Zeit:
Montag, 10. November 2025,
14
bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400
Auf differenzierte Einschätzungen der Sachverständigen aus Rechtswissenschaft und Praxis traf ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, 21/1855, 21/2464) in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Montag, 10. November 2025.
Mit dem Vorhaben sollen die EU-Richtlinien 2024 / 825 (EMPCO-Richtlinie) und 2023 / 2673 (Fernabsatz-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt werden, die Verbraucher besser vor irreführenden Umweltaussagen und manipulativen Online-Praktiken (Dark Patterns) auf Online-Schnittstellen schützen sollen. Künftig sollen etwa allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“ nur dann gemacht werden dürfen, wenn eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ nachgewiesen werden kann. Die Richtlinie muss bis zum 27. März 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Die neuen Regelungen müssen dann ab dem 27. September 2026 angewendet werden.
Schutz vor Greenwashing
Prof. Dr. Susanne Augenhofer von der Universität Innsbruck, die von der Fraktion Die Linke für die Anhörung vorgeschlagen wurde, begrüßte den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Greenwashing grundsätzlich. Gleichwohl sei festzuhalten, dass die bestehenden Regelungen des UWG beziehungsweise der zugrundeliegenden Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken bereits die selben Ergebnisse hätten erreichen lassen können. Aus den Vorgaben der Richtlinien folge ein geringer Gestaltungsspielraum für den Gesetzentwurf.
Dennoch gebe es Verbesserungsmöglichkeiten. Durch das UWG würden nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch sonstige Marktteilnehmer und die Allgemeinheit geschützt. Dementsprechend sollte der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ in der Definition der Umweltaussage durch den Begriff „geschäftliche Handlungen“, der üblichen Definition, im UWG ersetzt werden, sagte Augenhofer.
Prof. Dr. Christoph Busch von der Universität Osnabrück ging ausführlich auf Artikel 16e der Verbraucherrichtlinie ein, der sich mit der manipulativen Gestaltung von Finanzdienstleistungen befasst. Der Einsatz von Dark Patterns könne bei Verbrauchern erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Die geplante Regelung sei deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Er sehe aber in einigen Bereichen Änderungsbedarf, sagte der von der SPD-Fraktion für die Anhörung nominierte Experte. Es gebe beispielsweise ein Umsetzungsdefizit.
Artikel 16e enthalte zwei Regelungsaufträge: ein allgemeines Verbot von Dark Patterns beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und einen Katalog von Regelbeispielen. Der vorliegende Gesetzentwurf beschränke sich darauf, eines der Regelbeispiele umzusetzen. Dem lasse sich auch nicht entgegenhalten, dass das allgemeine Verbot durch die Generalklauseln des UWG hinreichend umgesetzt sei.
Schwerpunkt Dark Patterns
Ebenfalls von der SPD-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagen wurde Prof. Dr. Peter Kenning von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er legte seinen Schwerpunkt ebenfalls auf die angedachte Regulierung der Dark Patterns. Die Entwicklung der digitalen Welt habe in vielen Bereichen zu einer hohen Komplexität des Verbraucheralltags geführt, sagte Kenning. Für Verbraucher sei dies problematisch, der Einsatz der seit 2010 bekannten sogenannten Dark Patterns durch Unternehmen mache sie verwundbar.
Es stelle sich die Frage, so Kenning, weshalb es in Deutschland 15 Jahre gedauert hat, bis die erste Regulierung vorgenommen wird. Für ihn zeige das einmal mehr, dass es Transferdefizite zwischen den Verbraucherwissenschaften und dem regulierenden Bereich gibt. Es sei daher gut, dass der Koalitionsvertrag eine Stärkung der Verbraucherforschung auch in diesem Bereich als politisches Ziel dieser Legislaturperiode definiert habe.
„Unlautere Werbung in großer Zahl zu finden“
Der Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf, dass die Werbung mit Umweltaussagen bereits nach geltendem Recht hohen Anforderungen unterliege. Die EU-Richtlinie 2024 / 825 bringe ein größeres Maß an Rechtssicherheit. Bisher könnten nur Unternehmen mit einer Rechtsabteilung wissen, welche Anforderungen sie bei entsprechender Werbung zu erfüllen haben. Zugleich werde der Verbraucherschutz gestärkt, denn unlautere Werbung mit Umweltaussagen sei aktuell in großer Zahl zu finden.
Der zu begrüßende Gesetzentwurf ziele darauf ab, die Richtlinie möglichst unverändert in deutsches Recht zu überführen, sagte Klinger, der auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur öffentlichen Anhörung eingeladen wurde. Der Entwurf vermeide Defizite bei der Umsetzung, gleichzeitig seien weitere Anpassungen nötig. Eine Reihe von Einwänden, die gegen den Entwurf vorgebracht worden seien, seien nicht tragfähig.
Stellungnahme der Wirtschaftsverbände
Stefanie Lefeldt vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft präsentierte eine gemeinsame Stellungnahme von 14 Wirtschaftsverbänden. Diese hielten die angedachten Regelungen für nicht unbedingt notwendig, sagte die für die Unionsfraktion teilnehmende Expertin. Nach Meinung der Verbände sei Greenwashing schon lange verboten. Und das UWG reiche, so wie es sei, dafür aus. Nichtsdestotrotz müsse man sich mit der EMPCO-Richtlinie beschäftigen. Die Probleme, die die Verbände hätten, beträfen eher die EMPCO an sich als deren vorliegende begrüßenswerte Eins-zu-eins-Umsetzung.
Um so wichtiger sei aber aus Sicht der Verbände, an den wenigen Stellschrauben, die noch übrig seien, auch zu drehen, sagte Lefeldt. Das betreffe unter anderem den Anwendungsbereiche Business-to-Business und Business-to-Customer. Aus Sicht der Verbände sollte der erstgenannte Bereich vollständig ausgenommen werden. In der Stellungnahme werden die Einschätzungen der Bundesregierung zum Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft als insgesamt nicht nachvollziehbar und unrealistisch niedrig bewertet.
Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth, der ebenfalls von der Unionsfraktion vorgeschlagen wurde, hält die Konzeption, die EMPCO-Richtlinie in UWG und Bürgerlichem Gesetzbuch getrennt umzusetzen, für sehr überzeugend. Nicht ganz so überzeugt sei er bei den Begriffsdefinitionen. Das betreffe die Begriffe Funktionalität und Haltbarkeit, die Kaufrechtsrichtlinien-Definitionen seien und praktisch Begriffsvorgaben für das BGB machen würden, was keine gute Gesetzgebung sei. Was keinesfalls so bleiben dürfe sei die Definition des Verbrauchers. Zu den Informationspflichten insgesamt fehle ihm eine hinreichende Rechtsfolgenabschätzung. Zum Problem der Dark Patterns sagte Schmidt-Kessel, hier würde dringend eine Klarstellung gebraucht, er würde aber eine Beschränkung auf Finanzdienstleistungen für „völlig sinnbefreit“ halten. Er würde allerdings nicht die Generalklausel umsetzen, wie von Busch vorgeschlagen, sondern die Einzelmaßnahmen.
„Bundesregierung soll Spielraum nutzen“
Wie Roland Stuhr von der Verbraucherzentrale Bundesverband in seiner Stellungnahme erklärt, kann das Verbraucherrecht durch klare Regelungen dazu beitragen, dass umweltbezogene Aussagen verlässlicher und überprüfbar werden und dadurch nachhaltige Kaufentscheidungen erleichtern. Angesichts der starken Verbreitung manipulativer Praktiken auf digitalen Schnittstellen wie Webseiten und Apps und der klaren Zielsetzung im Koalitionsvertrag forderte Stuhr ein konsequentes und wirksames Vorgehen des Gesetzgebers.
Während manipulative Praktiken grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit der Europäischen Union fielen, gelte für Finanzdienstleistungen eine Ausnahme. Hier sei jetzt auch der nationale Gesetzgeber aufgefordert, entsprechenden Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Diesen Spielraum müsse die Bundesregierung nutzen. Dazu machte der für die Fraktion der CDU/CSU teilnehmende Experte eine Reihe von Vorschlägen zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Entwurf sieht vor, dass Nachhaltigkeitssiegel künftig auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder staatlich anerkannt sein sollen. Zudem soll unter anderem ein Verbot eingeführt werden, Verbraucherinnen und Verbraucher beim Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen im Fernabsatz durch besondere Gestaltung von Online-Schnittstellen in unzulässiger Weise zu beeinflussen.
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen den unlauteren Wettbewerb eine erhebliche zusätzliche bürokratische Belastung für die Wirtschaft verursachen werde. Das Vorhaben verdeutliche, wo die „One in, one out“-Regel ihre Schwäche habe. Belastungen, die auf der Umsetzung von EU-Vorgaben beruhen, seien von der Verpflichtung zur Kompensation ausgenommen. Der NKR dringe deshalb gegenüber der Bundesregierung auf eine Abschaffung der Ausnahme. Das Instrument sei ansonsten keine wirksame Bürokratiebremse.
Stellungnahme des Bundesrates
In seiner Stellungnahme (21/2464) zum Gesetzentwurf fordert der Bundesrat eine praxisnähere Ausgestaltung der Fristen zur Umsetzung der EU-Richtlinie für die Neugestaltung von Verpackungen. Die Länderkammer hält die Umsetzungsfrist bis zum 27. September 2026 für zu kurz und bittet um eine Verlängerung, um wirtschaftlichen Schaden und Abfall zu vermeiden. Die Bundesregierung begrüßt das Anliegen des Bundesrates, sieht jedoch europarechtliche Hürden für eine Verlängerung der Fristen. Sie werde das Thema jedoch gegenüber der Europäischen Kommission aufgreifen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Stellungnahme des Bundesrates betrifft die Bürokratiekosten. Die Länderkammer weist darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie mit einem einmaligen Aufwand von rund 355 Millionen Euro sowie jährlichen Bürokratiekosten von rund 52 Millionen Euro für die Wirtschaft verbunden sei. Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die bürokratischen Lasten insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen deutlich zu reduzieren.
Gegenäußerung der Bundesregierung
Die Bundesregierung betont in ihrer Gegenäußerung, dass sie die Bürokratiekosten bereits im Dialog mit Wirtschaftsverbänden so weit wie möglich reduziert habe. Der Gesetzentwurf stelle zudem eine strikte Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie dar.
Die verbleibenden Belastungen von rund 52 Millionen Euro jährlich für alle Wirtschaftsbereiche seien durch die europäischen Vorgaben bedingt und könnten durch Vorgaben des innerstaatlichen Rechts nicht weiter reduziert werden. Trotzdem werde sich die Bundesregierung weiterhin dafür einsetzen, dass die neuen Regelungen mit möglichst wenig Aufwand umgesetzt werden können. (mwo/10.11.2025)