19.01.2024 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 40/2024

Botschafts-Evakuierung lief laut Zeugin planmäßig

Berlin: (hib/CRS) Eine ehemalige Referentin der deutschen Botschaft in Kabul hat gestern in der 60. Sitzung des Untersuchungsausschusses Afghanistan berichtet, wie sie vor Ort den Fall der afghanischen Hauptstadt erlebt hat und das Botschaftspersonal evakuiert wurde. Sie habe erst im Juli 2021 ihren Dienst in Afghanistan angetreten und sei dort für die Bereiche Menschenrechte, humanitäre Hilfe und Migration zuständig gewesen, erzählte sie. Es sei „ein Weg ins Ungewisse“ gewesen und die Unsicherheit habe rapide zugenommen.

In den eineinhalb Monaten, in denen sie vor Ort gewesen sei, habe sie eine zunehmend angespannte humanitäre und Menschenrechtslage beobachtet. Immer mehr Menschen seien nach Kabul und in die Provinzhauptstädte geflüchtet. Der Raum für die Zivilgesellschaft sei enger geworden. Die Taliban hätten sich sehr stark dafür interessiert, Radiostationen zu kontrollieren.

Alles, was sie vor Ort erfahren habe, habe sie auch an die Zentrale in Berlin, also an das Auswärtige Amt (AA) berichtet, betonte die Zeugin. In der Botschaft seien sie in engem Austausch mit dem Länderreferat im AA gewesen. Dabei habe es „durchaus Spannungen“ zur Frage gegeben, was die nächsten Schritte sein sollen und was operativ zu tun sei. In ihrem eigenen Themenbereich habe sie jedoch nie „ein Disconnect“ gespürt. Die Zentrale sei immer sehr interessiert gewesen und habe ihre Berichte ernst genommen.

In Kabul hätten sie angefangen, die erste Excel-Tabelle mit den Daten der Schutzbedürftigen, wie Menschenrechtler, Medienschaffende oder auch Frauen in herausgehobenen Positionen, zu erstellen. Diese Liste habe sie in ihren letzten Tagen in Kabul an das Referat im AA geschickt. Auch dort seien Listen mit verschiedenen Kategorien geführt worden.

Nach dem 15. August 2021 seien verschiedene Listen zusammengeführt worden. Ob diese Listen bei der militärischen Evakuierung vom Kabuler Flughafen benutzt worden seien, wisse sie nicht, da sie nicht mehr vor Ort gewesen sei, sagte die Zeugin aus. Vor dem Fall Kabuls habe es eine Besprechung gegeben, in der auch diskutiert worden sei, ob eine Visavergabe bei Einreise nach Deutschland („Visa-On-Arrival“) eine Option sei.

Gefragt nach dem Versuch, Afghanen, die in Deutschland Straftaten begangen haben, trotz eines Moratoriums Anfang August 2021 nach Afghanistan zurückzuführen, berichtete die Zeugin, es habe sich dabei um schwere Straftäter gehandelt. Sie hätten nach Gesprächen mit verschiedenen Organisationen und aufgrund der Sicherheitslage davor gewarnt. Während des Besuchs des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan sei jedoch mit der afghanischen Seite darüber gesprochen worden. Nachdem sie „einer kleinen Rückführung mit maximal zehn Personen“ zugestimmt habe, sei die Entscheidung gefallen. Die Rückführung habe dann aber wegen eines Anschlags in Kabul nicht stattgefunden.

Dass die Botschaft irgendwann evakuiert werden müsse, sei ihr klar gewesen, betonte die ehemalige Außenamts-Referentin. Die Sicherheitslage für die deutsche Botschaft habe sich verschlechtert, nachdem die britische Botschaft evakuiert worden sei, schließlich habe der britische Checkpoint auch den Zugang zur deutschen Botschaft kontrolliert.

Die Evakuierung sei planmäßig abgelaufen und sie habe sich immer sicher gefühlt, betonte die Zeugin. „Was wir in den letzten Tagen gemacht haben, haben wir im Rahmen einer Richtlinie gemacht“, unterstrich sie. Sie hätten 48 Stunden Zeit gehabt, Unterlagen zu vernichten. Am 15. August hätten sie die Botschaft mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln evakuiert und seien um 13:30 Uhr zu der in der Nähe gelegenen US-Botschaft gefahren. Die Amerikaner hätten sie mit Hubschraubern zum militärischen Teil des Kabuler Flughafens gebracht. Vier Entsandte seien dort geblieben, um die Evakuierung anderer Menschen zu koordinieren. Wegen Schüssen im Flughafen habe sich der Abflug des restlichen Personals zwar etwas verzögert, aber schließlich seien sie um etwa 23 Uhr mit einer US-Maschine nach Doha ausgeflogen worden.

Sie habe in der Botschaft einen anonymen Feedback-Prozess betreut, um in einem „Lessons-learned-Gespräch“ die Sicht des Personals vor Ort darzulegen, erzählte die Zeugin. Die Kommunikation während der Evakuierung und die Listenführung hätten aus ihrer Sicht besser verlaufen können, betonte sie.

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