD: Erinnerungskultur zu oft ritualisiert

Holger Mann (SPD) erinnerte an die Situation in seiner Heimatstadt Leipzig rund um den 17. Juni 1953. SED-Chef Walter Ulbricht habe mit viele Pomp seinen 60. Geburtstag feiern wollen. Um Geld dafür zur Verfügung zu haben, seien die Sozialleistungen gekürzt worden, woraufhin die Stimmung in der Bevölkerung gekippt sei. „Statt Ulbrichts Ehrung forderten viele Leipziger seine Absetzung“, so Mann. Mehr als 40.000 Menschen hätten schon damals offen demonstriert. 

In der Folge seien sowjetische Truppen eingerückt, die Polizei habe an mehreren Stellen das Feuer eröffnet. Mann nannte es notwendig, an das geschehene Unrecht und den repressiven Charakter der DDR zu erinnern. Man müsse aber nachdenken, wie das gelingen kann, wenn künftig Zeitzeugen fehlen und fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung mit dem 17. Juni 1953 nichts mehr verbinden könne. 

„Unsere Erinnerungskultur ist zu oft ritualisiert“, befand der SPD-Abgeordnete. Daher müsse man offen sein für neue Formen des Gedenkens – auch mit Hilfe der sozialen Medien. 

Grüne: Diese Namen muss man kennen

Man müsse den Opfern Namen geben, forderte Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen). Sie nannte Rudi Schwander, 14 Jahre alt, der in Berlin erschossen wurde. Dieter Teich sei der erste Tote in Leipzig gewesen, Alfred Diener in Jena standrechtlich erschossen worden. Letzterer habe einen Tag danach heiraten wollen, so Piechotta. Diese Namen müsse man kennen. 

Je mehr man darüber rede, desto weniger könne Geschichtsklitterung betrieben werden. Dass diese Geschichtsklitterung überhaupt noch möglich sei, habe auch damit zu tun, dass Erinnerungs- und Aufarbeitungsorte, wie etwa die geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmale in Berlin und Leipzig, „immer noch nicht da sind“. 

Linke: Moskau gegen Verbindung von Sozialismus und Demokratie

Dr. Gregor Gysi (Die Linke) erinnerte an einen Vorschlag des sowjetischen Staatschefs Stalin, gesamtdeutsche geheime Wahlen durchzuführen. Bedingung dafür sei gewesen, „dass dieses Deutschland so neutral wird, wie es Österreich geworden ist“. Bundeskanzler Adenauer habe das aber sofort abgelehnt, „weil ihm die Westintegration wichtiger war als die Einheit“. 

Möglicherweise, so Gysi, hätte es dann den 17. Juni gar nicht gegeben. So aber sei der 17. Juni 1953 der Anfang einer Reihe von Ereignissen in den staatssozialistischen Ländern gewesen, in denen die sowjetische Führung und die ihnen untergeordneten Führungen der jeweiligen Länder deutlich gemacht hätten, dass sie keine Abstriche am staatssozialistischen Modell zulassen und dies auch mit Waffengewalt durchsetzen. In Moskau sei entschieden worden, die Versuche, Sozialismus und Demokratie zu verbinden, zu unterbinden, sagte Gysi. 

CDU/CSU: Sozialismus tötet

Mehr als eine Million Menschen, so Sepp Müller (CDU/CSU), hätten sich damals „gegen die Lüge einer sozialistischen Demokratie“ versammelt. „Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht des Volkes Wille“ sei auf den Straßen zu hören gewesen, was auf den SED-Chef Ulbricht gemünzt war. 

Am Ende dieses Tages habe es mehr als 50 Tote und Tausende Inhaftierte gegeben. „Damals wie heute gilt: Sozialismus tötet“, sagte Müller. (hau/04.06.2025)