Dr. Herta Ilk
Die Juristin war Gründungsmitglied der FDP in Bayern und Mitglied des FDP-Bundesvorstands. Als Expertin für Gleichberechtigungs- und Frauenfragen gehörte sie bis 1957 dem Bundestag an.
Herta Ilk ahnt bereits, was bevorsteht, als sie am 30. Juni 1949 an der Sitzung des FDP-Hauptausschusses in Frankfurt am Main teilnimmt, bei der auch die Frage der Kandidatur der Frauen für die anstehende Bundestagswahl behandelt wird. In mehreren Landesverbänden sind keine Frauen aufgestellt worden oder sie haben nur wenig aussichtsreiche Listenplätze bekommen. Eine Kollegin stellt die Frage: „Inwieweit werden die Frauen von der FDP ernst genommen?“ Herta Ilk weist darauf hin, dass schließlich im künftigen Parlament „ein der neuzeitlichen Stellung der Frau angepasstes Recht“ gegen sozialistische auf der einen und kirchliche Vorstellungen auf der anderen Seite erkämpft werden müsse. Es entspinnt sich eine rege Diskussion, bei der die Männer in der Fraktion ihre Vorbehalte deutlich äußern: Die Frauen hätten doch keine Zeit für Politik, außerdem gebe es nur wenige, die „die schwere parlamentarische Arbeit auch wirklich leisten könnten“. Zudem seien sogar die meisten weiblichen Wählerinnen gegen „politisierende Frauen“. Als die FDP nach der Bundestagswahl am 14. August 1949 mit 52 Abgeordneten in das Parlament einzieht, findet sich darunter keine Frau. Die erfahrene FDP-Politikerin Marie-Elisabeth Lüders schreibt Ilk kurz darauf: „Dass man Sie zugunsten eines sogenannten ‚prominenten Mannes‘ nicht nimmt, bestätigt nur die alte leidige Erfahrung. Ich gebe trotzdem die Hoffnung noch nicht auf.“ Sie behält recht, nach nur knapp drei Monaten rückt Ilk für den verstorbenen Fritz Linnert in den Bundestag nach. Später ziehen mit Margarete Hütter und Friederike Mulert noch zwei weitere Frauen für die FDP in das Parlament ein.
Über die Kindheit Herta Ilks ist wenig bekannt. Sie wurde am 9. September 1902 als Herta Gerdessen im schlesischen Brieg nahe Breslau als Tochter eines Beamten geboren. Nach der Schule studiert sie Jura an der Universität Breslau und promoviert – Ende der zwanziger Jahre für eine Frau noch etwas Besonderes – mit einem damals für Frauen hochaktuellen Thema zum Heimarbeitergesetz: „Die zivilrechtliche Stellung des Zwischenmeisters“. Mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen 1919 hatte sie sich gleich zu Beginn der Weimarer Republik der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angeschlossen. 1929 heiratete sie den Staatsanwalt Wilhelm Ilk und gab ihre Berufstätigkeit auf. Ehrenamtlich arbeitete sie als juristische Beraterin in der Jugendfürsorge und beim Roten Kreuz. Ende 1930 wurde der Sohn Franz Hugo geboren, doch er starb am Tag seiner Geburt. Die Ehe blieb fortan kinderlos.
1933 wurde ihr Ehemann, der ebenfalls der DDP angehört, von den Nationalsozialisten aus politischen Gründen von seinem Dienst suspendiert. Das Paar siedelte nach Augsburg über, wo ihr Mann eine neue Stellung in einem Unternehmen fand. Herta Ilk arbeitete als Sekretärin bei der Deutschen Bank.
Gleich zu Kriegsende nimmt sie ihr politisches Engagement wieder auf und gehört zu den Gründungsmitgliedern der bayrischen FDP. Von 1948 bis 1953 sitzt sie im Landesvorstand und von 1950 bis 1964 auch im Bundesvorstand. Schnell entwickelt sie sich in der Fraktion zu einer Expertin für Gleichberechtigungs- und Frauenfragen.
Bereits bei den Beratungen zum Grundgesetz im Parlamentarischen Rat 1948, in den die FDP vier männliche Delegierte entsandt hatte, nimmt sie gemeinsam mit weiteren FDP-Frauen von außen über Protestschreiben und Eingaben Einfluss auf die Verhandlungen zum Gleichberechtigungsparagrafen. Die FDP-Delegierten hatten dort zunächst gegen den von der SPD vorgeschlagenen Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ votiert. Nach weiteren Protesten, auch von Frauenverbänden, stimmen sie in der entscheidenden Sitzung des Hauptausschusses im Februar 1949 schließlich dafür.
Als es im ersten Deutschen Bundestag um die Umsetzung des Gleichberechtigungsparagrafen und die Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch geht, kämpft Herta Ilk als Mitglied im Unterausschuss Familienrecht gegen die Verzögerungstaktik nicht nur der Abgeordneten aus der CDU/CSU-Fraktion, sondern nicht weniger Mitglieder ihrer eigenen Fraktion. Auch wenn sie nach einiger Überzeugungsarbeit immerhin den FDP-Justizminister Thomas Dehler auf ihre Seite ziehen kann, bleibt es dennoch ein zäher und langer Kampf gegen den Widerstand innerhalb der Regierungskoalition. In einer Sitzung des FDP-Bundesfrauenausschusses im April 1953 berichtet Herta Ilk von ihren frustrierenden Erfahrungen im Ausschuss: „Es war erschütternd, mit welcher Unlust man an die Dinge heranging.“ Und in einem Brief an Marie-Elisabeth Lüders schreibt sie: „Ich will den Kampf nicht aufgeben, aber wir sind zwei Frauen und 50 Männer stehen gegen uns!“
Herta Ilk beweist Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen: Als der zweite Deutsche Bundestag sich 1957 schließlich für das Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in familiären Angelegenheiten ausspricht, unterstützt sie – die letztlich erfolgreiche – Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
In den dritten Bundestag zieht sie danach nicht wieder ein. Doch bis an ihr Lebensende bleibt sie politisch aktiv und prägt nicht nur den FDP-Kreisverband, sondern wird im Augsburger Stadtrat zum „Gesicht“ der FDP. Kurz vor Vollendung ihres 70. Lebensjahres stirbt die gebürtige Schlesierin in ihrer bayrischen Wahlheimat.
(nw)
Der Text ist entnommen aus dem Buch „Der nächste Redner ist eine Dame“, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, erschienen im Ch. Links Verlag, 2024.
Zum Weiterlesen:
Wolther von Kiederitzky: Herta Ilk: Streiten für die Gleichberechtigung. Friedrich Naumann Stiftung 2022. www.freiheit.org/de/deutschland/herta-ilk-streiten-fuer-die-gleichberechtigung.
Sylvia Heinemann: „Frauenfragen sind Menschheitsfragen.“ Die Frauenpolitik der Freien Demokratinnen von 1945 bis 1963. Sulzbach/Taunus 2012.