Bundestag berät über Verbesserungen für die SED-Opfer
Am 26. September beriet der Deutsche Bundestag im Beisein der SED-Opferbeauftragten erstmals über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Lage der Opfer von politischer Verfolgung in der DDR.
Ausgangspunkt für den Gesetzentwurf war der Koalitionsvertrag, der im Einvernehmen mit den Ländern Vereinfachungen bei der Beantragung und Bewilligung von Hilfen und Leistungen für Opfer der SED-Diktatur, insbesondere für gesundheitliche Folgeschäden, vorsieht. Zudem kündigt der Koalitionsvertrag eine Anpassung der Definition der Opfergruppen an die Forschung, eine Dynamisierung der SED-Opferrente sowie die Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds an.
Der Gesetzentwurf, der vom Parlamentarischen Staatssekretär Benjamin Strasser vorgestellt wurde, umfasst im Wesentlichen neben der Dynamisierung der Opferrente und der Ausgleichsleistung für beruflich Verfolgte, den Verzicht auf Absenkung der entsprechenden Leistung bei Renteneintritt, eine Einmalzahlung für die Opfer der Zwangsaussiedlungen und die Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds.
Neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung lagen dem Parlament zwei Anträge der AfD-Fraktion zur Beratung vor.
In der Debatte würdigten die Abgeordneten fraktionsübergreifend die besonderen Leistungen der Menschen, die in der DDR Widerstand übten und Opfer politischer Gewalt wurden. Kritik erhielt der Gesetzentwurf sowohl von der Opposition als auch aus den Reihen der Regierungsfraktionen.
Für die CDU/CSU-Fraktion stellte der Abgeordnete Carsten Müller zu Beginn der Debatte heraus, dass „im Grundsatz einiges in die richtige Richtung ginge, aber vieles hinter dem erforderlichen oder dem Erwartbaren zurückbleibt“. Als positive Punkte benannte er die Einrichtung des Härtefallfonds und die Dynamisierung der Opferrente. Es fehlen jedoch, aus seiner Sicht, hinreichende Verbesserungen bei der Anerkennung von gesundheitlichen Folgeschäden. Hierzu und zu weiteren Punkten habe seine Fraktion im letzten Jahr dem Bundestag einen Antrag vorgelegt. Seine Fraktion fordere zudem eine vollständige Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung bei der Opferrente. „Bedürftigkeit und Ausgleich für erlittenes Unrecht haben überhaupt nichts miteinander zu tun und es darf auch nicht verquickt werden“, so Müller. Ebenso setzt man sich für eine Witwenrente bei der Opferrente ein und für eine Erhöhung der geplanten Einmalzahlung für die Opfer von Zwangsaussiedlung. Gleichzeitig brauche es in diesem oder einem anderen Gesetz, so Müller, eine Lösung für eine Unterstützung der Opfer des DDR-Zwangsdopingsystems.
Für die SPD-Fraktion verwies der Abgeordnete Jan Plobner auf die Verbesserungen, die der Gesetzentwurf enthält. Zugleich sehe er die Notwendigkeit für weitere Anpassungen. Schon vor eineinhalb Jahren habe die SPD-Fraktion weitreichende Forderungen aufgestellt, von denen man auch jetzt nicht abweichen wolle, so Plobner. Dies betreffe insbesondere verbesserter Regelungen zur Vermutung von gesundheitlichen Folgeschäden, die ausgebliebene Anpassung der Opfergruppen und das Fehlen eines Zweitantragsrechts. Plobner verwies darauf, dass insbesondere bei der Anerkennung der Gesundheitsschäden sich die ostdeutschen Länder für Vereinfachungen über alle Parteigrenzen hinweg gegenüber dem Bund eingesetzt haben. „Wir können und sollten hier nicht über dieses klare Signal aus Ostdeutschland hinwegsehen.“ so Plobner in seiner Rede. Bezogen auf die geplante Dynamisierung der Opferrente, bei der für Sommer 2025, fünf Jahre nach der letzten Erhöhung, ausgehend von der jährlichen Rentenanpassung eine Veränderung vorgesehen ist, verwies Plobner auf die Rentenansprüche der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter. Für diese habe der Bund für das kommende Jahr über 500 Mio. € eingeplant. Vor diesem Hintergrund sei den Opfern nicht mitteilbar, dass eine Erhöhung des Sockelbetrages der Opferrente nicht möglich sei.
Der Redner der AfD-Fraktion Götz Frömming stellte die Inhalte der von seiner Fraktion vorgelegten Anträge vor, die insbesondere höhere Leistungen für die Betroffenen fordern. Hierzu gehöre eine deutliche Erhöhung der Opferrente, des Einmalbetrags für die Zwangsausgesiedelten und eine deutliche Aufstockung des Volumens des Härtefallfonds. Zudem forderte Frömming in seiner Rede eine Beweislastumkehr bei der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden.
Für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen dankte Helge Limburg für den vorliegenden Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung einen weiteren Schritt in der Verbesserung der Unterstützung der Opfer gehe. Hierzu gehöre insbesondere der bundesweite Härtefallfonds, da sich in der Praxis zeige, dass die bestehenden Entschädigungsregelungen nicht für jeden Einzelfall ausreiche. Hier ziehe der Bund gegenüber den ostdeutschen Ländern, die schon länger Härtefallfonds haben, nach. Gleichzeitig forderte Limburg weitere Verbesserung am vorliegenden Gesetzentwurf. Dies betrifft insbesondere die Anerkennung von gesundheitlichen Folgeschäden. Hier sehe er Regelungen im Soldatengesetz, deren Übertragung auf die SED-Opfer geprüft werden sollten. Ebenso brauche es geeignete Lösungen für die Opfer des DDR-Zwangsdopings. Zudem sei es auch aus Sicht der grünen Bundestagsfraktion notwendig, die Höhe des vorgesehenen Betrags für die Opfer der Zwangsaussiedlung zu prüfen.
Zum Abschluss der Debatte schätzte die Abgeordnete Katrin Budde als Rednerin für die SPD-Fraktion, den Gesetzentwurf als „absolut unzureichend“ ein. Sie verwies hier auf die Gesetzentwürfe in den vorangegangenen Legislaturperioden, die unabhängig der jeweiligen Regierungskoalitionen, ebenso defizitär waren und im parlamentarischen Verfahren angepasst wurden. Positiv am Entwurf sei aus Sicht Buddes, die Einmalzahlung für die Opfer der Zwangsaussiedlung, die jedoch in ihrer Höhe „viel zu wenig“ sei. Gut sei zudem die Dynamisierung der Opferrente und der Ausgleichsleistung für beruflich Verfolgte, die in ihrer Formulierung jedoch „halbherzig“ seien. Sie verwies hier auf die Beschlüsse der Ausschüsse des Bundesrates, die einen Verzicht auf eine Kopplung an eine Bedürftigkeit der Betroffenen vorsehen. Im Gesetzentwurf fehle insbesondere, so Budde, die Möglichkeit des Zweitantragsrechts, welches „elementar wichtig“ für die Betroffenen sei. Bei den Gesundheitsschäden fehle die kriterienbasierte Vermutungsregelung, da die aktuellen gesetzlichen Regelungen „nicht ausreichend“ seien.
Für die SED-Opferbeauftragte hat die erste Beratung im Plenum des Bundestags Signalwirkung. Auch sie sieht positive Aspekte im Gesetzentwurf, wie beispielsweise die Dynamisierung der Opferrente und die Einrichtung des bundesweiten Härtefallfonds. Sie ist dankbar, dass die Abgeordneten in der Debatte viele der von ihr dem Parlament in ihren Jahres- und Sonderberichten vorgelegten Verbesserungsvorschläge, die sie in den letzten Jahren gemeinsam mit den Landesbeauftragten, Opferverbänden und wissenschaftlichen Einrichtungen erarbeitet hatte, aufgegriffen haben. Hierzu gehören insbesondere die Implementierung einer kriterienbasierten Vermutungsregelung bei den Verfahren zur Anerkennung der verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden, die Erhöhung der Opferrente, eine angemessene Ausgestaltung der Einmalzahlung für Zwangsausgesiedelte, die Ergänzung eines Zweitantragsrechts und die Schaffung einer geeigneten Unterstützung für die Opfer des DDR-Zwangsdopings.
Der Gesetzentwurf wurde in den Rechtsausschuss überwiesen, in dem in den kommenden Monaten weitere Beratungen folgen werden.