Klimaschutz

Experten sehen Nachbesserungsbedarf beim Solarpaket I

Zeit: Mittwoch, 15. November 2023, 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200

Die von der Bundesregierung im sogenannten Solarpaket I geplanten gesetzlichen Neuregelungen zum Ausbau der Photovoltaik (20/8657) stoßen bei Sachverständigen auf grundsätzliche Zustimmung. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch, 15. November 2023, wurden jedoch weitere Änderungen angemahnt, damit der jährliche Leistungszubau bei PV-Anlagen wie geplant bis auf 22 Gigawatt (GW) gesteigert und für die Folgejahre auf diesem hohen Niveau stabilisiert werden kann.

Durch das Gesetz soll die Förderung für besondere Solaranlagen, sogenannte Agri-PV, Floating-PV, Moor-PV und Parkplatz-PV, neu geregelt werden. Zudem soll die für den Bau von PV-Anlagen geltende „Opt-in“-Ermächtigung der Länder für benachteiligte Gebiete durch eine „Opt-out“-Ermächtigung der Länder ersetzt werden, von der die Länder Gebrauch machen können, wenn die Flächennutzung der landwirtschaftlichen Flächen einen gesetzlich definierten Anteil übersteigt. Des Weiteren zielt die Regelung darauf ab, den PV-Zubau auf dem Dach zu erleichtern sowie den Mieterstrom zu vereinfachen und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung zu ermöglichen.

Photovoltaik im ländlichen Raum

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), begrüßte insbesondere die Öffnung benachteiligter Gebiete, worunter schwach ertragfähige landwirtschaftliche Flächen verstanden werden, für Photovoltaik-Freiflächenanlagen, „solange die Länder diese Flächen nicht ausschließen“. Dringend abzuraten sei indes vor weiteren zusätzlichen Regelungen beim Thema Netzanschluss, sagte Andreae. Hier brauche es eine Beschleunigung ebenso wie eine Vereinfachung.

Im ländlichen Raum frage man immer öfter: „Was haben wir eigentlich vor Ort von der Energiewende?“, sagte Timm Fuchs als Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände. Daher sei es gut, dass in dem Gesetz die Beteiligungsmöglichkeiten der Gemeinden auf die sogenannten Solaranlagen des ersten Segments ausgeweitet würden. Noch besser wäre aus seiner Sicht allerdings eine verpflichtende Beteiligung der Gemeinden an den erneuerbaren Energien.

Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag machte deutlich, dass der PV-Ausbau vor allem auf Dächern, Gebäuden oder anderen sonstigen versiegelten Flächen vorangetrieben werden müsse. Dadurch sei eine flächenschonende, dezentrale, versorgungsnahe und somit klimafreundliche und nachhaltige Energieversorgung möglich. Den Gemeinden müsse es auf jeden Fall möglich sein, vor Ort und nach Bedarf über die Flächennutzung zu entscheiden, sagte sie.

Wiederansiedlung der Solarindustrie

Aus Sicht von Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), besteht aktuell im harten Standortwettbewerb mit den USA und Asien „die vermutlich letzte Chance für eine Wiederansiedlung der Solarindustrie in Deutschland“. Dazu fehlten aber nach wie vor die richtigen Investitionssignale, um die erforderlichen Milliardeninvestitionen nach Europa zu locken. Das Solarpaket biete dafür eine einmalige Gelegenheit, sagte er. Wenn eine Renaissance der Solarindustrie gelingen solle, dürften Verbraucher und Unternehmen nicht draufzahlen, wenn sie sich für europäische Solarprodukte entschieden. Daher müssten die lediglich in der Anlaufphase höheren Fertigungskosten abgefedert werden.

Dem stimmte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, zu. In den USA und in Asien gebe es massive Fortschritte bei den Investitionen in Klimatechnologien. „Da brauchen wir in Europa und in Deutschland Antworten“, machte sie deutlich. Entscheidend für das Erreichen der PV-Ausbauziele sei es aber auch, gewerbliche Immobilienbesitzer deutlich stärker zu PV-Investitionen zu bewegen. Daher müssten die EEG-Vergütungssätze für neue PV-Gewerbedächer entsprechend der marktüblichen Renditeerwartungen angepasst werden.

Anne Eibisch als Vertreterin des Solarzellenproduzenten Meyer Burger GmbH sprach von massiven Wettbewerbsnachteilen aufgrund unfairer Handelspraktiken chinesischer Solarunternehmen, denen ihr Unternehmen schutzlos ausgeliefert sei. Die Aufnahme eines Resilienz-Konzepts wie vom Bundesverband Solarwirtschaft für das Solarpaket 1 vorgeschlagen, bietet ihrer Ansicht nach nicht nur die einmalige und vielleicht letzte Chance, einen erneuten Exodus der deutschen Solarindustrie zu verhindern, „sondern sorgt auch dafür, dass unsere Industrie deutlich und entlang der antizipierten Marktentwicklung sowie der politischen Ziele skaliert werden kann“.

Regelungen zum PV-Ausbau

Um den anhaltenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen zu begrenzen, muss aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes der PV-Ausbau „weg von gutem Ackerland und hin zu Dächern, zu Extensivstandorten, zu Konversionsflächen und in Richtung einer Kombinationsnutzung mit landwirtschaftlicher Erzeugung kanalisiert werden“. Auf klare Ablehnung stößt laut Verbandsvertreter Bernhard Krüsken die geplante Duldungspflicht zur Verlegung von Leitungen und weiterer Netzanschlussinfrastruktur. Das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsrechte und zudem nicht verfassungskonform. Außerdem eröffne es Konfliktpotenziale.

Birthe März, Referentin für Klima- und Transformationspolitik beim Deutschen Naturschutzring, forderte einen breitenwirksamen und gesetzlich festgeschriebenen Solar-Standard bei Neubau, Umbau und Sanierung für alle geeigneten Dachflächen und andere geeignete versiegelte Flächen. Bei Solar-Freiflächenanlagen müssten bei der Umwandlung unversiegelter und landwirtschaftlicher Flächen zu Standorten für Freiflächenanlagen Anforderungen des Naturschutzes eingehalten werden, sagte sie. So könnten Naturschutz und eine beschleunigte Energiewende in Einklang gebracht werden. Ein Mehr an Biodiversität stärke zudem die Akzeptanz vor Ort.

Hemmnisse für den Freiflächenausbau

Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter bei der Stiftung Umweltenergierecht, sagte, über Anpassungen im Förderrecht hinaus seien weitere Hemmnisse für den Freiflächenausbau abzubauen. Die angekündigten Änderungen im Planungsrecht seien hierfür perspektivisch wichtig. „Eilbedürftiger wäre es, den Netzausbau verstärkt in Angriff zu nehmen“, befand er. Zudem sollte aus seiner Sicht geprüft werden, inwieweit insbesondere steuerrechtliche Regelungen für die Erschließung landwirtschaftlicher Flächen einer Änderung bedürfen.

Aus Sicht von Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft, geht es nicht darum, „irgendwelche Vergütungen anzuheben, sondern auf dem Pfad zu bleiben, Hemmnisse abzubauen“. Dazu gehöre etwa das Thema Wegerecht. Nachgearbeitet werde müsse zudem hinsichtlich eines Mechanismus, der dazu führt, dass nicht erreichte Ziele bei der Windenergieerzeugung durch Photovoltaik ausgeglichen werden können. Stattdessen gebe es aber innerhalb der Photovoltaik noch bremsende Elemente, die dies verhinderten, sagte er.

Entbürokratisierung und Netzausbau

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien müsse auch der Ausbau der Energiespeicher mitgedacht werden, forderte Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer beim Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES). Es brauche eine Entbürokratisierung durch einen Gleichlauf der Privilegierungen für PV-Anlagen und Speicher. „Hier hat der Gesetzentwurf deutlichen Nachholbedarf“, befand er. So sei beispielsweise die neue gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sehr zu begrüßen. Sie stelle ein sehr niedrigschwelliges Angebot dar, in die Erzeugung von erneuerbaren Energien einzusteigen. Leider sei aber der Speicher nicht mitgedacht und ein Zwischenspeicherung des PV-Stroms ausgeschlossen worden.

Martin Zembsch, Geschäftsführer der Climagy Projektentwicklung GmbH, verwies auf fehlende Netzkapazitäten. „Das ist das eigentliche Problem“, befand er. Die besten Ausbauprogramme nützten nichts, wenn die geförderten Projekte schlussendlich nicht angeschlossen werden können. Der Netzausbau, so Zemsch, sei nicht so vorangetrieben worden, wie es hätte sein müssen. Noch immer dauerten Genehmigungen sehr lange. Zudem würden Netzbetreiber auch an ihre Finanzierungsgrenzen stoßen. (hau/15.11.2023)

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