Gesundheit

Streit über Corona-Politik und Impfkampagne

Die Koalitionsfraktionen werben nachdrücklich für eine beschleunigte Fortsetzung der Impfkampagne, um die Corona-Pandemie wirksam einzudämmen. In einer Generalaussprache über die Gesundheitspolitik am Donnerstag, 13. Januar 2022, im Bundestag erklärten Redner von SPD, Grünen und FDP, die Impfung sei der einzige Weg aus der Pandemie.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) sprach sich zugleich für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht aus. Aus der Opposition kamen Vorwürfe mit unterschiedlichem Tenor. Die Union vermisst klare Ansagen der Bundesregierung, was die geplante Impfpflicht betrifft. Die Linke monierte, das Gesundheitssystem habe systematische Mängel, die AfD kritisierte, nicht Geimpfte würden diskriminiert.

Minister fordert entschlossenes Vorgehen 

Lauterbach forderte ein entschlossenes Vorgehen, um die Pandemie in diesem Jahr erfolgreich bekämpfen zu können. Es müsse alles daran gesetzt werden, dass die Bedrohung nicht noch ein weiteres Jahr bestehen bleibe, sagte der Minister. Nicht alle Menschen schätzten die Gefahr richtig ein, in manchen Fällen werde sie bewusst geleugnet, obwohl die Erkrankung viele langfristige und manchmal lebenslange Komplikationen mit sich bringe. 

Es sei zwar gelungen, die Ausbreitung der Varianten Omikron und Delta zu verlangsamen, allerdings gebe es noch zu viele nicht Geimpfte, auch in den höheren Altersgruppen, die durch Omikron besonders gefährdet seien. Lauterbach warnte: „Ihre Gefährdung zu leugnen, ist auf der Grundlage der vorliegenden Studien fahrlässig.“ Der Minister wandte sich zugleich gegen eine unterschiedliche Bewertung von Geimpften und Ungeimpften. Im Kampf um das Überleben sei jeder gleich. „Auch das ist ein Beitrag zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“

Lauterbach forderte die Bevölkerung auf, sich zumindest für eine erste Impfung zu entscheiden. Dies könne bereits vor einem schweren Verlauf schützen. Ein weitreichender Schutz sei aber nur durch die Booster-Impfung zu erreichen. Er versicherte, dass dafür ausreichend Impfstoff verfügbar sei. Es gebe eine realistische Möglichkeit, die Pandemie in einer Kombination von Impfung und medikamentöser Behandlung zu beenden. „Diese Möglichkeit sollten wir dringend ergreifen“, sagte er und fügte hinzu: „Wir beenden damit einen Belagerungszustand unserer Gesellschaft durch ein Virus.“ Sinnvoll sei auch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht.

CDU/CSU kritisiert „Politik der eingeschlafenen Füße“

Tino Sorge (CDU/CSU) pflichtete bei, dass die Bekämpfung der Pandemie eine der wichtigsten Aufgaben der Legislaturperiode sein werde. Er hielt der neuen Regierung jedoch vor, unkonkret und intransparent vorzugehen. In Anspielung auf die geplante Impfpflicht sagte er, bei Lauterbach sei nicht klar zu erkennen, in welcher Funktion er sich äußere, als Minister, Abgeordneter oder Privatmann. Sorge betonte: „Ich erwarte von Ihnen einen Gesetzesvorschlag.“

Wichtige Fragen würden nicht beantwortet, monierte der CDU/CSU-Abgeordnete, ethisch, fachlich und die Datengrundlage betreffend. Sorge bezweifelte auch den in Aussicht gestellten Fortschritt bei den Corona-Impfungen mit weiteren 30 Millionen Impfungen bis Ende Januar. Die Impfkampagne sei weit entfernt von diesen Zielen. Er hielt der Regierung eine „Politik der eingeschlafenen Füße“ vor und forderte: „Übernehmen Sie Führung, verhalten Sie sich nicht wie eine Nichtregierungsorganisation“.

AfD wirft Bundesregierung totales Versagen vor

Die AfD warf der Bundesregierung erneut totales Versagen in der Corona-Krise vor. Martin Sichert (AfD) schilderte die erheblichen Entbehrungen, die viele Bürger auf sich genommen hätten, ohne dass sich an der Lage substanziell etwas geändert hätte. Je mehr geimpft und geboostert werde, umso diskriminierender fielen Auflagen gegen Ungeimpfte aus. Sichert forderte: „Die Gesundheitspolitik muss endlich wieder die Gesundheit der Menschen im Fokus haben, statt als Feigenblatt für willkürliche Spaltung und Diskriminierung zu dienen.“

Der AfD-Abgeordnete kritisierte auch die jüngst verschärften Corona-Auflagen im Parlament. „Mit 2G-plus setzen Sie den Bundestag mit einer Kneipe gleich, das ist absolut irre.“ Nach Ansicht Sicherts bietet die Impfung keinen Schutz vor einem schweren Verlauf. Zudem seien die Nebenwirkungen erheblich, sagte er und verwies auf Fälle von Herzmuskelentzündung. Auch die Langzeitfolgen seien unklar. Spätestens mit den nunmehr verfügbaren wirksamen Medikamenten entfalle die Grundlage für eine Impfpflicht. Auch die Impfpflicht für das medizinische Personal sollte aufgehoben werden. Es sei an der Zeit, zur Normalität zurückzukehren.

FDP: Der Pflegebonus kommt

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) machte hingegen die Dramatik der aktuellen Lage deutlich und verwies auf die stark steigenden Infektionszahlen. Durch die Omikron-Variante sei noch mit erheblich höheren Zahlen zu rechnen. „Wir verfolgen das genau und nehmen die Lage sehr ernst“, sagte sie und fügte hinzu: „Das wirksamste Mittel gegen Corona ist Impfen und Boostern.“

Nach Ansicht der FDP-Politikerin hat die neue Bundesregierung bereits wichtige Weichen gestellt, um die Gesundheitskrise in den Griff zu bekommen. Sie nannte den erweiterten Kreis der Impfberechtigten und den neuen Expertenrat der Regierung. Dies schaffe Vertrauen in der Bevölkerung. Zudem werde die Corona-Politik offen und transparent diskutiert. Die Pandemie werde planvoll und verhältnismäßig bekämpft, ohne Lockdown und ohne Schulschließungen. Sie forderte eine Modernisierung des Gesundheitssystems und eine Aufwertung der Pflege und versicherte: „Der Pflegebonus kommt.“

Grüne fordern gemeinsame Kraftanstrengung

Die Grünen-Abgeordnete Dr. Kirsten Kappert-Gonther räumte ein, dass viele Menschen in der Corona-Krise schwer verunsichert und psychisch angeschlagen seien. Viele Bürger hätten den Eindruck, mit einem Zug durch einen Tunnel zu fahren und kein Licht am Ende zu sehen. Die Koalition sehe es als vordringlich an, diese Lage zu ändern.

Kappert-Gonther forderte eine gemeinsame Kraftanstrengung, um aus der Krise zu kommen. Der Union warf sie vor, keine konstruktiven Vorschläge zu unterbreiten, die AfD streue sogar falsche Informationen, um die Demokratie anzugreifen und gefährde damit die Gesundheit der Menschen. Sie betonte: „Menschlichkeit und Anteilnahme sind grundlegend, um die Pandemie zu überwinden.“

Linke: Reformbedürftiges Gesundheitssystem

Kathrin Vogler (Die Linke) sagte, die Corona-Krise lenke die Aufmerksamkeit auf ein reformbedürftiges Gesundheitssystem. Lauterbach habe sein Amt in der schwersten Gesundheitskrise des Landes übernommen und müsse mit einer „kaputtgesparten Infrastruktur“ klarkommen. Es gebe große Erwartungen an ein besseres Krisenmanagement, denn es gehe in der Pandemie um Leben, Gesundheit und auch Freiheit. Das Ziel müsse die bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle sein.

Die Linken-Abgeordnete sagte in Anspielung auf Unterschiede zwischen Arm und Reich: „Es ist nicht ein Virus, das unser Land spaltet, sondern die Politik.“ Sie forderte bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und einen Pflegebonus. Zudem müsse das duale System der Krankenversicherung aufgebrochen werden, um die Lasten der Versorgung gerechter zu verteilen und einen Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu verhindern. „Unser Gesundheitswesen ist mit kleinen Reförmchen nicht zu retten.“ (pk/13.01.2022)

Marginalspalte