Parlament

Armenische Abgeordnete sehen in Deutschland verlässlichen Partner

Vizepräsidentin Claudia Roth (Mitte) und eine armenische Delegation

Bundestgasvizepräsidentin Claudia Roth (Vierte von links) mit den Abgeordneten aus Armenien (DBT/Melde)

Syrien, Ukraine oder Afghanistan – diese Krisenherde dominieren regelmäßig die außenpolitische Berichterstattung. Der südliche Kaukasus dagegen findet sich in der öffentlichen Debatte kaum wieder. Das werde der Brisanz der Konflikte dort nicht gerecht, mahnt Karin Strenz, Vorsitzende der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe des Bundestages. Die Region südlich von Russland, zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, verdiene höchste Aufmerksamkeit, sowohl von der deutschen Außenpolitik als auch in der Öffentlichkeit. Auf ihre Einladung hin war eine Gruppe armenischer Abgeordneter vom 21. bis 24. November 2016 zum Arbeitsbesuch in Berlin.

Ungelöste Konflikte

Seit Jahren schwelen in der Region, die aus den Ländern Armenien, Aserbaidschan und Georgien besteht, ungelöste und immer wieder gewaltsam ausgetragene Konflikte. Die drei Nachfolgestaaten der Sowjetunion liegen untereinander sowie mit ihren großen Nachbarn Russland und Türkei im Streit – zu den bekanntesten Konflikten zählen die armenisch-aserbaidschanische Auseinandersetzung um Berg-Karabach und der georgisch-russische Krieg 2008.

Der Südkaukasus sei aber auch eine faszinierende Kulturlandschaft und ein interessanter Wirtschaftsraum, wirbt Strenz, und zudem eine Region, deren Menschen sich voller Elan aufgemacht hätten, etwas Neues aufzubauen, und die seitens der Staatengemeinschaft, allen voran vom Westen und der Europäischen Union, auf Unterstützung hofften. Nicht zuletzt deswegen lohne es sich, diesen Ländern bei der Überwindung der Konflikte und der staatlichen und wirtschaftlichen Modernisierung zu helfen.

Lage nach wie vor explosiv 

Die internationale Politik sei dort bereits seit vielen Jahren engagiert, ruft Strenz die Unterstützung der EU, aber auch einzelner Länder, sowie der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates in Erinnerung. Aber bislang hat sich die Diplomatie an den Konflikten im Südkaukasus die Zähne ausgebissen. Die Menge an Problemen sei groß, die Streitigkeiten dauerten schon allzu lange, alles sei mit allem verbunden, zu viel werde emotional aufgeladen, gegeneinander aufgerechnet.

Die Region sei ein ethnischer und weltanschaulicher Flickenteppich, durch umstrittene Territorien und Grenzen fragmentiert. Jederzeit könne die Lage dort an irgendeiner Stelle eskalieren, es zu neuen Kämpfen kommen. „Im Südkaukasus haben wir es nach wie vor mit einer explosiven Lage zu tun“, warnt die Kaukasus-Kennerin.

Verständigung ist möglich

„Aber ist es nicht wie mit dem Fall der Berliner Mauer?“ zieht Strenz eine historische Parallele – für sie sei dies eine wesentliche persönliche Erfahrung gewesen: Für unveränderbar gehaltene Zustände wichen plötzlich neuen Entwicklungen. „Nichts besteht für alle Ewigkeit.“

Mit dieser Überzeugung geht die Politikerin auch ihre Arbeit für die krisengeschüttelte Region des Südkaukasus an. Die Konflikte können überwunden werden, ist sie überzeugt, „irgendwann wird es einen Durchbruch, eine Lösung geben. Und dazu wollen wir Bundestagsabgeordneten in der Parlamentariergruppe einen Beitrag leisten.“

Deutschland ein Schlüsselpartner

Eine aktuelle Gelegenheit, bei der Beilegung der Konflikte im Südkaukasus voranzukommen, bot der Besuch einer Delegation armenischer Abgeordneter in Deutschland auf Einladung der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages. Deutschland sei ein Schlüsselland, wenn es darum gehe, die Spannungen im südlichen Kaukasus abzubauen und die Länder dort bei ihrer staatlichen und wirtschaftlichen Modernisierung zu unterstützen, erläutert Strenz.

Erstens verfüge die Bundesrepublik über das nötige Know-how dazu, zweitens sei es im deutschen Interesse, wenn der Kaukasus sich stabil entwickele. Und drittens werde Deutschland von den drei Kaukasusrepubliken ein gewaltiges Interesse sowie die Erwartung entgegengebracht, der Region mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

„Für die Armenier, aber auch für die Aserbaidschaner und Georgier, sind wir einer der wichtigsten und verlässlichsten internationalen Partner. Die Kaukasier wünschen sich einen intensiven Kontakt mit Berlin.“ Der Bundesrepublik komme daher eine große Verantwortung zu, sich in dieser Region zu engagieren und die Erwartungen und Hoffnungen der Kaukasier nicht zu enttäuschen.

„Regionale Integration fördern“

Auf den Wunsch Armeniens, Aserbaidschans und Georgiens nach engen Beziehungen zu Deutschland antwortet die Parlamentariergruppe sowohl mit bilateralen Gesprächen als auch mit einem Politikansatz für die gesamte Region. Diese Herangehensweise findet auch in der Zuständigkeit der Parlamentariergruppe für alle drei Länder ihren Ausdruck – obwohl nach dem Zerfall der Sowjetunion jedes Land sein eigenes Entwicklungstempo aufgenommen hat, und trotz der historischen und immer noch vorhandenen Gegensätze.

„Bei allen Treffen mit einzelstaatlichen Delegationen behalten wir den regionalen Kontext im Blick, versuchen zu vermitteln und die Menschen zusammenzuführen, wo es sich anbietet oder geboten erscheint“, versichert Strenz. Auf das in allen drei Ländern bestehende Interesse an Deutschland gehe man im Bundestag auch mit einem zwischen allen drei Ländern ausgewogenen Austausch und Besuchsprogramm ein.

Wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit

Die sieben Abgeordneten der Armenisch-Deutschen parlamentarischen Freundschaftsgruppe der Nationalversammlung der Republik Armenien erwartete in Berlin ein umfangreiches Arbeits- und Besuchsprogramm. Zum formalen Rahmen gehörten ein Empfang bei der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, und eine Besichtigung des Reichstagsgebäudes.

Dabei erhielten die Armenier Gelegenheit, sich über das politische System Deutschlands zu informieren. Zu den Themen gehörten die Annäherung Armeniens an die EU ebenso wie die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Armenien; Deutschland ist Armeniens wichtigster Handelspartner in der EU.

„Die Wirtschaft steht in den Startlöchern“

In den Gesprächen zwischen den Abgeordneten kam der Wunsch zum Ausdruck, die kulturelle Zusammenarbeit weiter auszubauen. Dem trage bereits das neu eröffnete Goethe-Institut in der armenischen Hauptstadt Eriwan Rechnung, erinnert Strenz. „Aber die Armenier wünschen sich beispielsweise noch mehr deutsche Schulen.“

Und auch wirtschaftlich sei der Kaukasus eine sehr spannende Region, das Interesse miteinander ins Geschäft zu kommen sei auf beiden Seiten vorhanden. „Die Wirtschaft steht in den Startlöchern“, berichtet Strenz aus Ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern. Gerade in Ostdeutschland gebe es keinerlei Berührungsängste, in Osteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu investieren. (ll/04.01.2017)

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