Pressemitteilung der SED-Opferbeauftragten: Zupke: „Der Bundestag stellt die Unterstützung der Opfer der SED-Diktatur auf ein neues Fundament“
Zu dem für heute Abend im Bundestag vorgesehenen Beschluss eines Gesetzespakets zur besseren Unterstützung für die Opfer von politischer Verfolgung in der DDR (geplant: 20.45 Uhr) erklärt die SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag:
„Der Schatten der SED-Diktatur reicht weit. Noch heute leiden die Opfer unter den Folgen der erlebten Repression. Mit dem heutigen Beschluss setzt der Bundestag ein Zeichen für all die Menschen, die in der Diktatur Widerspruch übten. Die spürbaren Verbesserungen helfen den Opfern ganz konkret in ihrem Alltag. Gleichzeitig ist die heutige Entscheidung Ausdruck der großen Wertschätzung des Parlaments für die Lebensleistung dieser Menschen. Gerade jetzt, im 35. Jahr der Deutschen Einheit.“
Das Gesetzespaket ist eine gemeinsame Initiative der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.
Zupke: „Dass Abgeordnete aus vier unterschiedlichen Fraktionen, Abgeordnete aus Ost- und Westdeutschland, ostdeutsche Abgeordnete, die die Diktatur selbst erlebt haben oder nach dem Ende der DDR geboren wurden, gemeinsam mit Abgeordneten aus Westdeutschland einen solchen Beschluss für die Opfer der SED-Diktatur auf den Weg bringen, diese besondere Verantwortung im Umgang mit unserer Geschichte ist für mich gelebte deutsche Einheit. Dafür bin ich dem Parlament ganz persönlich als Opferbeauftragte, aber auch im Namen der tausenden Betroffenen, unendlich dankbar.“
Das Gesetzespaket umfasst eine Reihe von weitreichenden Verbesserungen für die Opfer von politischer Verfolgung in der DDR. Hierzu gehört eine Erhöhung der Opferrente von monatlich bisher 330 auf 400 € mit einer anschließenden Dynamisierung der Leistung. Gleichzeitig ist die Opferrente zukünftig nicht mehr an die Bedürftigkeit gekoppelt und wird so zur Ehrenpension. Ebenso ist eine deutliche Erhöhung der Ausgleichsleistung für beruflich Verfolgte bei gleichzeitigem Verzicht auf Anrechnung von Partnereinkommen und dem Verzicht auf Absenkung der Leistung bei Renteneintritt vorgesehen. Zudem wird die Dauer der Verfolgungszeit bei beruflich Verfolgten von bisher drei auf zukünftig zwei Jahre verkürzt und somit mehr Betroffenen Zugang zu regelmäßigen Leistungen ermöglicht.
Zupke: „Viele Opfer von politischer Verfolgung in der DDR leben heute an der Grenze zur Armutsgefährdung. Mit den weitreichenden Gesetzesänderungen wird ein ganz wesentlicher Beitrag dazu geleistet, die soziale Lage der Opfer zu stabilisieren und ihnen insbesondere auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“
Darüber hinaus führt der Deutsche Bundestag eine grundlegend neue Regelung zur Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden außerhalb des üblichen sozialen Entschädigungsrechts ein. Künftig wird beim Vorliegen definierter Krankheitsbilder, wie einer Angststörung oder Posttraumatischen Belastungsstörung, und einer nachgewiesenen Repressionserfahrung, wie politischer Haft oder Zersetzung, der ursächliche Zusammenhang als gegeben vorausgesetzt und Zugang zu Leistungen gewährt. Bisher scheiterte die breite Mehrheit der Opfer beim Nachweis des Zusammenhangs.
Zupke: „Die Erfahrung von Unrecht und politischer Gewalt in der DDR ist keine Episode im Leben eines Menschen, nach der er auf seinen normalen Lebensweg zurückkehrt. Die gesundheitlichen Folgen begleiten viele Betroffene durch ihr gesamtes Leben. Mit dieser auf die besondere Situation der Betroffenen zugeschnittenen Regelung sorgt der Bundestag endlich für mehr Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur.“
Zudem sieht das Gesetzespaket vor, dass Personen, die außerhalb der DDR von Zersetzungsmaßnahmen der Staatssicherheit betroffen waren, als Opfer anerkannt werden und Zugang zu Leistungen erhalten.
Für die Opfer von Zwangsaussiedlung aus dem früheren Gebiet der innerdeutschen Grenze der DDR ist ein gesetzlicher Anspruch auf eine Einmalzahlung in Höhe von 7.500 € vorgesehen.
Zupke: „Das Leid der Zwangsausgesiedelten zeigt uns, wie weitreichend die Folgen von Vertreibung im Leben der Betroffenen sind. Gerade weil die Rückführung des entzogenen Eigentums in viel zu wenig Fällen zum Erfolg führte, ist es ein wichtiges Signal, dass der Bundestag das Verfolgungsschicksal der Betroffenen in besonderer Weise würdigt.“
Mit der Verabschiedung des Gesetzespaketes macht der Bundestag auch den Weg für die Einrichtung des bundesweiten Härtefallfonds für die SED-Opfer frei. Mit dem Beschluss des Gesetzes können nun neben den Bundesmitteln auch die
6 Millionen Euro, die IKEA zur Verfügung gestellt hat, den Betroffenen zugutekommen.
Zupke: „Die Auseinandersetzung mit den Folgen der SED-Diktatur ist keine ostdeutsche Angelegenheit. Die Opfer der politischen Verfolgung in der DDR leben in ganz Deutschland. Mit dem bundesweiten Härtefallfonds werden wir daher unserer gesamtdeutschen Verantwortung, wohnortunabhängig, gegenüber den Betroffenen in besondere Weise gerecht.“
Neben der Verabschiedung des Gesetzespakets fasst der Bundestag heute auch einen Beschluss zur Lage der Geschädigten des staatlich organisierten Dopingsystems der DDR. Mit dem Beschluss beauftragt das Parlament die SED-Opferbeauftragte, dem Bundestag einen Bericht vorzulegen, der speziell aktuelle Ergebnisse der Forschung zu den gesundheitlichen Langzeitfolgen darstellt, Handlungsempfehlungen aufzeigt und ihm als Grundlage für eine Entscheidung zur besseren Unterstützung der Opfer des DDR-Zwangsdopings in der 21. Wahlperiode dienen soll.
Zupke: „Unser Blick fällt viel zu häufig nur auf die Olympiasieger. Das DDR-Sportsystem hat jedoch eben nicht nur Medaillen und Weltmeister produziert. Das DDR-Sportsystem ist ebenso verantwortlich für tausende Menschen, die bis heute an den körperlichen und seelischen Folgen des Zwangsdopings leiden. Ich bin dankbar, dass der Bundestag hier weiter an geeigneten Instrumenten zur Unterstützung arbeiten will. Diesen Weg werde ich als Opferbeauftragte begleiten.“