Sachverständige fordern Bürokratieabbau beim Ehrenamt
Berlin: (hib/HAU) Um das Ehrenamt zu stärken, muss die Bürokratie abgebaut werden. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Sport und Ehrenamt am Mittwoch geladenen Sachverständigen einig.
6,5 Stunden pro Woche müsse sich ein Verein mit bürokratischem Aufwand herumschlagen, sagte Jan Holze, Vorstand bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die Ehrenamtlichen wünschten sich die Vereinfachung von Vorschriften, die Entlastung durch klare und weniger komplexe Anforderungen, „aber auch Entlastungen durch Digitalisierung und Automatisierung“, sagte er.
Durch die Entlastung bei bürokratischen Hürden könne die Attraktivität des Ehrenamtes gesteigert werden, sagte Lilian Schwalb, Geschäftsführerin beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Häufig, so Schwalb, gehe es um eher geringe Förderhöhen. Hier könne im Interesse des Bürokratieabbaus auf Fördernachweise verzichtet werden.
Jan Wenzel, Co-Sprecher beim Bündnis für Gemeinnützigkeit, sagte: „Fördermittel sollen bei den Projekten wirken - nicht in den Aktenordnern.“ Daher seien Vereinfachungen im Haushalts- und Zuwendungsrecht notwendig, da die Förderverfahren „heute viel zu komplex sind“.
Tobias Kemnitzer, Co-Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, betonte: „Mit guten Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie und viel Vertrauen können noch mehr Menschen für ein Ehrenamt gewonnen werden, um gemeinsam Zusammenhalt in unserem Land durch Anpacken und Mitgestaltung zu stärken.“ Das Interesse für ein Ehrenamt seit weiterhin hoch, sagte er. Nach wie vor verzeichneten die 430 Freiwilligenagenturen eine hohe Nachfrage von Menschen, die Möglichkeiten suchen, sich zu engagieren.
Das Problem, so Kemnitzer, liege in den verantwortungsvollen Engagements. „Wir brauchen die Vorstände. Die müssen wir von den Alltagssorgen der Bürokratie entlasten.“ Dafür brauche es starke hauptamtliche Strukturen und starke Kommunen, sagte er. Letzteres bereite Sorge, so der Co-Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen. Bei knappen Kassen in den Kommunen werde gerade bei den freiwilligen sozialen Leistungen gekürzt.
„Ehrenamt braucht Hauptamt“, sagte auch Jan Wenzel vom Bündnis für Gemeinnützigkeit. Ohne koordinierende, begleitende und Verantwortung übernehmende hauptamtliche Strukturen drohe eine Überlastung. „Es geht also um die Betrachtung des gesamten gemeinnützigen Bereichs“, sagte Wenzel. Wichtig sei auch das Thema Rechtssicherheit: Ob bei den allgemeinen Haftungsregelungen, im Steuerrecht oder beim politischen Engagement: „Organisationen brauchen Klarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht.“
Eine Reform des Haushalts- und Zuwendungsrechts forderte BBE-Geschäftsführerin Schwalb. Sie sprach sich für die überjährige Förderung von Projekten aus und plädierte für die Einführung einer Gemeinwohlkostenpauschale.
Holze machte auf Nachfrage deutlich, dass die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt dem aktuell diskutierten „sozialen Pflichtjahr“ skeptisch gegenübersteht. „Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um Ehrenamtliche für ein Engagement zu gewinnen,“ sagte er. Zum einen koste der Aufbau der benötigten Strukturen 15 bis 20 Milliarden Euro. Den Einsatzstellen würden dann unqualifizierte und demotivierte Menschen zugeführt. Benötigt würden aber Menschen, „die Lust darauf haben und motiviert sind“.