Abgeordnete plädieren für mehr Bürokratieabbau und Startup-Hilfen
Der Bundestag hat am Freitag, 3. Juli 2020, erstmals vier Anträge von AfD und FDP zu Bürokratieabbau und Startup-Hilfen beraten. Die Vorlage der FDP-Fraktion mit dem Titel „Detox für Deutschland – Bürokratie entschlacken, die Kräfte der deutschen Wirtschaft entfesseln“ (19/20581) wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.
Ein AfD-Antrag mit der Überschrift „Corona digital bekämpfen – Startup-Hilfen gerecht verteilen“ (19/20613) wird ebenfalls in diesem Ausschuss federführend beraten. Die AfD hatte dagegen Federführung beim Ausschuss Digitale Agenda gewünscht. Die zweite Vorlage der FDP mit dem Titel „Unternehmen schnell und effizient entlasten – Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen wieder in den Folgemonat verlegen“ (19/20556) wird im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales weiter beraten.
Ebenfalls unter der Federführung dieses Ausschusses wird ein weiterer AfD-Antrag mit dem Titel „Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge – Rückkehr zur bewährten alten Regelung“ (19/20569) beraten. Die Antragsteller hatten Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie gewünscht.
FDP: Bürokratie in diesen Zeiten Luxus
Als Auftaktredner begründete Reinhard Houben (FDP) den Antrag seiner Fraktion zum Bürokratieabbau damit, dass Deutschland neben der Corona-Krise auch, und seit Langem, an einem Übermaß an Bürokratie und Regulierung leide. „Den Luxus, Bürokratie einfach hinzunehmen, haben wir aber in diesen Zeiten nicht mehr“, sagte er zur Begründung für den Zeitpunkt des Antrags, mit dem seine Fraktion Unternehmen durch ein Bündel von Maßnahmen vor allem in Steuerrecht, aber auch in anderen Bereichen von bürokratischen Pflichten entlasten will.
Houben verwies darauf, dass die Koalitionsfraktionen in einer Resolution zusammen mit dem zuletzt beschlossenen Bürokratieentlastungsgesetz III weitere Schritte angekündigt hätten. Seitdem sei aber nichts passiert. Im Gegenteil, es sei neue Bürokratie dazugekommen, insbesondere durch die befristete Mehrwertsteuersenkung.
AfD: Mehr Bürokratie durch die EU
Leif-Erik Holm (AfD) hieb in dieselbe Kerbe. Inzwischen seien drei Entlastungsgesetze verabschiedet, „trotzdem kommen wir kaum von der Stelle“. Durch Regulierungen der EU steige der Bürokratieaufwand für Unternehmen vielmehr unaufhaltsam. AfD- wie FDP-Fraktion wollen, dass Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiter erst im jeweiligen Folgemonat abführen müssen, so wie dies vor 2006 der Fall war. Damals hatte der Gesetzgeber die Fälligkeit in den laufenden Monat vorverlegt, um in einer Phase der Finanzschwäche die Sozialkassen zu entlasten.
Da bei der geltenden Vorfälligkeit der Arbeitgeber noch nicht wisse, wie viele Arbeitsstunden seine Mitarbeiter am Monatsende geleistet haben, müsse er jeden Vorgang zweimal in die Hand nehmen, argumentierte Tino Chrupalla (AfD). Durch eine Rückverlegung der Fälligkeit könne man in diesen Zeiten gerade kleinen und mittleren Unternehmen „mit geringem Aufwand unter die Arme greifen“. Manfred Todtenhausen (FDP) verwies ergänzend darauf, dass es auch aus der CDU Forderungen gebe, die Vorverlegung abzuschaffen.
CDU/CSU: Weitere Entlastungen in Arbeit
Tatsächlich bekundete Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) Sympathie für eine Rückverlegung der Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen. Gerade in dieser Zeit allerdings sei die Lage der Sozialversicherungen angespannt, weshalb das Thema derzeit „keine besondere Dringlichkeit“ habe. Redner mehrerer Fraktionen wiesen in der Debatte darauf hin, dass eine Rückverlegung ein Loch von über 28 Milliarden Euro in die Sozialkassen reißen würde.
Willsch wies im Übrigen den Vorwurf zurück, seit Entlastung des Bürokratieentlastunggesetzes III sei nichts passiert. Vielmehr sei das Bundeswirtschaftsministerium gerade „am Loslegen“, um in Konsultationen zwischen den Ressorts ein Bürokratieentlastunggesetz IV vorzubereiten. Dass Bürokratie nicht per se schlecht sei, erläuterte Bernhard Loos (CDU/CSU) am Beispiel der Auszahlung von Corona-Soforthilfen an Betrüger in Berlin. Man habe dort „gesehen, was passiert, wenn man nicht bürokratisch agiert“.
SPD: Es gibt Gründe für Bürokratie
Ein Plädoyer für die Bürokratie hielt auch Sabine Poschmann (SPD). So erhielten derzeit fast zwei Millionen Menschen in Deutschland keinen Mindestlohn, weil sich Unternehmen nicht an die Regeln hielten. Ein Abbau von Dokumentationspflichten wie im FDP-Antrag gefordert würde diese Probleme noch verschärfen. Abgebaut werden müsse nur unnötige Bürokratie, und „da sind wir dran“, betonte Poschmann.
Falko Mohrs (SPD) nannte das von der Koalition vorgelegte Konjunkturprogramm „die richtige Antwort auf die Krise“. Der FDP-Antrag sei dagegen „in Wirklichkeit ein Konjunkturprogramm für Sozialabbau“.
Grüne: Alte Pillen neu verpackt
Auf Distanz zu den Anträgen von FDP und AfD gingen auch die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) nannte die FDP-Vorlage zum Bürokratieabbau „alte Pillen neu verpackt“. Das Thema sei „zu wichtig, um hier heiße Luft zu produzieren“.
Handlungsbedarf erkannte Müller bei Kleinunternehmern und Unternehmensgründern. Die Corona-Soforthilfen seien zu kompliziert und brächten für sie einen hohen Bürokratieaufwand.
Linke: Fleischindustrie zeigt Sinn von Kontrolle
Klaus Ernst (Die Linke) nannte die Forderungen im FDP-Antrag „unklar“ und „allgemein“. Er bestritt, dass es zu viele Kontrollen und Bürokratie gebe. „Hat nicht die Fleischindustrie gerade das Gegenteil bewiesen?“, fragte er.
Erst bezweifelte auch die Argumention von FDP und AfD, dass Bürokratieabbau zu mehr Investitionen führe. 2019 hätten die deutschen nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften lediglich ein Viertel ihrer Gewinne wieder investiert, an Spielraum mangele es also nicht.
Erster Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion will mit ihrem Antrag (19/20581) Unternehmen insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten vor erheblichen Belastungen durch unnötige Bürokratie schützen. Denn überbordende Bürokratie verursache Kosten, nehme Zeit in Anspruch und blockiere gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen knappe Ressourcen. Die Fraktion schlägt deshalb unter anderem in ihrem Antrag vor, Verwaltungsleistungen durch eine zeitnahe Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zu digitalisieren und dieses auf die Digitalisierung von Verwaltungswegen auszuweiten, um die Einreichung notwendiger Anträge und Unterlagen zu erleichtern.
Auch soll eine (Online-)Anlaufstelle für sämtliche administrativen Vorgänge und Verwaltungsleistungen für Unternehmensgründungen eingerichtet werden. Ebenso seien zeitaufwendige und verzögernde Genehmigungs- und Antragsverfahren zu digitalisieren, um schnelle Investitionen in Verkehrs-, Energie und Dateninfrastruktur zu ermöglichen.
Zweiter Antrag der FDP
In ihrem zweiten Antrag (19/20556) fordert die FDP, Unternehmen bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu entlasten. Die Fälligkeit dieser Beiträge soll nach Ansicht der Liberalen wieder in den Folgemonat verlegt werden. Sie begründen dies mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen.
Außerdem würde es einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten, die aktuell wegen der Corona-Krise mögliche Stundung oder Ratenzahlung der Beiträge wieder auf den drittletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Monats zu verlegen.
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert ein Umsteuern bei der Verteilung von Corona-Hilfsgeldern an Startup-Firmen. In ihrem Antrag (19/20613) plädieren die Abgeordneten für Fördermittel für in Schwierigkeiten geratene Kleinunternehmer für sechs Monate, damit diese ihren Betrieb aufrechterhalten können. Außerdem müsse die Möglichkeit zur Kurzarbeit stärker in Betracht gezogen werden. In dringenden Fällen sollten Mietzahlungen bis zu einem halben Jahr garantiert werden.
Die bisherigen Maßnahmen zielten überwiegend darauf ab, „dass der Staat über Finanzintermediäre Risikokapitalgebern durch Matching-Fazilitäten im Gießkannenprinzip Finanzierungshilfen bereitstellt“, heißt es zur Begründung. Das Gießkannenprinzip leiste keine Anreize, um Startups über die schwierige Zeit zu helfen.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion möchte mit einer Rückkehr zur alten Fälligkeitsregelung der Sozialversicherungsbeiträge, die bis zum 31.12.2005 galt, insbesondere die mittelständische Wirtschaft und Kleinbetriebe entlasten (19/20556). Dazu solle die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der außerdem die Fälligkeit der Beitragsnachweise in den Folgemonat verlegt und die Deckung der entsprechenden Liquiditätslücke aus der Nachhaltigkeitsrücklage vorsieht. (pst/hau/ste/vst/03.07.2020)