Kinderkommission

Bildungs- und Entwicklungschancen in der Schule

Zeit: Mittwoch, 13. März 2024, 15 Uhr bis 16.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.200

Entscheidende Weichen für die Bildungs- und Entwicklungschancen Heranwachsender werden in der Schule gestellt, wo die Kinder einen Großteil des Tages, und damit ihres Lebens, verbringen. Mit welchen Konzepten sie ihre Schule als Lehr-, Lern- und Lebensort verbessern, dazu standen im Fachgespräch der Kinderkommission am Mittwoch, 13. März 2024, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aus drei am Modellprojekt „Zukunftsschule“ teilnehmenden Schulen aus Niedersachsen den Mitgliedern der Kommission Rede und Antwort.

Personalmangel bremst Modernisierung der Schulen

Um den Kindern bestmögliche Chancen zu eröffnen, benötigen Schulen vor allem genügend Personal, Räumlichkeiten sowie eine Entlastung von Verwaltungstätigkeiten, sagte Arne Willms, Schulleiter der Alexanderschule Wallenhorst, einer Hauptschule mit 10. Klasse und Ganztagesangebot. Ein Schulleiter sei heute leider vor allem „Behörden- statt pädagogischer Leiter“. „Wir sind sehr stark mit bürokratischen Tätigkeiten beschäftigt. Es bleibt nicht die Zeit für pädagogische Entwicklungsarbeit.“

Seine Schule mit Ganztagsangeboten versuche für die Kinder nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensraum zu sein. „Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich bei uns wohl und bekommen eine Struktur in ihren Tag“, so der Direktor. Konzeptionell grundlegend für seine Einrichtung sei eine eigenverantwortliche Persönlichkeitsentwicklung, eine intensive Berufsvorbereitung sowie ein „gemeinschaftliches Schulklima“.

Zu den Hürden bei Modernisierung von Schule gehörten der „dramatische Fachkräftemangel“, die mangelhafte finanzielle Ausstattung und zu wenige Fortbildungen für Lehrer. Trotz der Länderzuständigkeit wünsche er sich vom Bund einen Vorstoß für ein kostenloses Deutschlandticket für Gruppenfahrten mit der Bahn, um die für die Entwicklung und Bildung so wichtigen außerschulischen Lernorte zu erreichen. Hilfreich wäre außerdem die Verankerung nationaler Bildungsstandards in den Curricula der Länder, um eine bessere Vergleichbarkeit von Kenntnissen und Abschlüssen zu gewährleisten.

„Es braucht Mut zu Visionen“

Wie Schule auf die sich wandelnden Anforderungen der Lebens- und Arbeitswelt mit ihren Komplexitäten und Unsicherheiten reagieren muss, darüber haben sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Oberschule Belm Gedanken gemacht. Dem solle die Schule mit methodisch vielfältigem Lernen, einer angemessenen technischen Ausstattung und dem Angebot der Mitsprache bei Fragen der Gestaltung des schulischen Alltags begegnen.

Ein etwas späterer Schulbeginn am Morgen, Mitsprache beim Stundenplan und eine moderne Unterrichtsgestaltung, die Inhalte mit Freude vermitteln, waren wichtige Punkte für die Kinder. Allerdings stießen Transformationsprozesse auf zahlreiche Hindernisse, sei es durch fehlende Ressourcen und Strukturen oder den Widerstand ängstlicher Kollegen, und müssten langfristig gedacht werden, gaben Schulleitung und Lehrkräfte zu bedenken. Es brauche „Mut zu Visionen“, „besser kleine als keine Schritte“ und man müsse „alle mitnehmen“.

Dem Anspruch Modellschule zu sein, wolle die Oberschule Belm mit einem „Whole School Approach“ gerecht werden, der drei Entwicklungsfelder in den Mittelpunkt stellt: Demnach soll eine „neue Begegnungskultur“ gelebt, neues fächerübergreifendes Lernen ermöglicht und eine neue, konzeptionell abgesicherte Digitalkultur angeboten werden. Das Team der Oberschule Belm warb für das „Modellprojekt Zukunftsschule“ als zentralem Ideen- und Methodengeber für Schulentwicklungsprozesse, wobei vor allem die Qualität des Lernens und das Bewusstsein für professionelles Arbeiten und der Mut auf Seiten der Lehrer, sich in diesem Sinne für neue Strukturen einzusetzen, im Mittelpunkt stehen müsse.

Schüler „blühen auf“ beim „FreiDay

Zu den pädagogischen Formaten des Modellprojekts, bei dem, so ein Lehrer, „die Schüler aufblühen“, gehört der „FreiDay“, der auf eine lebensnahe, weitgehend selbstbestimmte Projektarbeit jenseits des formalen Schulwissens ziele. Tatsächlich meist an einem Freitag befassen sich in diesem Rahmen Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum und jahrgangsübergreifend mit selbstgewählten Themen, die vom Tierschutz über die Pflege des Schulgartens und gesunde Ernährung bis hin zu Mobilität und Upcycling reichen.

Im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen könnten die Kinder auf diese Weise etwas bewegen. Die Schule gebe dem bei aller Freiheit eine gewisse Struktur, so dass die jungen Leute ihre „großen Träume auf kleine Ziele herunterbrechen können“, und am Ende dieses kleinschrittigen Vorgehens ein Projekterfolg der Gruppe stehe. Vertreterinnen und Vertreter aller drei anwesenden Schulen berichteten über ihre positiven Erfahrungen mit dem „FreiDay“.

Freier Nachmittag durch „Lerncoaching

„Lerncoaching“ sowie die digitale und kulturelle Teilhabe schließlich haben die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Hermann-Freye-Gesamtschule Dissen als Faktoren identifiziert, die wesentlich über Bildungs- und Entwicklungschancen entscheiden können. Die 2017 gegründete „integrierte Gesamtschule“ habe sich von Beginn an als Zukunftsschule bezeichnet, so deren Schulleiter Jan Wessels. Schüler sämtlicher Schulzweige würden dort gemeinsam unterrichtet und könnten am Ende den zu ihnen passenden allgemeinbindenden Schulabschluss erreichen.

Bei der Methode des „Lerncoaching“ gehe es darum, die Kinder zu befähigen, selbstbestimmt zu lernen. Gemeinsam mit den Lehrern würden individuelle Ziele und Schritte vereinbart, die Arbeit werde betreut, die Kinder arbeiteten mit Fachlehrern und Mitschülern, mit einer Checkliste behalte man die Orientierung, halte dort die nächsten Schritte und die getane Arbeit Arbeit fest - ein Erfolgserlebnis! Wenn man die persönliche Lernzeit, „Perle“, in der Schule gut nutze, sei der Nachmittag praktisch hausaufgabenfrei, erläuterte die Schülersprecherin das Konzept.

Das Lerncoaching sei auch deshalb so wichtig, „damit Bildungserfolg unabhängiger von elterlichen Ressourcen wird“, so die Klassenlehrerin einer 6. Klasse. Dazu müsse man unbedingt die nötigen personellen Ressourcen vorhalten. Die Bildungs- und Entwicklungschancen der Kinder müssten außerdem verbessert werden durch kostenlose Bahnfahrten für Schülergruppen, um kulturelle Teilhabe, sowie durch einen „Digitalpakt 2“, um die digitale Teilhabe abzusichern, forderten Lehrer und Schüler der Hermann-Freye-Gesamtschule. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zeigten sich gleichermaßen inspiriert und motiviert von dem Projekt Zukunftsschule. Man habe eine gemeinsame Aufgabe, treffe Gleichgesinnte und gehe wieder gerne zur Schule hieß es unisono. (ll/13.03.2024)

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