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Von Bettina Allamoda zu James Turrell - Kunstankäufe für das Paul-Löbe-Haus

Der Deutsche Bundestag hat nicht nur orts- und architekturbezogenen Installationen im Paul-Löbe-Haus gestalten lassen. Er hat auch Kunstwerke unmittelbar beim Künstler oder Galeristen für das Paul-Löbe-Haus erworben. Es handelt sich um Arbeiten von Bettina Allamoda, Donald Judd, Carsten Höller, Thomas Locher, James Turrell und vielen weiteren Künstlern.

Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hatte noch im Jahre 1996 in Bonn beschlossen, mit dem Bau der Parlamentsgebäude in Berlin dieses umfangreiche und anspruchsvolle Kunst-am-Bau-Programm zu verbinden, und zwar in allen Parlamentsbauten, dem Reichstagsgebäude, dem Jakob-Kaiser-Haus, dem Paul-Löbe-Haus und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. So wurden Künstler zu direkten Aufträgen, zu Kolloquiumsverfahren sowie zu Wettbewerben eingeladen. Nunmehr sind im Paul-Löbe-Haus, in dem seit 2001 die Ausschüsse des Deutschen Bundestages tagen, die Werke deutscher und internationaler Künstler zu sehen, die das Erscheinungsbild des Paul-Löbe-Hauses wesentlich mitbestimmen und auf die beeindruckende Architektur des Münchener Architekten Stephan Braunfels durch die Setzung eigener künstlerischer Akzente reagieren.

Die besondere Herausforderung für Künstler, die sich an Kunst-am-Bau-Projekten beteiligen, besteht darin, unabhängig und doch zugleich kooperativ zu arbeiten. So sollen die Künstler mit dem Architekten in einen Dialog treten und gemeinsam mit ihm Kunstprojekte entwickeln, die sowohl ihre eigene künstlerische Position widerspiegeln, aber zugleich eine enge Verbindung mit der Architektur eingehen, so daß zwar baubezogene, aber doch zugleich autonome künstlerische Werke entstehen. Beim Bau des Paul-Löbe-Hauses wurden die Künstler ganz im Sinne dieser Idealvorstellung eines Kunst-am-Bau-Programms schon frühzeitig in die Planungskonzeption mit einbezogen.

Jedoch zehn Prozent der Summe, die für Kunstprojekte zur Verfügung stand, wurden für Ankäufe zurückgestellt, standen also nicht für Kunst-am-Bau-Installationen zur Verfügung. Nicht nur die Installationen, sondern auch diese angekauften Werke stellen einen Bezug zur Architektur her, sei es daß sie die geometrische Zeichenhaftigkeit der Architektur aufgreifen, sei es dass sie bewusst eine künstlerische Gegenposition beziehen.

Die Kunstankäufe für das Paul-Löbe-Haus

Eine Auswahl

Bettina Allamoda - „Gothic New Wave - Architectural Warhol“, 1998

Die deutsch-amerikanische Künstlerin (1964 geboren, lebt und arbeitet in Berlin) setzt sich in ihren Arbeiten in einer Art „Archäologie der Gegenwart“ mit den Bildern auseinander, die unsere Gegenwart und unsere Vorstellung von der Vergangenheit bestimmen. Ironisch spielt sie - wie auch der Titel verrät - mit der Technik Andy Warhols, der Trivialmotive oder historische Bildikonen durch den Siebdruck verfremdete. In diesem Sinne greift sie auf ein Touristen-Dia der Abteikirche Mont-Saint-Michel in Frankreich zurück, das über die Jahre durch den Leuchtkasten des Souvenirladens grünstichig geworden ist.

In einer Abfolge von drei Abbildungen zeigt sie zunächst den schemenhaft erkennbaren gotischen Chorraum der Abteikirche, den sie im mittleren Bild mit der berühmten Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp (1950-54) von Le Corbusier - gewissermaßen als Logo der klassischen Moderne - überblendet, bis schließlich im dritten Bild der gotische Innenraum fotografisch klar hervortritt. So wird aus der Überblendung von Gotik und klassischer Moderne „ein neuer Entwurf von Geschichte sichtbar“ (Bettina Allamoda).

Horst Bartnig - „60 Unterbrechungen“, 1998, Auflage 4/6

Horst Bartnig (1936 in Militsch/Schlesien geboren) gehörte zu den ersten Künstlern in der DDR, der die ästhetischen Gestaltungsmöglichkeiten mit Hilfe von Computerprogrammen erkannte und nutzte. Ein Textblatt und elf Holzschnitte spielen die Farb- und Formvarianten durch, die sich aus einem Grundschema entwickeln lassen.

Dieses besteht aus 60 senkrechten Strichen und deren 60 Unterbrechungen - daher der Titel „Unterbrechungen“ -, wobei die Blätter identisch in der Form, aber wechselnd in der Entwicklung der sechs Farben von Orange zu Blau gestaltet sind. Bereits im Jahre 1994 hatte Horst Bartnig die farbige Innengestaltung für das Gebäude des Deutschen Bundestages Unter den Linden 71 entworfen.

Karl Bohrmann - „o. T.“, 1987, „o. T.“, 1989, „o. T.“, 1993 und „o. T.“, 1994

Karl Bohrmann (geboren 1928 in Mannheim, gestorben 1998 in Köln) entwickelt in seinen Papierarbeiten mit sparsamen Gestaltungselementen räumliche Andeutungen in immer stärkerer Reduktion und Vergeistigung. So rufen die zart verspannten Linien, collagierten Papierstücke, die transparente Farbflächen und verwischten Farbspuren entfernt Landschaften in Erinnerung und sind doch zugleich abstrakte poetische Gestaltungen, die nur für sich selber stehen.

Der Komponist Helmut Lachenmann, der bereits 1967 sein Werk „Consolation I“ Karl Bohrmann widmete, wählte für seine neueste Arbeit „Schwankungen am Rand“ die Zeichnung „Ohne Titel“ von 1994 für das CD-Cover aus.

Sylvie Fleury - „Untitled“, 1991, und „Untitled (Spring)“, 1997

Die Künstlerin (1961 in Genf geboren) huldigt dem schönen Schein der Luxuswarenwelt. Das Titelbild eines Hochglanzmagazins oder ein Kasten mit Luxusschuhen geben die Welt der Werbung und des Konsums scheinbar unreflektiert wieder. Dadurch jedoch, daß das Zeitschriftenbild auf die Größe eines Tafelbildes gebracht und wie ein klassisches Gemälde an der Wand hängt, steigert Sylvie Fleury noch einmal die suggestive Wirkung dieser Warenästhetik.

So starrt das stark geschminkte Modell wie ein Götzenbild von der Wand herab den Betrachter an, ein Katzenkopf wie ein Dämon hinter ihrer Schulter: Strategien der Konsumwerbung werden auf diese Weise Teil des künstlerischen Diskurses, werden mithin bewusst gemacht, jedoch durchaus affirmativ im Sinne einer Offenlegung der eigenen Obsession.

Roland Fischer - „Köln C“, 1997

Auch der Fotograf Fischer (1958 in Saarbrücken geboren) überlagert in seiner Arbeit aus der Serie „Kathedralen“ - ähnlich wie Bettina Allamoda - fotografische Aufnahmen, hier die des Kölner Domes. Arbeitsweise und Anliegen des Künstlers sind jedoch gänzlich anders: Er zeigt die Realität hinter der Realität, das Geistige hinter der materiellen Oberfläche auf. So bildet er drei Außenportale der gotischen Kathedrale ab und überblendet - computergeneriert- deren Spitzbogenformen mit einer Aufnahme des Innern der Kirche.

Durch diese Überblendung entstehe, wie der Künstler sagt, „ein Raum außerhalb des Raumes“, geschaffen aus dem Inneren, in dem sich das Geheimnis des Glaubens spiegle, und dem Äußeren, das diesem Innern Halt gebe. Durch die Überblendungstechnik wird zugleich die mittelalterliche gotische Formensprache in die ästhetische Sprache der Gegenwart transformiert, das Kunstwerk ist Ausdruck des Spiels mit der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.

Martin Gerwers - „o. T.“, 1995 und „o. T.“, 1997

Auf waage- und senkrechte Linien und nur in Nuancen der Tönung voneinander abweichende Farbflächen sind die Gemälde Martin Gerwers (1963 in Velen geboren) beschränkt. Diese Farbflächen und die sie trennenden Linien entstehen als Ergebnis eines Arbeitsprozesses, bei dem der Künstler Farbschicht über Farbschicht aufträgt und wieder abschleift. Der Betrachter muss sich auf die Bilder und ihre fein nuancierte Gestaltung mit Zeit und Geduld einlassen.

Zwar scheinen manche dieser Kompositionen ironisch kunsthistorische Vorbilder zu zitieren, doch legt der Maler Wert darauf, sie seien nur „eine Bemerkung über das Vergnügen der Wahrnehmung“, eine Anregung zum Einhalten und zum Genießen der „einfachen Beobachtung“: „Für mich ist der Zusammenhang bedeutsam von traditioneller Leinwandmalerei und Wandmalerei, die für einen bestimmten architektonischen Raum konzipiert ist, immer wieder thematisierend die Fülle und die Leere und die Konfrontation der Betrachters mit dieser so grundlegenden Empfindung.“

Katharina Grosse - „o. T.“, 1998

Die Meisterschülerin (1961 in Freiburg im Breisgau geboren) Gotthard Graubners konzentriert sich in ihren Arbeiten ganz auf die Wirkung der Farbe, genauer auf die Interaktion von Farben. Auf Aluminium hat sie mit breiter Quaste Farbbahnen aufgetragen, die nebeneinander stehen und allein durch ihre gegenseitige Farbwirkung unsere Wahrnehmung der Farben beeinflussen.

Dort, wo sich die Farbbahnen überlagern, entsteht eine neue, dritte Farbqualität aus durchscheinendem Untergrund und lasierend übermalter Farbe. Katharina Grosses Arbeiten liegen rahmenlos - als seien sie ein Teil der Wand - flach auf, sind als autonome Farbsetzungen Teil der Architektur und des Raumes.

Eberhard Havekost - „Schwabing 1“, „Schwabing 2“, „Lichtenberg 1“, „Lichtenberg 2“, „Bornheim 3“, 1998

Zwar ist der ehemalige Schüler von Ralf Kerbach Dresdener (dort 1967 geboren), doch fühlt er sich weniger der malerischen Tradition dieser Stadt verpflichtet. Ihn faszinieren mehr die neuen Sehgewohnheiten, die sich durch die Allgegenwart von Fernsehbildern und Fotos herausbilden. Nicht zufällig haben seine Bilder daher die Größe eines Fernsehschirmes, oft dienen ihm Schnappschüsse oder Fotos aus Zeitschriften als Vorlage.

So sind seine Inkplots geradezu seriell wie aufeinanderfolgende Einzelbilder aus einem Film angelegt. Sie zeigen austauschbare anonyme Hausfassaden hinter den immergleichen Vorgartenbäumen - im Vorüberfahren gesehen und schon vergessen, die Welt als Fassadenfläche.

Matthias Hoch - „Das Reichstagsgebäude“, 1993

Der Leipziger Fotograf (1958 geboren) bildet Architektur, genauer Ausschnitte von Innenräumen oder sogar nur einzelnen Raumelemente ab. Durch die extreme Ausschnittwahl gewinnen die einzelnen Elemente ein skulpturales Eigenleben, ihr räumlicher Zusammenhang erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wenn überhaupt, so daß die Fotos wie abstrakte Gestaltungen wirken.

Und doch verbirgt sich hinter ihnen mehr als nur ein selbstreferenzielles ästhetisches Spiel: Die so harmlos die Gitterstruktur kontrastierenden Kabelstränge, die serielle Ästhetik der übereinander gestapelten Tonbandrollen sind Aufnahmen aus der Stasi-Zentrale in Leipzig, zu Skulpturen geronnene Dokumente von Unterdrückung und Verfolgung.

Candida Höfer - „Schloß Cecilienhof Potsdam III“, 1990, und „Museum Karlshorst Berlin III“, 1991

Die Fotografin (geboren 1944 in Eberswalde) gehört mit Andreas Gursky, Axel Hütte und anderen zur sogenannten „Düsseldorfer Schule“ oder „Becher-Schule“, einer Gruppe von Fotografen, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd und Hilla Becher ausgebildet wurden. Ausgangspunkt dieser Schule ist eine sachliche, sich inhaltlicher Festlegungen entziehende, aber zugleich konzeptuelle Sehweise. Candida Höfer führt dabei insbesondere die Idee des seriellen Arbeitens fort, indem sie bestimmte Typen öffentlicher Innenräume in groß angelegten Sequenzen fotografiert, so zum Beispiel Museums- oder Bibliotheksräume.

Allein dieses serielle Prinzip erlaubt ein vergleichendes Erkennen, wie der Raum und seine Gestaltung die dort stattfindenden Handlungen prägt, aber wie auch umgekehrt die Geschichte in diesen Räumen ihre Spuren hinterlassen hat. Mit „Museum Karlshorst Berlin III“ und „Schloß Cecilienhof Potsdam III“ zeigt sie zwei Räume, in denen jeweils weltgeschichtliche Verhandlungen geführt wurden und die nunmehr als museale Räume in eine geradezu unwirkliche Starre und Aufgeräumtheit transformiert worden sind.

Carsten Höller -„Quallen 1“ und „Quallen 3“, 1998

Carsten Höller (geboren 1961 in Brüssel) hatte sich bereits als Naturwissenschaftler habilitiert, ehe er sich entschloss, die Grenzen der Wissenschaft zu überschreiten und künstlerisch zu arbeiten. Er schlägt jedoch in seinem Werk immer wieder eine Brücke von der Kunst zur Naturwissenschaft - oft in eigenwilligen absurden oder ironischen Spiel- und Versuchsanordnungen zur „Heilung von der Gewissheit“.

Eine solche Verunsicherung eignet auch den Fotografien der Quallen: Sie sind einerseits naturkundliche Aufnahmen von Meeresorganismen, die aber durch die hochartifizielle Form ihrer Präsentation zum künstlerischen Ereignis stilisiert werden. So gewinnen sie - aus einem Biologisches bloß abbildenden und dokumentierenden Zusammenhang herausgenommen - eine geradezu ätherische, dekorativ-ornamentale Schönheit und enthalten doch zugleich eine hintersinnig-bösartige Anspielung auf den Videofilm „Jenny happy“ (1993) des Künstlers, in dem dieser eine Quallen-Falle für Kinder am Strand baute.

Stefan Hunstein - „Nationalgalerie 13“ und „Nationalgalerie 7“, 1998

Der Fotograf und Schauspieler Stefan Hunstein (geboren 1957 in Kassel) verarbeitet im Medium der Fotografie vorgefundene Aufnahmen weiter. Es handelt sich um historische Aufnahmen, die durch Vergrößerung und farbliche Verfremdung das ursprüngliche Motiv nur noch schemenhaft erahnen lassen. Der Betrachter kann diese Bilder nicht in der üblichen Schnelligkeit, mit der Fotos gesehen oder übersehen werden, aufnehmen. Er ist aufgefordert, sich in das Bild zu vertiefen und den dargestellten Vorgang zu enträtseln.

Die Motive, Menschen vor dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Reichstagsgebäude sowie ein Ausschnitt aus einer Volksmenge, stellen einen unmittelbaren Bezug zur Arbeit demokratisch gewählter Abgeordneter im Paul-Löbe-Hauses dar, ähnlich den Entwürfen, die Stefan Hunstein für die Ausschußsitzungssäle gefertigt hatte.

Axel Hütte - „Montevarchi“ und „San Donato“, 1992

Axel Hütte (geboren 1951 in Essen) gehört wie Candida Höfer zur Düsseldorfer Fotoschule. Seine Landschaftsaufnahmen unter anderem aus Italien, Frankreich und der Schweiz sind kompositorisch durch den Gegensatz von Nähe und Ferne bestimmt. Sie erlauben einen weiten Blick in die Landschaft, der aber stets von einem Bauwerk im Bildvordergrund aufgefangen wird.

Jene Ferne vergeht in einem milchigen Nebel, die Bauwerke wirken verfallen und menschenleer, sodass seine Aufnahmen, die vordergründig touristisch bekannte Landschaften zeigen, eine melancholische Gestimmtheit erzeugen. Es ist, als wollten sie zum Verlassen der unwirtlichen Gebäude und zum Aufbruch in jene unbestimmte Ferne auffordern.

Donald Judd - „o. T.“, 1993

Der amerikanische Bildhauer (geboren 1928 in Excelsior Springs, Missouri, gestorben 1994 in New York) ist einer der bedeutendsten Künstler der Minimal-Art. Kennzeichnend für ihn sind Arbeiten aus industriell gefertigten Werkstücken, oft aus Metall, in einfachen geometrischen Formen. Sie werden seriell aneinander gesetzt und fügen sich zu großformatigen Skulpturen.

In vergleichbarer Weise zeigen die Holzschnitte die einfache geometrische Form einer rechteckigen nur von einer weißen Linie unterbrochenen Rahmung, randlos eingefaßt von einem Rahmen aus verzinkten Eisenblech. Auf die Glasplatte ist jeweils eine Linie in Ölfarbe aufgetragen. So überspielt der Künstler die herkömmlichen Vorstellungen von Rahmen und Bild. Seine Holzschnitte sind mit dem Rahmen und der Glasplatte lediglich Teil einer Skulptur, eines Wandreliefs, das seine Grundidee der seriellen Skulptur variiert.

Werner Knaupp - „Schwarze Wolke“, 1998

Einen eigenen Weg zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit hat der Nürnberger Maler (geboren 1936) gefunden. Seine Bilder gehen stets vom Abbild von Naturphänomenen oder Landschaften aus. Er arbeitet jedoch deren geometrische Formen in mehrfacher Reihung heraus, beispielsweise Berge oder Sanddünen, so daß ein Spiel geometrischer Formen entsteht, das den ursprünglichen Abbildcharakter zurücktreten läßt.

Diesen ungegenständlichen Eindruck verstärkt der Maler noch durch die erdhafte, dicht aufgetragene Materialität seiner Pastellfarben. So springt das Auge des Betrachters zwischen der Wahrnehmung einer tiefenräumlichen Landschaft und eines flächig-geometrischen Komposition hin und her.

Peter Krauskopf - „15/97“, 1997 und „jul 98“, 1998

Die Arbeiten von Peter Krauskopf (geboren 1966 in Leipzig) nehmen einen spannenden Dialog mit dem sie umgebenden Raum auf. Die Grundfarbe der beiden Gemälde ist das Weiß der Wand, auf der sie hängen, die schwarzen Flächen öffnen die Gemälde zur Wand, schließen nicht ab, wie die Klammerfiguren, die Krauskopf bei vielen anderen Werken verwendet. Auch die beiden Wandskulpturen verharren in einer Zwischenstellung von minimalistischer Skulptur, konkretem Bild und verweisendem Bild, indem über ihre räumliche Präsenz, ihr bloßes So-Sein hinausgreifen und selbst Teil der Wand und des Raumes werden.

Auf diese Weise gewinnen die vier Arbeiten geradezu den Charakter einer Rauminstallation, jedoch ohne deren fixierten Ortsbezug. Zugleich ruft die Reduktion der bildnerischen Mittel auf einfache schwarze Flächen kunsthistorische Positionen wie die von Kasimir Malewitsch, Ad Reinhardt und anderen in Erinnerung.

Thomas Locher - „Gerecht ist nur die Gerechtigkeit“, 1997

Lochers (geboren 1956 in Munderkingen) Arbeiten aktivieren in eigentümlicher Weise das Potenzial der Sprache für bildnerische Ausdrucksmittel. Plakativ erscheint auf das Glas eines Fensterelementes gedruckt - vordergründig trivial - in großformatigen Buchstaben der Pleonasmus „Gerecht ist nur die Gerechtigkeit.“ Gerade die Forderung nach Gerechtigkeit - in der Demokratie im Gleichklang und im Widerspruch zur Forderung nach Gleichheit - wird im politischen Raum vielfach instrumentalisiert, nahezu jedes Gesetzesvorhaben damit begründet, ein Gebot der Gerechtigkeit zu erfüllen.

Im kleinformatigen Text eröffnet Locher sodann einen reflexiven Diskurs über die Grammatik des Satzes „Gerecht ist nur die Gerechtigkeit“. Stichwortartig werden die Kategorien der Syntax, der Intonation, der Wortklassen und Wortstrukturen aufgeführt, die auf diesen Satz Anwendung finden können. Durch sein Fensterbild erhellt der Künstler die Komplexität eines politisch oft unreflektiert verwandten Schlagwortes.

Robert Mangold - „o. T.“, 1976

Der amerikanische Maler (geboren 1937 in North Tonawanda bei New York) spielt in neun Drucken Variationen aus Farbe, Linie und Form durch. Regelmäßige oder unregelmäßige Flächen in gebrochenen Pastellfarben werden von geometrisch exakten Linien, oft Kreissegmenten durchschnitten, die die Flächenformen aufnehmen und ergänzen, sie fortsetzen oder sich ihnen entgegenstellen.

So treten diese Grundelemente eines Bildes - gleichwertig aufgefaßt - in spannungsreiche Wechselbeziehungen. Mangold hat ähnlich wie Ellsworth Kelly in den sechziger Jahren begonnen, die Frage nach den kompositorischen Grundbedingungen der Bildfindung aufzuwerfen.

Brice Marden - „o. T.“, 1976/77

Wie Robert Mangold entstammt Brice Marden (geboren 1938 in Bronxville, New York) jener Tradition minimalistischer Kunst, die sich in den 60er Jahren in Amerika als Antwort auf den abstrakten Expressionismus herausbildete. Diese Malerei will nichts mehr außerhalb des Bildes abbilden, weder illusionistisch noch im Sinne einer subjektiven Expression oder eines geistig-symbolischen Verweises. In diesem Sinne sind die Kupferstiche von Marden nur sie selbst, sie wirken in ihrer Materialität von Papier und aufgedruckter Schwärze, die der Künstler in unterschiedlicher Dichte auf jeweils drei Segmente verteilt. Sie sind infolgedessen reine Bilder „an sich“, die zu kontemplativer, „interesseloser“ (Kant) Betrachtung einladen.

Blinky Palermo - „4 Prototypen“, 1970

Der früh verstorbene Peter Schwarze (geboren 1943 in Leipzig, adoptiert als Peter Heisterkamp, Künstlername Blinky Palermo, gestorben 1977 in Kurumba, Malediven) studierte an der Düsseldor-fer Kunstakademie und gilt als einer der bedeutendsten Schüler von Joseph Beuys.

Er war darüber hinaus eng befreundet mit Gerhard Richter und Sigmar Polke. In seinem Werk werden die Anregungen minimalistischer Kunst zwar in eigenständiger Weise aufgegriffen, doch verbindet ihn mit Minimalismus und Analytischer Malerei die Frage nach den Grundbedingungen der Malerei. Die Siebdrucke der „Vier Prototypen“ konzentrieren sich dementsprechend in entschiedener Reduktion allein auf das Zusammenspiel von einfacher geometrischer Grundform zur Farbe.

Thomas Ranft - „Boxe francaise“, 1979/96, „o. T.“, 1980/96 und „o. T.“, 1998

Thomas Ranft (geboren 1945 in Königssee, Thüringen) gehörte in den siebziger Jahren zur jungen unangepassten Kunstszene in Chemnitz und war einer der Initiatoren der Künstlergruppe „Clara Mosch“ (Cla für Carlfriedrich Claus, ra für Ranft, Mo für Michael Morgner und sch für Gregor T. Schade). Kennzeichnend für seine Arbeiten sind verspielte Collagen aus Erinnerungsstücken und feine, archaisch anmutende Liniengespinste, als ob - allerdings ironisch gebrochen - ein Poesie-Album vergangener Zeiten aufgeschlagen würde.

Leopold Schropp - „Kissen XIII“, 1993 und „R.B. (Ranners Baum) X“, 1994

Die Werke des in Bern und Worb lebenden Künstlers (geboren 1939 in München) sind das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen des Künstlers, mit denen er Farbeindrücke in Serienstudien festhält. Diese Studien überträgt er auf seine Metallbilder, bei denen er Ölfarben dünn auf Metall aufträgt, sodass das im Untergrund sich spiegelnde Licht durchscheint und den Farben ein hohes Maß an Lebendigkeit verleiht.

Ihre Leuchtkraft und räumliche Unbestimmtheit zwingt den Betrachter zu konzentriertem Hinschauen, veranlasst ihn, sich vor dem Bild - das zuweilen noch auf einem Holzkasten skulptural in den Raum hineinragt - hin und her zu bewegen, um zu ergründen, was Malgrund und was Farbe ist.

James Turrell - „Catso“, 1989/90, „Acro“, 1989/90, und „Munson“, 1989/90

Der amerikanische Künstler (geboren 1943 in Los Angeles) wurde bekannt durch seine der Erfahrbarkeit des Lichtes gewidmeten Arbeiten. Spektakulär bezieht er auch die Natur in seine Gestaltungen ein bis hin zu ganzen Landschaftsformationen, so zum Beispiel bei dem seit über drei Jahrzehnten entwickelten „Roden-Krater“-Projekt in Arizona oder dem in 2300 Meter in den Anden (Argentinien) gelegenen Turrell-Museum auf dem Weingut Estancia Colomé.

Turrells „Land-Art“ lässt Raum und Landschaft durch eine spektakuläre, gewohnte Sehweisen überschreitende Lichtgestaltung erfahrbar werden. Vergleichbar schaffen die Aquatinta-Radierungen um einen zentralen Lichtkubus durch unterschiedliche Grauabstufungen Lichtzonen, die zwar ein Zusammenspiel von Raum und Licht erahnen lassen, sich aber einer präzisen räumlichen Zuordnung entziehen.

Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages

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