Experten: Finanzierungsprobleme erschweren akademische Pflegeausbildung
Die akademische Pflegeausbildung bleibt nach Einschätzung von Gesundheitsexperten weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Als Kernproblem wird die fehlende Finanzierung des Studiums angeführt, wie eine Anhörung des Gesundheitsausschusses zu einem Antrag der Unionsfraktion (20/4316) ergab. Die Experten äußerten sich am Mittwoch, 8. Februar 2023, in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Antrag der Union
Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag eine Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung. Die Anforderungen an das Pflegefachpersonal seien bereits hoch und stiegen weiter. Das mache eine praxisorientierte hochschulische Ausbildung von Pflegefachkräften erforderlich.
Die Abgeordneten schlagen eine Ausbildungsvergütung analog zur beruflichen Pflegeausbildung vor, um die Attraktivität des Studiengangs zu steigern. Außerdem sollte die Übernahme der Refinanzierung der Praxisanleitung in den Einrichtungen analog zur berufsfachschulischen Ausbildung gesetzlich geregelt werden, um die praktische Ausbildung der Studenten abzusichern und die Bereitschaft der Einrichtungen zu steigern, akademische Pflegefachkräfte auszubilden.
Sachverständige: Deutschland liegt bei Akademisierung der Pflege zurück
Verschiedene Sachverständige machten in der Anhörung deutlich, dass die hochschulische Pflegeausbildung in der Versorgung eine wichtige Rolle einnimmt, die fehlende Finanzierung und die unklare Perspektive junge Leute jedoch davon abhält, diesen Berufsweg einzuschlagen. Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Thomas Klie etwa sprach von hochkomplexen Pflegesituationen, chronischen Erkrankungen oder Demenzfällen, bei denen eine akademische Pflegekompetenz sehr sinnvoll sei. Akademiker könnten eine Steuerungsfunktion übernehmen.
Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Matthias Drossel fügte hinzu, es gehe nicht nur um Managementaufgaben, sondern um die konkrete Patientenversorgung im Alltag in besonders komplexen Situationen. Kritisiert wurde, dass Deutschland bei der Akademisierung der Pflege im internationalen Vergleich zurückliege und für hochschulisch gebildete Fachkräfte aus dem Ausland teils nicht attraktiv sei.
DBfK kritisiert fehlende Vergütung für Praxisstunden
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) erklärte, die primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung sei kein Selbstzweck, sondern unerlässlich, um die Versorgung zu sichern und Fallverantwortung zu übernehmen. Die fehlende Vergütung oder Aufwandsentschädigung für die zu leistenden 2.300 Praxisstunden stelle eine Benachteiligung der Studenten dar, die nicht nebenbei jobben könnten, weil sie im Schichtdienst eingesetzt werden. Würden die Studenten in die Finanzierungsverordnung zum Pflegeberufegesetz (PflBG) einbezogen, könnte das Problem entschärft werden.
Die fehlende Refinanzierung der Praxisanleitung in den Gesundheitseinrichtungen sei ein weiteres Problem, weil dadurch insbesondere kleinere Einrichtungen von einer Kooperation mit der hochschulischen Ausbildung faktisch ausgeschlossen seien.
DPR fordert vollständige Refinanzierung
Ähnlich argumentierte der Deutsche Pflegerat (DPR), der darauf hinwies, dass die Zahl der Pflegefachpersonen mit Hochschulabschluss in der direkten Patientenversorgung gering sei. Zwar bestehe seit 2020 mit dem PflBG die Möglichkeit der hochschulischen Ausbildung, jedoch bleibe die Akademisierungsquote mit einer Auslastung von derzeit rund 50 Prozent weiter hinter dem Bedarf zurück. Studenten würden gegenüber beruflich Auszubildenden in der Pflege durch die ausbleibende Vergütung in den umfangreichen Praxisphasen benachteiligt.
Der DPR sprach sich für die verbindliche Einführung und vollständige Refinanzierung einer Vergütung während des Studiums aus, um die Attraktivität des Studiengangs zu steigern. Ferner werde eine vollständige Refinanzierung der Kosten für die Praxisanleitung in den Pflegeeinrichtungen analog der beruflichen Ausbildung befürwortet.
DKG: Verschiedene Qualifikationsstufen sinnvoll
Nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sind verschiedene Qualifikationsstufen in der Pflege sinnvoll. Ein höherer Anteil hochschulischer Pflegeausbildung erscheine wünschenswert. Die Konzeption der akademischen Pflegeausbildung im PflBG müsse jedoch grundlegend korrigiert werden, weil sie derzeit weder für Studenten aufgrund der fehlenden Ausbildungsvergütung noch für Arbeitgeber aufgrund des unscharfen Profils attraktiv sei.
Die sehr niedrigen Studentenzahlen bestätigten die Fehlkonstruktion. Während der Ausbildung müsse eine angemessene Vergütung sichergestellt sein. Eine Finanzierungsregelung für Pflegestudenten sei überfällig. Insbesondere Leistungen der Krankenhäuser in Form der Praxisanleitung seien zudem derzeit nicht geregelt und würden auch nicht refinanziert.
GKV lehnt Finanzierung der Ausbildung ab
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lehnt die Finanzierung der Ausbildung ab. Mit dem PflBG sei die Entscheidung getroffen worden, dass die Finanzierung der hochschulischen Pflegeausbildung nicht in den Aufgabenbereich der Beitragszahler der Kranken- und Pflegeversicherung falle. Die Zuständigkeit liege bei den Ländern.
Die Landesausbildungsfonds belasteten die GKV 2023 bereits mit rund 2,8 Milliarden Euro, die Soziale Pflegeversicherung (SPV) mit 0,5 Milliarden Euro. Die Finanzierung der Ausbildungsvergütung analog zur beruflichen Pflegeausbildung werde abgelehnt. Das gelte auch für die Refinanzierung der Praxisanleitung in den Pflegeeinrichtungen analog der berufsfachschulischen Ausbildung. (pk/08.02.2023)