09.05.2023 Verkehr — Anhörung — hib 335/2023

Experten beklagen Wettbewerbsnachteile deutscher Seehäfen

Berlin: (hib/HAU) Die deutschen Seehäfen haben aus Sicht von Experten Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu ihren europäischen Kontrahenten in Antwerpen und Rotterdam. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Montagnachmittag deutlich. Grundlage der Anhörung war der Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Hafenstandort Deutschland stärken“ (20/5218), in dem unter anderem gefordert wird, die Nationale Hafenstrategie bereits im Jahr 2023 fertigzustellen und mehr finanzielle Mittel für den Aufbau der „im nationalen Interesse liegenden Hafeninfrastrukturen“ zur Verfügung zu stellen.

Die Kostennachteile der deutschen Seehäfen seien vielfältig, sagte Gunther Bonz, Präsident der Federation of European Private Port Operators (FEPORT). Dazu zähle nicht nur die Erweiterung der Tonnagesteuer auf reedereigene Terminals. Die Einfuhrumsatzssteuer etwa führe dazu, dass einzelne Spediteure kein Stückgut über einen deutschen Seehafen importierten. Problematisch seien auch die Hafenkosten. „In deutschen Häfen sind höhere Mieten und Pachten fällig“, sagte Bonz. Die Terminalbetreiber müssten die Kaimauer von der Hafenbehörde anmieten, was für Millionenbeträge sorge. In Rotterdam würden die Kaianlagen den Terminals nicht vermietet. „Dort sind sie Hochwasserschutzanlagen, die zu hundert Prozent vom Nationalstaat übernommen werden“, sagte er. Da Hochwasserschutz keine Beihilfe sei, „ist das System dort absolut EU-konform.“

Von Ladungsabwanderungen in andere Häfen sprach Alexander Geisler, Geschäftsführer beim Zentralverband Deutscher Schiffsmakler (ZVDS). Dort sei die Produktivität höher, also die Liegezeit der Schiffe kürzer. Grund dafür sei „ein echter 24/7-Ansatz“. Dieser werde zwar auch in deutschen Häfen gelebt, nicht aber im Hinterland. Wenn also Lkw Container ins Hinterland fahren, „stehen die im Zweifel am Wochenende bei VW vor geschlossenen Lagerhallen“. Geisler forderte zugleich auch eine Straffung der Verwaltung. Allein an der Elbe seien es mehrere Verwaltungen, die für den Anlauf und den Ablauf eines Schiffes verantwortlich sind. Digitalisierungsprojekte, so der Experte, scheiterten regelmäßig, „weil sich nicht darauf geeinigt werden kann, wer welchen Hut aufhat“.

Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), nannte die wirtschaftliche Lage der deutschen Hafenwirtschaft „mehr als schwierig“. 2022 sei weniger Ladung umgeschlagen worden als im Vorjahr. Auch das laufende Jahr beginne sehr schlecht. Beim Stückgut liege man in Bremen etwa 20 Prozent unter dem Wert aus dem Vorjahreszeitraum. „Da braut sich was zusammen“, so Hosseus. Noch gravierender sei der massive Verlust von Marktanteilen gegenüber Rotterdam und Antwerpen. Der ZDS-Hauptgeschäftsführer kritisierte den „winzigen Beitrag“, den der Bund zur Hafeninfrastruktur beitrage. Die derzeit 38 Millionen Euro müssten mindestens verzehnfacht werden, forderte er. Außerdem müsse die Direktverrechnung bei der Einfuhrumsatzsteuer eingeführt werden. Diesen Nachteil weide etwa Rotterdam „gnadenlos aus“.

Jens B. Knudsen Vorsitzender der Initiative Kiel-Canal nannte es ein Rätsel, „wie eine Bundesregierung, die sich dem Umwelt- und Klimaschutz verschrieben hat, den Investitionshaushalt für die Wasserstraßen halbiert hat“. Dies gelte umso mehr, wenn man bedenke, welche besondere Rolle die Wasserstraßen und die Häfen für die Versorgung der Bevölkerung mit Kohle, LNG, Öl, Benzin und Getreide spielten. Ohne eine leistungsfähige Schifffahrt sei Klimaschutz und volkswirtschaftlicher Nutzen in Deutschland nicht möglich. Die setze eine intakte maritime Infrastruktur voraus.

Jörn Schepull, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Container Terminal Bremerhaven GmbH (EUROGATE), sieht auf den Hafen- und Logistikstandort Deutschland große und wichtige Herausforderungen durch Transformation und Digitalisierung zukommen. „Es werden neue Berufszweige entstehen. Vorhandene Arbeitsplätze werden sich verändern“, sagte er. Daher müssten Bildungsmaßnahmen entwickelt werden, um vorhandene Fachkräfte auf die neuen Gegebenheiten umzuschulen. Zugleich müssten neue Ausbildungsberufe entwickelt und unterstützt werden.

Von einem massiven Strukturwandel in den deutschen Seehäfen sprach auch Maya Schwiegershausen-Güth, Bundesfachgruppenleiterin Maritime Wirtschaft bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. „Die Qualifikationen der Beschäftigten werden sich verändern müssen“, sagte sie. Es werde weg von manuellen Umschlagstätigkeiten, hin zu steuernden Tätigkeiten gehen. „Die große Herausforderung wird es sein, die aktuellen Beschäftigten mitzunehmen, und sie in diesem Prozess nicht zu verlieren.“ Die Gewerkschaftsvertreterin fordert die Einrichtung eines Qualifizierungsfonds. Damit könnten betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt und auch die berufliche Anschlussfähigkeit der Beschäftigten gesichert werden.

Malte Siegert vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderte eine ideologiefreie Diskussion über eine deutlich engere Zusammenarbeit der Verwaltungen vor allem der großen deutschen Seehäfen Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg. Föderale Kleinstaaterei helfe nicht weiter, sagte er. Der Bund müsse eine stärkere Führungsrolle übernehmen und sein finanzielles Engagement, das von den Hafenstandorten mit Verweis auf deren nationale Bedeutung eingefordert werde, deutlich stärker an Gegenleistungen knüpfen. Auch wenn das finanzielle Engagement des Bundes nicht ausreiche, sei es falsch, Steuergelder für vermeidbare Mehrfachinfrastrukturen in die Hafenstandorte fließen zu lassen. Das Engagement des Bundes müsse deswegen darauf abzielen, unnötigen ökonomischen Ressourcenverbrauch aufgrund föderaler Ansprüche ebenso zu unterbinden, wie negative ökologische Wirkungen durch Flächenverbrauch oder inkonsistentes Sedimentmanagement, forderte der Nabu-Vertreter.

Carsten Strähle, Geschäftsführer der Hafen Stuttgart GmbH und Präsidiumsmitglied im Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB), nannte es absolut nachteilig, dass die Bundesmittel zur Finanzierung der Binnenwasserstraßen reduziert werden sollen. Strähle sprach von einem gigantischen Instandhaltungsstau im Umweltverbund Wasserstraße und Schiene. Die Planungsverfahren seien viel zu lang. Leider seien aber die Binnenwasserstraßen im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz „vergessen worden“.

Marginalspalte