Klimaschutz

Experten begrüßen geplanten Zuschuss zu den Übertragungs­netzkosten

Zeit: Montag, 6. November 2023, 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Montag, 6. November 2023, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit dem beabsichtigten Zuschuss zu den Übertragungsnetzkosten aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Höhe von 5,5 Milliarden Euro befasst. Die entsprechende Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (20/7310, 20/8165), die die Bundesregierung plant, wurde von den geladenen Expertinnen und Experten ganz überwiegend begrüßt. Deutlich wurde der weitverbreitete Wunsch nach e ner dauerhaften Lösung für die kommenden Jahre.

Tetiana Chuvilina, Leiterin Politik des Netzbetreibers TenneT, die auf Vorschlag der Grünen-Fraktion sprach, hielt eingangs der Debatte noch einmal fest, dass die Strompreise weiterhin sehr hoch seien. Das belaste die Verbraucher wie auch die Übertragungsnetzbetreiber. Ohne den nun geplanten Zuschuss würden die absehbaren Kostensteigerungen – bis 2030 würden 150 Milliarden in den Netzausbau investiert – schon zeitnah eine Verdopplung des Kilowatt-Strompreises bedeuten. Deshalb begrüße sie den staatlichen Zuschuss, der Verbraucher bundeseinheitlich entlaste, ohne regionale Unterschiede.

BDEW: Weitere Schritte nötig

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüße alle Maßnahmen, die helfen den Strompreis zu entlasten, sagte Andrees Gentzsch, Mitglied der BDEW-Hauptgeschäftsführung, der auf Vorschlag der SPD-Fraktion sprach. Der geplante Zuschuss sei von enormer Wichtigkeit, bezahlbare Strompreise seien von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Die außergewöhnlich hohen Kosten der Netzbetreiber vor allem für Redispatch-Maßnahmen und die Beschaffung von Ausgleichsenergie (4,2 Milliarden im Jahr 2022) würden so – zumindest auf der Übertragungsnetzebene – nur teilweise in die Netzentgelte eingehen. Die Verbraucher würden entlastet.

Als wünschenswerte weitere Schritte nannte Gentzsch die Verlängerung der Preisbremsen, die Beibehaltung des abgesenkten Umsatzsteuer-Satzes und die Reduzierung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz.

„Zuschuss ist gut – Klimageld wäre besser“

Lion Hirth, Professor of Energy Policy bei der Hertie School, der auf Vorschlag der SPD-Fraktion sprach, nannte den Zuschuss von 5,5 Milliarden Euro als „sicher eine der besseren Optionen“. Besser noch aber wäre es, so sein Vorschlag, die Summe als Klimageld auszugeben. Das hätte aus seiner Sicht den Vorteil, dass Geringverdiener-Haushalte stärker entlastet würden als andere.

Hirth machte sich zudem dafür stark, Deutschland in Strompreiszonen aufzuteilen – in der Folge eines solchen Schrittes, würden die Netzentgelte sinken, sagte Hirth.

„Ohne Zuschuss würde sich der Preis verdoppeln“

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung 50Hertz, nannte den Vorschlag geteilter Strompreiszonen eine „akademisch interessante Option, aber praktisch sehr teuer.“ Der geplante Zuschuss diene der Erfüllung von im allgemeinen im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber und stelle eine anteilige Finanzierung der Übertragungsnetzkosten für das Jahr 2024 dar.

Als wesentliche Haupttreiber für den starken Anstieg der Übertragungsnetzkosten nannte Kapferer, der auf Vorschlag der FDP-Fraktion sprach, die weiterhin krisenbedingt hohen Energiepreise. Ohne den hier beabsichtigten Zuschuss würde es zu einer Verdopplung der Übertragungsnetzentgelte von 3,12 ct/kWh in 2023 auf 6,68 ct/kWh in 2024 kommen, sagte er.

„Speicher-Ausbau nicht vernachlässigen“

In der Erwartung von Hanns Koenig vom Central Europe Aurora Energy Research, auf Vorschlag der Linken-Fraktion geladen, werde der Zuschuss kostensenkend wirken, aber darüber hinaus auch den Anstieg des Strompreises im letzten Jahr überkompensieren. Auch Koenig würde stärker zielgerichtete Subventionen – etwa in Form des Klimageldes – bevorzugen.

Zudem wünschte er dem im Energiewirtschaftsgesetz durchaus abgesprochenen Ausbau der Stromspeicherkapazitäten in Deutschland mehr Beachtung.

„Kosten werden weiter steigen“

Letztlich komme der Zuschuss allen Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden zugute und stelle somit eine Kompensation des Energiekostenanstiegs dar, sagte Marco Stoltefuß, der Leiter des Regulierungsmanagements bei Amprion, der auf Einladung der Union sprach. Mit Blick auf die Folgejahre gehe er aber weiterhin von hohen Netzkosten und damit hohen Netzentgelten aus.

Hauptkostentreiber sei das Engpassmanagement, das derzeit 40 Prozent der gesamten Netzkosten ausmache. „Engpassmanagementkosten sind dabei keine originären Netzkosten – sie sind vielmehr notwendige Transformationskosten auf unserem Weg zu einem dekarbonisierten Energiesystem“, sagte Stoltefuß und fügte hinzu, aus seiner Sicht müsse eine nachhaltige und längerfristige gesetzliche Lösung für die Problematik der weiterhin steigenden Kosten geschaffen werden.

Zuschuss auch für Verteilernetze gefordert

Dr. Andreas Zuber vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) lobte den „relativ geringen administrativen Aufwand“ der Gesetzesanpassung. Den wünsche er sich auch in anderen Fällen, sagte Zuber, der ebenfalls auf Anregung der Union sprach. Zuber wies darauf hin, dass alles, was über die Übertragungsnetzwerke gesagt wurde, auch für die Verteilernetze gelte. Alle im Rahmen der Langfristszenarien untersuchten Konstellationen gingen von einer Verdopplung der Kosten der deutschen Verteilungsnetze bis 2045 aus: Die Stadtwerke bewirtschafteten aktuell rund 803.000 Kilometer Stromverteilnetze und 339.000 Kilometer Gasverteilernetze.

Über 90 Prozent der Erneuerbaren-Energien-Anlagen speisen in die Netzebenen der Verteilnetzbetreiber ein. Die Energiewende finde in den Verteilnetzen statt, so Zuber, der deshalb anregte, gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen zu den regional sehr unterschiedlichen Verteilnetzentgelten einen vergleichbaren entlastenden Mechanismus auch für die Ebenen der Verteilnetzbetreiber zu schaffen. (mis/06.11.2023)

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