Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie: Lob und Kritik
Berlin: (hib/MWO) Um den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“ (21/1851) ging es in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Montag, 3. November 2025. Kreditwirtschaft, Handel und Verbraucherschutzverbände begrüßten den Entwurf, schlugen aber gleichzeitig eine Vielzahl von branchenspezifischen Änderungen vor.
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die nach der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie notwendigen Änderungen im nationalen Recht vorzunehmen. Sie soll zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zu einer Förderung des Binnenmarkts für Kredite zwischen Unternehmern und Verbraucherinnen und Verbrauchern beitragen und bis zum 20. November 2025 umgesetzt werden. Den Abgeordneten ging es bei ihren Fragen an die Sachverständigen vor allem um den Überschuldungsschutz, die Kreditwürdigkeitsprüfung, die Wuchergrenze bei Krediten, die Wartefrist bei der Restschuldversicherung und die neu einzuführende Textform-Regelung.
Karen Bartel vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, die auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion an der Anhörung teilnahm, ging in ihrer schriftlichen Stellungnahme auf das Recht auf Vergessenwerden für ehemalige Krebspatienten (RTBF) und Vorgaben zu Kopplungs- und Bündelungsgeschäften ein. Positiv hervorzuheben sei, so Bartel, dass die Vorgaben der Richtlinie zum RTBF nahezu eins zu eins umgesetzt werden und ein Gold-Plating vermieden wird. Mit Gold-Plating wird die Einführung von Regelungen bezeichnet, die über die EU-Vorgabe hinausgehen. Zu Bündelungsgeschäften, die laut Richtlinie ausdrücklich zuzulassen seien, schlug Bartel mit Blick auf die siebentägige Wartefrist vor, diese zu streichen und den Abschluss von Restschuldversicherungen ohne Einschränkung zuzulassen. Anderenfalls würde Deutschland von den Vorgaben der maximalharmonisierenden Richtlinie abweichen. Während der Verhandlungen zur Richtlinie sei die Einführung einer siebentägigen Wartefrist diskutiert worden, der Unionsgesetzgeber habe sich allerdings bewusst dagegen entschieden.
Johannes Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband schlug in seiner Stellungnahme vor, den Gesetzesentwurf an den entscheidenden Stellen im Sinne der Verbraucher und Verbraucherinnen nachzuschärfen. Im Einzelnen forderte Müller, der auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladen wurde, die Cooling-Off-Periode für Restschuldversicherungen zu erhalten. Eine Streichung der Wartefrist im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie würde jene Verbraucher und Verbraucherinnen am härtesten treffen, die für größere Anschaffungen auf Kredite angewiesen seien und zusätzlich teure Restschuldversicherungen abschließen müssten. Zudem müsse das Schriftformerfordernis für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen erhalten werden. Würde die Unterschrift durch ein online anzuklickendes Häkchen ersetzt, würden Verbraucher und Verbraucherinnen einem hohen Risiko für missbräuchliche und übereilte Kreditabschlüsse ausgesetzt.
Alien Mulyk vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland, die auf Vorschlag der Unionsfraktion eingeladen wurde, appellierte an den Gesetzgeber, angesichts der praktischen Auswirkungen der geplanten Umsetzung der Richtlinie - insbesondere der drohenden Einschränkungen des Kaufs auf Rechnung und der damit verbundenen Unsicherheiten für Händler und der Belastungen für Verbraucher - unverhältnismäßige bürokratische Hürden und wirtschaftlich nachteilige Mehrbelastungen zu vermeiden. Durch die Überarbeitung der Richtlinie werde der Kauf auf Rechnung in vielen Fällen einem Verbraucherkredit gleichgestellt. Deshalb sähen sich, trotz einiger Ausnahmeregelungen, Unternehmen großen Herausforderungen gegenüber, und der Kauf auf Rechnung werde auch für die Kunden unattraktiver. Der Kauf auf Rechnung sei aber wirtschaftlich gesehen etwas vollkommen anderes als ein klassischer Verbraucherkredit.
Für den Bundesverband deutscher Banken begrüßte Dirk Stein den Regierungsentwurf als wichtigen Schritt zur weiteren Digitalisierung. Die vorgesehene Abschaffung von Schriftformerfordernissen zugunsten moderner, digitaler Wege stelle eine zentrale und zukunftsweisende Maßnahme dar. In seiner Stellungnahme verwies Stein, der ebenfalls von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagen wurde, gleichzeitig auf Nachbesserungsbedarf bei zentralen Punkten. Dies betreffe unter anderem Zahlungsaufschübe für Kreditkarten, die Kreditwürdigkeitsprüfung vor der Vereinbarung eines Entgelts für die geduldete Überziehung und überzogene Anforderungen an die Widerrufsinformation. Auf Gold-Plating sollte verzichtet werden, und die absolute Wartefrist für Restschuldversicherungen sollte gestrichen oder so ausgestaltet werden, dass dem Verbraucher der Abschluss einer solchen Versicherung auf seinen Wunsch ohne Einhaltung einer Cooling-off-Periode von maximal drei Tagen möglich sein müsse.
Aus der Sicht von Jakob Thevis, Stellvertretender Vorstand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz, setzt der Entwurf die unionsrechtlichen Vorgaben behutsam um. Die Digitalisierung führe auch zu einem neuen Kaufverhalten. So gebe es die „Will-haben-Momente“, vor den man Verbraucher schützen müsse, weil sie zu einer hohen Verschuldung vor allem bei jungen Menschen führen könnten. Deswegen sei die „Cooling-off-Phase“ wichtig, die Verbraucherschützer gerne beibehalten würden, sagte Thevis, der von der SPD-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagen wurde.
Der Hamburger Rechtsanwalt Achim Tiffe, der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Anhörung benannt worden war, sprach sich in seiner Stellungnahme für den Erhalt der Unterschrift als Schutzfunktion aus. Die Textform sei damit nicht vergleichbar. Aus der anwaltlichen Praxis seien jetzt schon Fälle bekannt, in denen Verbraucher nicht merken, dass sie einen Darlehensvertrag aufnehmen oder ihre Unterschrift unter Darlehensverträgen gefälscht wurden. Tiffe zufolge ist zu begrüßen, Kleinkredite, die unter dem Begriff „Buy Now Pay Later“ bekannt geworden seien, möglichst lückenlos in die Regeln zu Verbraucherdarlehensverträgen einzubeziehen. Eine Abschaffung der Wartefrist bei Restschuldverträgen wäre ein Rückschritt für Verbraucher und würde dazu führen, dass Verbraucher wieder systematisch benachteiligt würden und sich die Verschuldungssituation für sie deutlich verschlechtern würde.
Michael Weinhold von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, der von der Fraktion Die Linke benannt worden war, nahm Stellung zur Umsetzung der in der Verbraucherkreditrichtlinie normierten Verweisungsregelungen der Kreditinstitute an eine unabhängige gemeinnützige Schuldnerberatung. Wie Weinhold in seiner Stellungnahme erläuterte, ist die Verweisung an unabhängige und wohnortnahe Schuldnerberatungsdienste unter anderem im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung möglich. Analog zur Richtlinie sei im Entwurf eine Verweisungsoption („gegebenenfalls“) bei Ablehnung eines Darlehensvertrags an Schuldnerberatungsdienste enthalten. Diese sei aber nicht weiter definiert und lasse den Kreditgebern vollkommen freie Hand. Im Entwurf müsse daher geregelt werden, dass der Verweis wegen Ablehnung aufgrund drohender Zahlungsstörungen verpflichtend zu erfolgen hat. Anderenfalls gingen die Ziele ins Leere.
Laut Bundesregierung sind für die Umsetzung der Richtlinie vor allem Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie im Einführungsgesetz zum BGB erforderlich. So sollen unter anderem der Anwendungsbereich des Allgemein-Verbraucherdarlehensrechts ausgeweitet und die Schutzvorschriften verschärft werden. Laut Entwurf sollen entsprechend den Vorgaben der Richtlinie unter anderem der Anwendungsbereich des Allgemein-Verbraucherdarlehensrechts ausgeweitet, die Vorgaben für die verpflichtend vor dem Vertragsabschluss durchzuführende Kreditwürdigkeitsprüfung verschärft und weitere bereits für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge bestehende Vorgaben auch auf Allgemein-Verbraucherdarlehen angewendet werden.
Dem Entwurf zufolge sollen Kleinkredite bis 200 Euro, zins- und gebührenfreie Kredite, Kredite mit einer Laufzeit bis zu drei Monaten sowie sogenannte „Buy now, pay later“-Modelle in die verbraucherschützenden Regelungen für Kreditverträge einbezogen werden. Außerdem werden vorvertragliche Informationspflichten geändert. Für den Abschluss von Allgemein-Verbraucherdarlehen soll künftig die Textform genügen. Geplant ist zudem, die von der Rechtsprechung entwickelten objektiven Grenzen für sittenwidrig überhöhte Kreditzinsen gesetzlich festzuschreiben und die Frist für den Widerruf bei fehlerhaften Informationen auf maximal zwölf Monate und 14 Tage zu begrenzen. Ergänzend enthält der Entwurf Regelungen zu erweiterten Informationspflichten für Kreditgeber sowie zum Widerrufsrecht von Verbrauchern.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme (21/2459) zu dem Entwurf unter anderem Änderungen in mehreren Bereichen des Entwurfs gefordert, um den Verbraucherschutz zu verbessern und Bürokratie abzubauen. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme verweist die Bundesregierung auf die Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie und lehnt viele der vorgeschlagenen Änderungen ab.
Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke fordern in Entschließungsanträgen zu dem Gesetzentwurf ((21(6)18, 21(6)25)) eine stärkere Betonung des Verbraucherschutzes. Den Grünen zufolge bleiben zu viele Schutzlücken, für die Linke bleibt er weit hinter den sozialen und verbraucherschutzrechtlichen Erfordernissen zurück.
Das Kabinett hatte den Entwurf am 3. September 2025 beschlossen. Dem Bundestag und dem Bundesrat wurden die Vorlagen als „besonders eilbedürftig“ zugeleitet. Der Bundestag hat den Entwurf am 9. Oktober 2025 in erster Lesung beraten. Der Bundesrat hat die Stellungnahme in seiner 1058. Sitzung am 17. Oktober 2025 beschlossen.
Die hib-Meldung zu dem Gesetzentwurf: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1112544
Die hib-Meldung zu der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1118386
Das Video zur Anhörung (nach Bereitstellung) und die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/ausschuesse/recht-verbraucherschutz/sitzungen/1114000-1114000