Kolumne der Wehrbeauftragten - Juni 2023
Liebe Soldatin, lieber Soldat,
es gibt Themen, die auf der ganz großen politischen Bühne spielen, wie die Zeitenwende und das Sondervermögen. Es gibt jedoch auch Themen abseits des Rampenlichts, die unsere Soldatinnen und Soldaten mindestens genau so sehr, wenn nicht gar noch mehr, bewegen. Eines davon: Wohnen in und außerhalb der Kaserne.
Für Unter-25-Jährige besteht eine Unterkunftspflicht. Sie haben Stube, Bett und Nasszelle in der Kaserne. Alle anderen, und das ist die überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten, müssen außerhalb der Kaserne unterkommen. Das macht die Bundeswehr zu einer Pendlerarmee. Wer in Kasernennähe beheimatet ist, pendelt täglich. Bei weiteren Entfernungen wird eine Zweitwohnung in Kasernennähe gesucht und am Wochenende zum Lebensmittelpunkt gependelt. 2019 nahm jede Soldatin und jeder Soldat im Durchschnitt täglich eine Fahrtstrecke von 121 Kilometern zwischen Dienst- und Wohnort auf sich. Das ist beachtlich.
Pendeln ist eine Belastung – sowohl finanziell durch Kosten für Sprit und einen Zweitwohnsitz als auch mental durch Stress und weniger Schlaf. Es gibt eine Vielzahl an Maßnahmen in der Bundeswehr, um diese Belastungen zu reduzieren. Von flexiblen Arbeitsmodellen über Trennungsgeld, kostenfreies Bahnfahren und Pendlerpauschale bis hin zu Belegungsrechten von Wohnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).
Diese Unterstützungsleistungen scheinen jedoch immer weniger auszureichen. Steigende Spritpreise machen das Pendeln immer teurer. Bezahlbarer Wohnraum in Kasernennähe ist vielerorts Mangelware. Und das längst nicht mehr nur in Ballungsgebieten und Großstädten wie München, Hamburg, Berlin und Köln/Bonn.
Bei jedem Truppenbesuch sprechen mich Soldatinnen und Soldaten mit entsprechenden Problemen und Herausforderungen an. Sie tragen immer wieder zwei Wünsche an mich heran. Zum einen sollten die existierenden Unterstützungsleistungen den aktuellen Entwicklungen bei Sprit-, Miet- und Energiekosten stärker Rechnung tragen. Zum anderenwürden sehr viele gerne lieber in der Kaserne unterkommen anstatt sich draußen etwas suchen zu müssen.
Beide Anliegen der Soldatinnen und Soldaten unterstütze ich sehr. Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum für Soldatinnen und Soldaten in und außerhalb der Kasernen. Das erfordert dreierlei.
Erstens: Vor allem in Gebieten mit hochpreisigem Wohnraum sollten die Unterstützungsleistungen angehoben werden. Die Preissituation am Wohnungsmarkt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten fundamental geändert. Das muss sich auch in den finanziellen Hilfen widerspiegeln.
Zweitens: Mehr Soldatinnen und Soldaten sollten die Möglichkeit haben, in Kasernen-Nähe eine BImA-Wohnung zu erhalten. Modelle wie Pendler-Wohngemeinschaften könnten attraktiv sein. Das bedeutet mitunter auch, dass mehr bundeseigene Wohnungen gebaut und Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung gestellt werden müssen.
Drittens: Es sollte mehr Stuben in den Kasernen geben – auch für Über-25-Jährige. Doch schon jetzt ist die Anzahl der Unterkünfte auf Kante genäht. Puffer und Reserven gibt es keine. Dabei wäre das mit Blick auf Landes- und Bündnisverteidigung geboten. Bei kurzfristigen Einsätzen, erhöhter Alarmbereitschaft oder umfassenden Übungsvorhaben ist es sinnvoll, mehr Soldatinnen und Soldaten ad hoc und temporär eine Stube bereitstellen zu können.
Auf diese Weise würden die Lasten des Pendelns reduziert, die Rahmenbedingungen für den Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten verbessert und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erhöht. Auch das ist ganz im Schatten des Rampenlichts ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Zeitenwende.
Mit herzlichen Grüßen
Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages